Himmelschweif und Wurzelkralle

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Windherz hastete zum Kiefernwald. Über ihr stand der Vollmond am Himmel und ihr Gesicht glühte vor Freude. Aufgeregt setzte sie über einen Baumstamm und aus ihrer Kehle löste sich ein übermütiges Lachen. Das Geräusch hallte zwischen den Bäumen wieder und kurz zuckte die Kätzin zusammen, bevor sie ein unbändiges Glücksgefühl ergriff. Seit über einem Mond hatte sie niemanden mehr wirklich lachen hören.
Schelmisch grinsend dachte sie an das eben Gesehene. Es war ihr ja schon klar gewesen, als Wurzelkralle Himmelschweif zum ersten Mal gesehen hatte. Die Art, wie er sie ansah, ließ keine Zweifel zu. Auch, wie Himmelschweif den Kater nach zusätzlichem Kampftraining fragte, oder über seine Witze lachte, war unverkennbar verdächtig gewesen. Aber dass Windherz sich selbst so in ihrer Tochter wiederkennen würde, hatte sie nicht gedacht.
Als sie den geheimen Ort unter den Kiefern erreichte und keuchend zum Stehen kam, musste sie strahlen. Schon lange war sie nicht mehr so glücklich gewesen, so aufgeregt und so unbeschwert. Ihr war, als würde sie fliegen. Offenbar ganz im Gegensatz zu Lichtfleck, der einen eher säuerlichen Ausdruck im Gesicht hatte, wie Windherz bemerkte, als sie ihn freudig schnurrend begrüßte.
„Wo warst du denn?" fragte er sie mürrisch, während sie langsam wieder zu Atem kam. „Ich warte schon seit Ewigkeiten! Du bist ziemlich zu spät, weißt du das?" Seine Augen verengten sich leicht, bei ihrem begeistert erhitzten Gesichtsausdruck. „Ich hab mir schon Sorgen gemacht!"
Windherz stieß langsam den Atem aus, doch kaum wollte sie etwas erwidern, da breitete sich schon wieder das Grinsen auf ihrem Gesicht aus. „Ich hatte was Wichtiges zu erledigen," miaute sie, etwas außer Puste.
Lichtfleck verzog beleidigt das Gesicht. „Was beim SternenClan ist denn wichtiger, als dein attraktiver, illegaler, humorvoller, intelligenter und noch dazu bescheidener SturmClan Gefährte?" fragte er gekränkt.
Windherz musste lachen und schmiegte sich verliebt an ihn, bevor sie mit glücklich funkelnden Augen zu ihm aufblickte.
„Ja, du bist wirklich der Beste!" kicherte sie liebevoll. „Und ich hab dich auch wirklich lieb und es tut mir leid, dass ich zu spät bin und dir das Glück vorenthalten habe, mit mir zusammen zu sein, aber..." Sie gluckste vergnügt, holte tief Luft und sah ihm begeistert in die Augen. „Du glaubst nicht, was ich eben gesehen habe!"
Lichtfleck schüttelte grinsend den Kopf über sie, sein grummeliger Gesichtsausdruck wich einem liebevollen und sanft begann er, ihr das von ihrem Waldlauf zerzauste Fell zu glätten.
„Na dann, ich will gnädig sein und die ganze Sache vergessen," miaute er versöhnlich und schmunzelte in sich hinein. „Ich bin nämlich viel zu neugierig. Was hast du gesehen?"
Windherz bebte vor Glück und kicherte wie eine kleine Schülerin, bevor sie einen kleinen Hüpfer machte. „Ich glaube", miaute sie und ihre Augen leuchteten bei ihren Worten. „Unsere Tochter ist verliebt!"
Lichtfleck, der ihr eben noch belustigt zugesehen hatte, verzog das Gesicht. „Erzähl keinen Mist," meinte er mürrisch. „Sie ist doch gerade erst vor eineinhalb Monden zu eurem Clan gekommen! Wie kann sie sich da schon in irgendeinen von euch LichtClan Katzen verliebt haben? Und vor allem in wen?" Seine Nase zuckte abfällig. „Ich hatte eigentlich nicht das Gefühl, dass irgendeiner eurer Kater gut genug für sie wäre!"
Windherz hörte deutlich die Eifersucht aus seiner Stimme heraus und sie schmiegte sich besänftigend an ihn. Leicht musste sie über seine Reaktion schmunzeln.
„Ach Lichtfleck!" Liebevoll schleckte sie ihm übers Ohr. „Du vergisst, sie weiß nichts von uns! Und nicht jeder kann nun mal so toll sein wie du!" Sie verkniff sich ein belustigtes Lachen. „Aber wir haben durchaus nette Kater in unserem Clan, die alle sehr lieb zu ihr sind."
Lichtfleck schnaubte nur, doch Windherz fuhr fort. „In Himmelschweifs Fall ist der tollste Kater Wurzelkralle." Sie dachte an die liebevolle Art, mit der sich die beiden begegneten, und ihr Herz machte einen Sprung.
„Wer?" fragte Lichtfleck verwirrt. Sein griesgrämiger Blick wich nun doch langsam einem neugierigen und er ringelte seinen Schwanz um die Pfoten.
Windherz leckte ihm zärtlich übers Ohr. „Du kennst ihn noch als kleinen braunen Schüler, aber inzwischen ist er ein stattlicher junger Krieger," erzählte sie. „Er hat Himmelschweif geholfen, sich in den Clan einzuleben und dabei ist wohl eine gewisse Zuneigung zueinander zwischen ihnen entstanden. Er gibt ihr das Gefühl, dass sie bei uns willkommen ist und auch noch etwas anderes, das weder du, noch ich ihr wirklich geben können." Sie lächelte schwach. „Liebe."
„Der?" Lichtfleck legte verwundert den Kopf schräg. „Der Bruder deiner Schülerin? Adlerflugs Sohn?" Er schüttelte sich erstaunt. „Der?"
Windherz nickte. „Genau der." Ein sanftes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie hatte sich schon gedacht, dass Lichtfleck das alles nur schwer begreifen würde, besonders, da er weder Himmelschweif noch Wurzelkralle jemals wirklich richtig gesehen hatte; sie allerdings konnte der Kätzin ihr Glück von ganzem Herzen gönnen. Ganz besonders unter dem Umstand, dass sie nichts von ihrer Vergangenheit wusste und nun neuanfangen musste.
„Wurzelkralle ist wirklich in Ordnung," beruhigte sie Lichtfleck, der daraufhin tief die Luft einsog und sie dann langsam wieder ausstieß.
„Nun", sagte er schließlich, „ich kenne ihn nicht, aber ich glaube dir, wenn du sagst, dass er Himmelschweifs würdig ist, denn bei mir zumindest hat dein Geschmack nicht versagt." Er grinste Windherz an, die kopfschüttelnd zurück grinste. „Aber..." fuhr der Kater lückenlos fort, „ich kenne seine Mutter und wenn er nur halb so viel Temperament besitzt wie Adlerflug, hat er für sein Leben genug davon und ich hoffe, er kann es zügeln."
Windherz kicherte vergnügt und unwillkürlich musste sie ihm recht geben. Liebevoll stupste sie ihn an, sodass er rittlings auf den Boden fiel und sie sich mit einem zufriedenen Lächeln an seine Brust kuscheln konnte.
Lichtfleck schnurrte belustigt und schlang schützend seine Pfoten um sie. Die Kätzin konnte sein Gesicht nicht sehen, war sich jedoch sicher, dass es genauso glücklich war wie ihres. Entspannt schloss sie die Augen. Diese Momente waren ihre liebsten.
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du zu spät bist," miaute Lichtfleck schließlich gedämpft durch ihr Fell.
Windherz musste unwillkürlich grinsen und drehte sich zu ihm um, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte. „Ich war heute Nacht nicht die Einzige, die sich heimlich raus geschlichen hat," erwiderte sie, bedeutungsvoll lächelnd. „Unsere Tochter kommt nach mir."
Lichtflecks Augen weiteten sich überrascht, dann grinste auch er. „Sag nicht, du hast ihnen hinterher spioniert!"
Windherz neigte verlegen den Kopf zu Seite. „Nur bis zum Fluss... da haben sie sich ins Gras gelegt und zu den Sternen hochgeguckt. Da wollte ich nicht weiter stören."
Ihr Gefährte bedachte sie mit einem vielsagenden Blick. „Und du hattest keine Deckung mehr, was?"
Die Kätzin musste lachen. „Ja, auch das wird ein verstärkender Faktor gewesen sein." Sie genoss die ungewohnte Ausgelassenheit und kuschelte sich enger an Lichtfleck, der ihr lachend übers Gesicht schleckte.
„Windherz, du ungezogene Kätzin!" rief er. „Das macht man doch nicht!"
„Jetzt sag nicht, es interessiert dich nicht, was ich so von ihrem Gespräch mitbekommen hab, als sie da im Gras lagen!" miaute Windherz und warf ihm einen gespielt beleidigten Blick zu, bei dem der Kater noch mehr lachen musste.
„Jetzt kommt's raus!" kicherte er vergnügt. „Aber nein, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!"
„Es war furchtbar romantisch!" begann Windherz nun sofort zu schwärmen. „Ich glaube, sie sind noch nicht wirklich Gefährten, aber Wurzelkralle hat ihr vom SternenClan erzählt und ihr Komplimente über ihr Aussehen gemacht, und sie hat sich an ihn gekuschelt und ihm zugehört, ungefähr so wie wir das gerade machen." Sie lächelte versonnen und wurde dann etwas verlegen, als sie ihren Gefährten ansah. „Als sie dann angefangen haben, über den Krieg zu reden und darüber, dass er nicht will, dass sie sich in Gefahr bringt, bin ich gegangen," gestand sie. „Das wurde mir zu privat und außerdem auch zu bedrückend. Wurzelkralle ist damit ja nicht allein." Ihr Lächeln erlosch.
Lichtfleck hatte sich nun ebenfalls langsam von seinem Lachanfall erholt und auch sein Blick wurde wieder so ernst, wie er es schon die letzten Monde gewesen war.
„Darüber müssen wir aber auch noch reden," sagte er und schlang die Pfoten nun etwas fester um seine Gefährtin, als ob er sie damit von allen Gefahren abhalten könnte. „Bist du sicher, dass..."
„Stopp!" unterbrach Windherz ihn schnell, bevor er die Diskussion des gesamten letzten Mondes wieder aufnehmen konnte. „Wir haben noch eineinhalb Monde bis zu dem Kampf. Bitte, lass uns heute einfach mal nicht an Kriege, Kämpfe, Streuner und Lindenstern denken." Liebevoll lächelte sie ihn an. „Lass uns uns lieber für Himmelschweif und Wurzelkralle freuen und unsere gemeinsame Zeit genießen, so wie sie es tun."
Lichtfleck lächelte schwach, als sie sich an ihn schmiegte und er schloss für einen kurzen Moment entspannt die Augen. „Du hast recht," miaute er dann. „Ich liebe dich, Windherz."
„Ich liebe dich auch, Lichtfleck."

Windherz' Sternenpfoten || ÜberarbeitetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt