Windherz' Sternenpfoten || Überarbeitet

Wie alles begann...

Pfote für Pfote pirschte sich Windjunges an den sandfarbenen Schweif ihres Vaters heran, der sachte im Sonnenlicht hin und her zuckte. Er war buschig und fühlte sich an wie ein kuscheliges Nest aus Federn, wie die Kätzin herausgefunden hatte, als sie ihn das letzte Mal gefangen hatte. Und außerdem roch Entenfeder so schön nach Wald! Wie ein echter Krieger!
Irgendwann wollte sie auch so riechen, nicht nach Milch und Kinderstube, wie all die anderen Jungen! Sie wollte wie eine Kriegerin riechen, nach Moos und frischer Luft... nach Abenteuer! Bei diesem Gedanken musste sie grinsen.
Wie ihre Schwester Vogeljunges dieser Verlockung durch eine so flauschige Schwanzspitze standhalten konnte, war der kleinen Kätzin ein Rätsel, bis sie, als sie sich misstrauisch nach ihr oder einer anderen Katze umsah, feststellte, dass Vogeljunges mit Mondjunges und Aschenjunges einen Überfall auf Leopardenfleck, einen alten, vernarbten Kater aus dem Ältestenbau, gestartet hatte, der nun kichernd unter ihnen am Boden lag, während seine Baugefährtin Robbensee belustigt schnurrend zusah.
Kurz überlegte Windjunges, ob sie nicht doch lieber bei ihnen mitmachen wollte, doch ein Blick auf die zuckende Schwanzspitze ihres Vaters, ließ sie diesen Plan recht schnell vergessen. Wie konnte sie dem schon widerstehen?
Vorsichtig, um ja kein verräterisches Geräusch zu verursachen, setzte sie ihren Weg fort. Entenfeder hatte sie anscheinend noch nicht bemerkt, denn er war noch immer in sein Gespräch mit Silberstreif, Windjunges und Vogeljunges Mutter, vertieft und hatte wohl nur Augen für seine Gefährtin.
Die kleine Kätzin kauerte sich sprungbereit zu Boden. Sie versuchte ein Jagdkauern nachzuahmen, so wie Flusspfote und Baumpfote es immer übten, und sprang dann kräftig mit den Hinterbeinen ab. Zwar verfehlte sie den Schwanz ihres Vaters ein wenig, erreichte aber trotzdem ein paar weiche Fellbüschel und der Effekt blieb nicht aus.
Entenfeder ließ ein überraschtes „Huch!" hören und als Windjunges kichernd nicht aufhörte, sich mit dem Ende seines Schwanzes auf dem Boden herumzuwälzen, ließ er ihn hin und her peitschen, sodass seine Tochter juchzend hinterher jagen konnte.
Silberstreif schnurrte liebevoll und zog schließlich sanft den Schwanz ihres Gefährten aus Windjunges Pfoten.
„Da lässt man euch einmal aus den Augen, und schon wird das Lager zu einem Spielplatz!" tadelte sie, bevor sie Mistelblatt zu Hilfe eilte, die gerade versuchte, Leopardenfleck von Mondjunges, Aschenjunges und Vogeljunges zu befreien, welche quiekend vor Vergnügen, auf dem großen Kater herumtollten.
Windjunges sah grinsend hinauf zu Entenfeder, der stolz schnurrte.
„Aus dir wird mal eine richtige Kriegerin" miaute er und glättete ihr sanft das Nackenfell. „Da kann sich der SturmClan aber auf was gefasst machen!"
Seiner Tochter schwoll die Brust vor Stolz und sie plusterte das Fell auf. „Und wenn du Anführer wirst, machst du mich zu deiner Zweiten Anführerin!" miaute sie und sprang vor Freude auf und ab.
Entenfeder musste lachen und wollte gerade etwas erwidern, als Lilienstern, die Anführerin, mit einem mächtigen Satz auf den Versammlungsast sprang.
Der Versammlungsast war der dicke, tiefhängende Ast einer Trauerweide, unter dem sich, verborgen von deren Flechten, Liliensterns Bau befand.
Windjunges bewunderte ihre Anführerin von klein auf für ihre Weisheit und Stärke, mit der sie ihren Clan führte, aber vor allem auch für ihre Wortgewandtheit, mit der sie zu den Katzen sprach, Probleme löste, oder Entscheidungen fällte. Nach ihrem Vater, dem Zweiten Anführer des Clans, war Lilienstern ihr großes Vorbild.
„Alle Katzen, die alt genug sind, Beute zu machen, fordere ich auf, sich hier, unter dem Versammlungsast, zu einem Clantreffen zu versammeln!"
Windjunges Augen leuchteten auf, als Lilienstern mit klarer Stimme den Clan zusammen rief und sich nach und nach alle Katzen des LichtClans um sie herum versammelten. Auch ihr Vater erhob sich, und die Kätzin folgte ihm schnell, damit ihre Mutter nicht, wie das letzte Mal, ihre Jungen zurück in die Kinderstube scheuchen konnte, unter dem Vorwand, sie würden nur stören.
Sie spürte Silberstreifs Blick im Nacken, als sie sich durch die Menge schob und einen Platz neben Flusspfote und Baumpfote ergatterte. Nur wenige Herzschläge später stieß auch Vogeljunges, mit einem schelmischen Blick auf ihre Mutter, dazu und setzte sich neben sie, nur um im nächsten Moment schon wieder aufgeregt herum zu hüpfen. 
„Unser erstes Clantreffen!" jubelte sie und ihre grünen Augen leuchteten aufgeregt.
Baumpfote lächelte und wieder einmal wurde Windjunges klar, wie sehr sie den dunkelbraunen Tigerkater mochte. Flusspfote verdrehte nur die Augen, so, als ob sie über soetwas schon längst erhaben wäre und sie erntete von Windjunges nur einen giftigen Blick. Alte Angeberin!
Nun stieß auch Silberstreif zu ihnen. Fast erwartete die kleine Kätzin eine strenge Bemerkung, doch ihre Mutter zog nur Vogeljunges sanft, aber bestimmt zurück in eine sitzende Haltung.
„Was ist eigentlich los?" erkundigte sie sich bei Baumpfote. Der lächelte stolz.
„Sonnenpfote und Sternenpfote haben ihre Prüfung bestanden! Das wird ihre Kriegerzeremonie!" Windjunges stieß einen erfreuten Jauchzer aus, als die beiden älteren Schüler auch schon mit würdevollen und stolzen Gesichtern nebeneinander auf den Versammlungsast zusteuerten und sich darunter niederließen.
Sternenpfotes grau getigertes Fell glänzte und ihre blauen Augen leuchteten. Sie sah wirklich hübsch aus, fand Windjunges, aber auch ihr Bruder sah gepflegt aus und sein rotgoldenes Fell leuchtete im Dämmerlicht auf, wie ein Sonnenuntergang.
Ein wenig neidisch war sie ja schon, als sie zu den beiden unter dem Versammlungsast aufsah, doch das Gefühl, eines Tages selbst dort stehen zu können und ihren Kriegernamen zu erhalten, machte das alles wieder wett. Eines Tages werde ich so sein wie sie!
Neben ihr hatte Vogeljunges wieder zu hüpfen begonnen. „Oh ich würde auch so gern eine Kriegerin sein!" quiekte sie vergnügt.
„Benimm dich" zischte Silberstreif ihr zu. „Das ist immerhin ihre Kriegerzeremonie! Das gibt es nur ein Mal im Leben!"
Beschämt hörte Vogeljunges auf zu hüpfen und sah wieder zum Versammlungsast auf, von dem Lilienstern nun stolz auf Sonnenpfote und Sternenpfote hinabblickte, die, nicht minder stolz, erwartungsvoll zu ihr hinaufsahen. Was haben sie nur für ein Glück! Wenn ich nur auch schon so alt wäre wie sie...
Endlich begann die Anführerin zu sprechen: „Katzen des LichtClans. Wir haben uns hier versammelt, um ein wichtiges Ereignis im Leben einer Clankatze zu feiern: Die Kriegerzeremonie." Bei diesen Worten leuchteten ihre grünen Augen auf und funkelten vergnügt. „Sonnenpfote und Sternenpfote haben ihre Prüfung bestanden und ich werde sie nun zu Kriegern ernennen."
