Kletten im Fell

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Windjunges behielt recht. Es vergingen zwei Monde, in denen Hageljunges und Flammenjunges sich zu zwei großen und kräftigen Jungen entwickelten, die nichts als Flausen im Kopf hatten.
Oft spielten sie mit Mondjunges und Vogeljunges, die anscheinend gar nicht genug von ihnen bekommen konnten. Zumindest gab es nichts mehr, was die beiden Kätzinnen lieber taten, als zusammen mit den jüngeren Katern Verstecken zu spielen oder mit ihnen die Ältesten zu überfallen. Eigentlich egal was, Hauptsache, Hageljunges und Flammenjunges waren ein Teil davon.
Ihre liebste Beschäftigung war es allerdings, Windjunges und Aschenjunges zu erschrecken, wenn sie Flusspfote und Baumpfote bei ihren Schülerpflichten halfen.
Windjunges mochte die beiden Kater und sie freute sich für Mondjunges und Vogeljunges, dass sie sich so gut mit ihnen verstanden, trotzdem hatte sie eigentlich keine Lust, sich mit ihnen zu beschäftigen. Meistens war sie nun mit Aschenjunges zusammen, dem das beinahe ebenso ging, nur, dass er von Mondjunges Anhänglichkeit an die Jungen genervt war. Die kleine Kätzin hatte das Gefühl, dass Aschenjunges eifersüchtig war, weil seine Schwester so viel Zeit mit Hageljunges und Flammenjunges verbrachte und nicht mit ihm. Also ging er ihnen aus dem Weg.
Mondjunges und Vogeljunges hätten gerne mehr Zeit mit ihren Geschwistern verbracht, doch die hatten einfach keine Lust, sich ihre ständigen Schwärmereien von den Jungen anzuhören. Sie mochten die Kleinen, ja. Aber so toll, dass man von ihnen schwärmen musste, waren sie dann doch nicht.
Außerdem waren Windjunges und Aschenjunges meist viel zu aufgeregt, um sich mit den Beiden zu beschäftigen. Sie waren bald sechs Monde alt und konnten zu Schülern ernannt werden!
Windjunges sah dieser Ernennung mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie freute sich darauf, endlich Schülerin zu werden und das Lager verlassen zu können, doch sie beneidete ihre Schwester und ihre Freunde, deren großer Traum in Erfüllung gehen würde. Sie würden lernen, Krieger zu werden, während Windjunges im Heilerbau festsaß. Sie würden das Lager zum Trainieren und Jagen verlassen, Windjunges zum Kräutersammeln.
Doch sie konnte ihre Entscheidung nicht ändern. Es ging nicht mehr. Sie hatte beschlossen, den Weg einer Heilerin zu gehen und das würde sie auch tun. Das ist das Beste für mich und meinen Clan. Ich muss lernen, damit zu leben.

Eines Morgens lag Windjunges vor der Kinderstube und putzte sich. Es war mal wieder dringend nötig, vor allem da sie nicht wollte, dass Silberstreif es ihr abnahm. Sie war schließlich bald Schülerin!
Neben ihr lag Aschenjunges und schaute neidisch zu Flammenjunges und Hageljunges hinüber, die auf der Lichtung mit Mondjunges und Vogeljunges Moosball spielten.
„Seit diese beiden da sind, spielt sie überhaupt nicht mehr mit mir!" beschwerte er sich und warf den vieren einen beleidigten Blick zu.
Windjunges zuckte belustigt mit den Schnurrhaaren. Das ging nun schon seit Monden so! Sie selbst hatte sich inzwischen damit abgefunden. Vogeljunges wegen ihrer Freundschaft zu Hageljunges und Flammenjunges Vorwürfe zu machen, wäre nicht fair. Da hätte ihre Schwester schon mehr Dinge, die sie ihr übel nehmen konnte, bei ihrer Entscheidung, Heilerin zu werden angefangen.
„Sei doch froh!" spottete sie und knuffte Aschenjunges freundschaftlich in die Seite. „Jetzt kann sie dich schon nicht mehr bei Fuchsjagd übertrumpfen!"
Aschenjunges schlug mit eingezogenen Krallen nach ihr. „Sie hat mich nie übertrumpft!" maulte er beleidigt. Doch in seinen grauen Augen sah Windjunges den Schalk aufblitzen.
„Ach ja?" Sie grinste ihn schief von der Seite an und setzte eine unwissende Miene auf. „Dann warst es also nicht du, der von Froschsprungs Rücken gerutscht, und mit der Nase voran in den Schlamm gefallen ist, als er den "wilden Fuchs" verjagen wollte?" Die kleine Kätzin duckte sich unter Aschenjunges herab sausender Pfote weg, und schlug nach seinem Ohr. Und schon im nächsten Moment kugelten sie wild juchzend über den Boden.
