Kapitel 10

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5. Tag

Mason hat recht gehabt. Es macht Spaß. Unglaublich viel Spaß. Obwohl ich immer noch sehr oft herunterfalle, weil ich mein Gleichgewicht bei diesen stürmischen Wellen nicht halten kann und zu spät aufstehe, genieße ich es in vollen Zügen. Der Duft von Salzwasser liegt in meiner Nase, das angenehme tiefblaue Wasser kühlt meinen Körper ein wenig von der Hitze ab und ich fühle mich vollkommen frei. Eine tiefe Ruhe herrscht in meinem Inneren und ich bin im Gleichgewicht mit mir selber. Zum ersten Mal seit dem Tod meines Bruders bin ich glücklich. So richtig glücklich und es fühlt sich fantastisch an. Am liebsten würde ich hier nie wieder weggehen wollen. Wenn man die Augen schließt und sich ganz sehr konzentriert bildet man eine Einheit mit der Welle. Man hört das Meeresrauschen, spürt den leichten Wind in den Haaren und man riecht das Salzwasser. Es ist unfassbar und ein einzigartiger Moment, welcher für sich spricht. Nie im Leben hätte ich mal gedacht, dass ich so etwas mache. Doch ich bin hier und ich könnte in diesem Augenblick nicht stolzer auf mich sein.

Gerade sitze ich auf meinem Surfboard, schaue den anderen dabei zu, wie sie versuchen die Wellen zu erobern und genieße die Sonnenstrahlen auf meiner nassen Haut. Wie auch bei mir haben die anderen ebenfalls leichte Schwierigkeiten. Entweder stehen sie zu spät oder zu früh von ihrem Board auf oder aber sie können ihr Gleichgewicht nicht halten und fallen deshalb zurück ins Wasser. Die einzigen, die es anscheinend richtig machen sind Sam und zu meinem Bedauern auch Clara. Ich habe keine Ahnung wie sie das genau geschafft hat, aber bei ihr sieht das Surfen so einfach und harmonisch aus. Als würde sie das schon jahrelang machen. Leise seufze ich auf, wende den Blick ab und mache dabei Bekanntschaft mit den meeresblauen Augen von Noah. Die ganze Zeit über war er bei Dale und Judy, um ihnen noch einige Tipps und Tricks zu erklären und jetzt kommt er in meine Richtung gelaufen. Augenblicklich wird mein Atem ein wenig schneller und mein Puls springt in die Höhe. Ich habe keinerlei Ahnung, wie wir uns jetzt gegenübertreten sollen und das macht die ganze Sache noch ein wenig komplizierter. Schnell versuche ich mich abzulenken und so zu tun, als würd ich ihn nicht bemerken.

Meine Augen gleiten zu den anderen Surfern zurück. Weiter draußen auf dem Meer sind die Surfprofis zu erkennen. Sie vollbringen wahre Kunststücke auf ihren Boards, schweben in der Luft und sehen dabei aus wie wahre Wellengötter. Was würde ich nur alles dafür geben um Noah nochmal bei Surfen zuschauen zu können. Er sah heute Morgen so selbstbewusst und völlig sicher aus und man hat ihm angemerkt, dass das hier seine Welt ist. Dafür lebt er und das zeigt er auch jedem. Meine Augen wandern erneut zu unserer kleinen Gruppe. Clara und Sam trauen sich nun ein wenig weiter ins tiefere Wasser und es dauert nicht lange da haben es auch Paxton, David und Ally geschafft halbwegs sicher auf ihren Boards zu stehen.

Meine Arme gleiten durchs Wasser, einfach nur damit ich was zu tun habe und ich schließe seufzend die Augen. „Na, machst du etwa schon schlapp?" Noahs raue Stimme erklingt neben mir und ruckartig reiße ich die Augen auf und stoppe in meiner Bewegung. „Ich habe nur die anderen ein wenig beobachtet. Bei ihnen sieht das so einfach aus und ich falle immer wieder herunter." Noah grinst, seine meeresblauen Augen funkeln mich amüsiert an. „Wo denkst du liegt dein Problem? Warum fällst du herunter?" Neugierig sieht er mich an und wartet auf eine Antwort. Leicht zucke ich mit den Schultern und seufze leise auf. „Ich kann mein Gleichgewicht nicht halten, weil die Wellen zu stürmisch sind, habe ich das Gefühl. Und ich muss ein wenig früher aufstehen, dadurch kann ich dann vielleicht auch einen besseren und sicheren Stand aufbauen bevor die Welle mich trifft." Noah nickt bei meinen Worten und ein stolzer Ausdruck legt sich auf sein Gesicht, sodass mir plötzlich ganz warm wird. „Das ist doch schon mal sehr gut, wenn du weißt, wo du noch Schwierigkeiten hast. Denn nur so kann man an ihnen arbeiten. Wenn du möchtest schaue ich mir das Mal an und helfe dir." Etwas verlegen wegen seinen Worten nicke ich und wenige Minuten später paddele ich einige Meter von Noah weg und versuche mich auf einer Welle zu halten. Doch schon nach einigen Minuten falle ich wie zuvor auch schon zurück in Wasser. Sogleich kommt Noah ebenfalls mit seinem Board zu mir gepaddelt. „Okay erst Mal müssen wir es hinbekommen, dass du ein wenig früher aufstehst. Schließe deine Augen und versuche, die sanften Wellen unter deinem Board zu spüren. Du musst eine Einheit werden. Stell dir vor, du wärst so eine Welle. Und wenn du merkst, wie dein Board sich leicht abhebt und die Wellen unter dir stürmischer werden, dann stellst du dich kontrolliert und schnell auf." Meine Augen schließen sich, Noahs sanfte Stimme dringt in mein Ohr ein und wie automatisch schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. Und dann ganz leise, sodass ich es fast nicht gehört hätte, erklingt Noahs Stimme und sorgt dafür, dass ein Feuer in meinem Inneren entfacht wird. „Du siehst so schön aus." Schlagartig öffnen sich meine Augen und ich sehe zu Noah, welcher verträumt zu mir blickt. Wie immer wenn ich seine Blicke auf mir spüre, liegt dieses besondere Funkeln in seinen Augen und ich schnappe leise nach Luft, kann nicht glauben, was er soeben zu mir gesagt hat. Wir sind hier, damit er mir das Surfen beibringt, da kann er doch nicht solche Bemerkungen von sich geben, oder?

Salzwasserküsse Where stories live. Discover now