Aus dem Augenwinkel sah Windjunges Flusspfotes und Baumpfotes erfreute, aber dennoch ziemlich neidische Blicke, mit denen sie ihren Baugefährten zusahen, die mit Liliensterns Worten ein kleines Stück zu wachsen schienen.
„Ich, Lilienstern, Anführerin des LichtClans..." fuhr diese nun mit klarer Stimme fort, „...rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diese beiden Schüler herabzuschauen. Sie haben hart trainiert um euer edles Gesetz zu erlernen und ich empfehle sie euch nun als Krieger."
Sonnenpfote richtete sich stolz auf und Sternenpfote reckte glücklich den Schwanz in die Höhe. Sie zitterten vor freudiger Erregung und Windjunges gönnte es ihnen von ganzem Herzen. Sie haben es verdient, Krieger zu werden.
Lilienstern sprach weiter. Ihr schildpattfarbenes, buschiges Fell glitzerte in der Sonne, als sie sich nun den beiden Schülern zuwandte.
„Sonnenpfote, Sternenpfote, versprecht ihr, das Gesetz der Krieger zu achten und den Clan zu schützen, selbst mit eurem Leben?" fragte sie mit feierlichem Ernst in der Stimme.
Erwartungsvoll sah Windjunges zu Sonnenpfote und Sternenpfote hinüber. Unwillkürlich fragte sie sich, was passieren würde, wenn die beiden diesen Eid nicht ablegten – oder im schlimmsten Fall: Sogar brachen. Doch ihre Sorge war unbegründet.
„Ich verspreche es." sagten beide wie aus einem Mund. Und keine Katze konnte daran zweifeln, dass sie dieses Versprechen ernst meinten.
„Dann gebe ich euch mit der Kraft des SternenClans eure Kriegernamen." miaute Lilienstern feierlich und hielt kurz inne, um einen kleinen Spannungsmoment zu erzielen.
Windjunges sah, wie die beiden Schüler vor Aufregung zitterten und auch sie war gespannt, welche Namen Lilienstern für Sonnenpfote und Sternenpfote ausgewählt hatte.
„Sonnenpfote, von nun an wirst du Sonnenpelz heißen." erlöste die Anführerin den roten Kater, dessen Schnurrhaare freudig zitterten. „Der SternenClan ehrt deinen Mut und deine Schnelligkeit und wir heißen dich als vollwertigen Krieger des LichtClans willkommen."
Lilienstern sprang elegant vom Versammlungsast, trat vor und legte ihm die Schnauze auf den Kopf. Er leckte ihr respektvoll die Schulter.
Windjunges wusste von Leopardenfleck, dass dies eine rituelle Berührung war, die alle neuen Krieger mit ihrem jeweiligen Anführer vollzogen. Nun wandte die Anführerin sich Sternenpfote zu.
„Sternenpfote, von nun an wirst du Sternenglanz heißen." sprach sie ihren neuen Namen aus. „Der SternenClan ehrt deine Klugheit und deine Entschlossenheit und wir heißen auch dich als Kriegerin des LichtClans willkommen." Sie hatte kaum Zeit, ihr die Schnauze aufzulegen.
Lauter Jubel brach aus. Die Katzen drängten sich um Sonnenpelz und Sternenglanz und riefen laut ihre neuen Namen. „Sonnenpelz, Sternenglanz! Sonnenpelz, Sternenglanz!"
Auch Windjunges wollte sie begrüßen und ihnen gratulieren, war aber zu klein, um nahe genug an sie heran zu kommen.
„Mäusedreck!" fluchte sie, als Sonnenpelz und Sternenglanz strahlend von ihren neuen Baugefährten zum Kriegerbau geführt wurden, Glückwünsche entgegen nahmen und mit jeder Katze die es hören wollte, über ihre Prüfung plauderten. Mit hängendem Schwanz trottete sie zu Vogeljunges.
„Warum können wir nicht auch schon Krieger sein?" fragte sie wehmütig und sah zu Flusspfote und Baumpfote hinüber, die sich vor dem Schülerbau allerlei Kriegernamen für einander ausdachten. „Das wäre mein größter Traum."