Windjunges spürte, wie sich Kletten in ihrem Fell verhakten, und sie Staubwolken aufwirbelten, doch das störte sie nicht im Geringsten. Es war viel zu schön, wieder so ausgelassen zu spielen.
Ihre blauen Augen funkelten, während Aschenjunges sich zum Sprung duckte. Sie wich ihm gerade noch aus, als er auch schon durch die Luft flog und hinter ihr landete. Windjunges drehte sich kichernd zu ihm um und wollte gerade eine spöttische Bemerkung machen, als sie von einer grauen Fellkugel umgerannt wurde und ihr der Atem wegblieb.
Fest miteinander verknäult, rollten Windjunges und Aschenjunges über den Boden und versuchten, die Oberhand über den jeweils Anderen zu gewinnen.
Aschenjunges hatte sich mit den Krallen in Windjunges Pelz verhakt und versuchte, sie an den Schultern unter sich zu ziehen. Die kleine Kätzin hing halb unter seiner Brust und klammerte sich an seine Hinterbeine, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Schließlich gelang ihr das auch, es hatte aber nur zur Folge, dass Aschenjunges mit seinem ganzen Gewicht auf ihr landete.
Windjunges schnappte nach Luft und kämpfte sich durch sein dickes Fell hindurch nach oben. Kurz rangen sie miteinander, dann kugelten sie auch schon wieder durch den Staub.
„Na, macht's Spaß?" Eine spöttische Stimme riss sie auseinander.
Windjunges richtete sich abrupt auf. Vor ihnen stand Flusspfote. Hinter ihr hüpften Vogeljunges und Mondjunges auf und ab, und ihre Augen leuchteten aufgeregt. Auch ihr Fell schien zu leuchten, sie sahen seltsam sauber und herausgeputzt aus.
Windjunges kam das irgendwie komisch vor, aber auch die Tatsache, dass Hageljunges und Flammenjunges nirgendwo zu sehen waren, erregte ihre Aufmerksamkeit.
„Ja, es macht sogar sehr viel Spaß!" antwortete Aschenjunges Flusspfote frech und sah die Schülerin herausfordernd an. „Würde dir auch ziemlich gut stehen!"
Flusspfotes Augen verengten sich und Windjunges musste sich ein Kichern verkneifen, weil Vogeljunges und Mondjunges nun auch noch begonnen hatten, hinter ihrem Rücken Grimassen zu schneiden.
„So?" fragte die Schülerin säuerlich. „Es würde mir also stehen, mich im Staub herum zu kugeln und mir Kletten ins Fell zu holen, wie ein räudiger Fuchs?" Sie ließ ihren Blick abschätzig an Aschenjunges und Windjunges hinunter gleiten und verzog das Gesicht.
„Na, wenn ihr meint, das steht euch... ich würde nicht so aussehen wollen, an meiner Schülerzeremonie, aber was weiß ich schon." Sie lachte künstlich und blickte hinter sich zu Mondjunges und Vogeljunges, die schnell wieder ganz brav schauten.
„Schülerzeremonie?" keuchten Windjunges und Aschenjunges wie aus einem Mund.
„Aber ja doch, hab ich doch gesagt!" erklärte Flusspfote wichtigtuerisch. „Ich soll euch zu euren Müttern bringen, ihr werdet bei Sonnenhoch ernannt." Sie lächelte erhaben, als sie Windjunges und Aschenjunges Gesichter sah und Mondjunges und Vogeljunges wieder anfingen zu hüpfen. „Aber vor der Zeremonie solltet ihr euch lieber erst mal waschen, außer natürlich, ihr seht das anders..."
Nun, jetzt sahen Windjunges und Aschenjunges das vollkommen anders. Flusspfote die Genugtuung zu gönnen, schon wieder Recht zu haben, war zwar nicht sonderlich cool, aber an ihrer Schülerzeremonie auszusehen, wie ein Flohpelz wollten sie auch nicht.
Erst jetzt fiel Windjunges auf, dass sie und Aschenjunges tatsächlich völlig verdreckt waren. Ihr Fell war staubig und voller Kletten, Aschenjunges sah sogar noch schlimmer aus als sie. Deshalb sind Vogeljunges und Mondjunges auch so sauber!
Schnell versuchte Windjunges, mit der Pfote eine Klette hinter ihrem Ohr vor zu ziehen, während sie dem SternenClan dankte, dass es Flusspfote war, die sie in diesem Zustand sah, und nicht Baumpfote.
„Nun, ich würde mich lieber beeilen", sagte die nun süßlich, als sie die Jungen vor der Kinderstube abgesetzt hatte und die Worte schienen ihr auf der Zunge zu zergehen. „Es ist bald Sonnenhoch." Damit ließ sie die vier stehen und stolzierte zu Sternenglanz, Sonnenpelz und Baumpfote hinüber, die sich träge vor dem Schülerbau in der Sonne räkelten.
Altes Ekel! Windjunges warf Flusspfote einen funkelnden Blick voller Abscheu hinterher und versuchte sich dann wieder auf ihr Fell zu konzentrieren. So wollte sie nie und nimmer zur Schülerin ernannt werden! Erst recht nicht zur Heilerschülerin, unter Minzblatts fachmännischem Blick!
„Ist das nicht fantastisch? Wir werden zu Schülern!" juchzte Vogeljunges, während sie vor den anderen herum hüpfte.
„Ja!" antwortete Mondjunges und ihre Augen leuchteten auf, als auch noch Hageljunges und Flammenjunges dazu kamen, die ihre Aufregung teilten und wild um sie herum tobten.
„Fantastisch", knurrte Aschenjunges säuerlich, während er verzweifelt versuchte sein Fell zu glätten und gleichzeitig seiner Schwester und Flammenjunges einen bösen Blick zu zuwerfen. „Ganz klasse. Wir haben Zeremonie und Windjunges und ich sehen aus, als wären wir im SturmClan Anführerbau gewesen und Lindenstern hätte uns erwischt!"
Mondjunges kicherte. „Was macht ihr denn zusammen im SturmClan Anführerbau?" Sie warf ihrem Bruder einen neckischen Blick zu.
„So schlimm ist es nun auch wieder nicht", miaute Windjunges und zupfte ihrem Freund tröstend eine Klette aus dem Pelz. Ihr Fell war zum Glück nicht ganz so dicht wie Aschenjunges' und so hatte sie es schnell wieder sauber.
„Mondjunges, wenn Lindenstern sie tatsächlich erwischt hätte, wären sie nicht nur mit ein paar Kletten davon gekommen", lachte Hageljunges.
„Wir waren nie im SturmClan Lager!" fauchte Aschenjunges gereizt und spuckte eine Klette in den Sand. „Mäusedreck!" fluchte er.
„Na na, was ist denn mit dir los?" Mistelblatt kam um die Ecke, gefolgt von Silberstreif und Bachblüte. „Solltest du nicht gute Laune haben, Aschenjunges?" Sie setzte sich neben ihren Sohn und begann, mit sanften Zungenstrichen sein Fell zu glätten, das widerborstig immer wieder in alle Richtungen abstand.
Auch Silberstreif ließ sich neben ihrer Freundin nieder, zog Windjunges zu sich heran und putzte Kletten aus ihrem Fell, von denen Windjunges nicht mal gewusst hatte, das sie noch da waren. Sie dachte, sie wäre sauber!
Doch Silberstreif putzte Windjunges noch eine ganze Weile, bis sie befand, dass ihre Tochter sauber war und eigentlich, dachte Windjunges, war es gar nicht so schlimm, sich von ihrer Mutter putzen zu lassen.
Vor der Kinderstube halfen sie, Mondjunges und Vogeljunges Aschenjunges auch noch den letzten Rest Staub aus seinem Fell zu putzen und langsam machte sich unter ihm und Windjunges dann doch noch die freudige Aufregung breit, die die anderen Jungen schon die ganze Zeit festhielt.
Diese Ernennung würde zwar von einem Kriegerdasein für Windjunges wegführen, doch die Kätzin würde Schülerin werden, das war es doch, was zählte. Und sie würde das Beste daraus machen.

Pünktlich bei Sonnenhoch standen Windjunges, Vogeljunges, Aschenjunges und Mondjunges neben Silberstreif und Mistelblatt unter dem Versammlungsast.
Lilienstern stand darauf und ließ ihren Blick feierlich über ihren versammelten Clan schweifen. Da waren Flusspfote und Baumpfote, die ihnen wie zur Begrüßung zu nickten, Hageljunges und Flammenjunges mit ihren Eltern, Rosenfell, die ihre Kriegerpflichten wieder aufgenommen hatte, Eichenkralle, Nachtherz und Sturmlied, die ziemlich feierlich aussahen, Sonnenpelz und Sternenglanz, die aus irgendeinem Grund ebenfalls sehr aufgeregt schienen und Entenfeder, der neben Froschsprung saß und seinen Jungen ermutigend zu nickte. Mit den Lippen formte er die Worte: „Ich bin stolz auf euch."
Minzblatt saß neben Goldauge vor dem Heilerbau. Ihre Miene war unergründlich und Windjunges hätte es aufgemuntert, wenn sie ebenso zuversichtlich und stolz gewirkt hätte, wie ihr Vater, nicht so ernst und reserviert. Die kleine Kätzin zitterte vor Spannung, als Lilienstern endlich zu sprechen begann.
„Katzen des LichtClans. Es ist an der Zeit, neue Schüler zu ernennen." Stolz sah sie auf die Jungen herab und hob an, um fortzufahren. „Mondjunges, Aschenjunges, Vogeljunges und Windjunges haben..."
Liliensterns Worte waren laut und klar und sie trug die zeremoniellen Worte elegant und würdevoll vor. Doch sie wurde unterbrochen...

Windherz' Sternenpfoten || ÜberarbeitetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt