XXV

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Ich lehnte mich auf der Fensterbank zurück und sah den Regentropfen zu, die gegen die Fensterscheibe prasselten. Seit der Veranstaltung in der Aula war eine knappe Woche vergangen und noch immer lastete eine gewisse Anspannung auf der Schülerschaft.

Bei dem Gedanken an die Situation vom letzten Sonntag schüttelte ich ungläubig den Kopf. Nachdem Corey ihre kurze Rede beendet hatte, war ein Schüler nach dem anderen aufgestanden. Zunächst Coreys Freund Miles, der direkt neben ihr gesessen hatte und als wir realisiert hatten, dass die blonde Wasserbändigerin ihre Worte ernst gemeint hatte, waren auch meine Freunde und ich aufgestanden. Daniel, Beverly, die Jungs aus der ersten Reihe, Eleanor, Anthony und Hazel, sie alle waren aufgestanden. 

Bekannte und unbekannte Gesichter, bis irgendwann die gesamte Aula gestanden hatte. Einige Schüler hatten ihre Freunde angestoßen, je nach Meinung nach oben oder nach unten gezogen – oder es zumindest versucht oder den anderen gestikuliert, sich ebenfalls zu erheben. Die wenigen, die bis zum Schluss sitzen geblieben waren, waren untergegangen in der Menge jener, die gestanden hatten.

Und auch nach der Versammlung war es überwältigend und ungewohnt, wie viele hinter uns standen. Die meisten waren geblieben, nur einige wenige Schüler waren nach eigenem Wunsch oder dem ihrer Familien abgereist. Mir war wohl bewusst, dass ich einige von denjenigen, die uns verlassen hatten, in absehbarer Zeit auf der anderen Seite sehen würde, denn es war mehr als nur logisch, dass Noah ebenfalls Verbündete hatte.

Einige von seinen Anhängern, die sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter uns Schülern befanden, waren unter dem Deckmantel der Neutralität und Angst abgereist, wieder andere verbargen sich wohl als Spione mitten unter uns und würden erst in der letzten Minute zeigen, wem ihre Loyalität galt. Doch die allgemeine Stimmung der Schule hatte sich gewendet und auch, wenn jeden Tag ein paar Schüler mehr fehlten, waren die meisten doch auf unserer Seite – zumindest scheinbar.

Ich machte mir schon ein wenig Sorgen (wen wollte ich täuschen, ich war regelrecht panisch) darum, dass der Großteil der Schülerschaft nur so tun könnte, als wären sie auf meiner Seite und mich sofort verlassen würden, wenn es ernst wurde. Allerdings versuchte ich, nicht allzu oft an diese beängstigende Möglichkeit zu denken – was mir nicht gut gelang.

Ich hatte gehofft, der Unterricht würde mich ein wenig ablenken, doch anstelle der individuellen Stunden versammelten wir uns jeden Nachmittag mit der gesamten Schule in der Aula und Mrs. Walsh verkündete die Neuigkeiten. Meistens beliefen sich diese Treffen nur auf eine kurze Mitteilung, dass es nichts Neues gab und die Frage, ob jemand von den Schülern etwas mitbekommen hatte (nein).

Der eigentliche Unterricht war oft zur Hälfte gefüllt mit Fragen der Schüler an die Lehrer, die von den Lehrkräften mit Engelsgeduld beantwortet wurden. Ich konnte es meinen Mitschülern nicht verübeln, dass sie alles ganz genau wissen wollten und es störte mich auch nicht, wenn jemand mich direkt ansprach. Aber dadurch wurde ich ständig mit der Nase in ein Wespennest gestoßen, in dem ich sowieso schon bis zum Hals drinsteckte. Und obwohl ich mir bewusst war, dass Verdrängung uns nicht weiterbringen würde, war die Vorstellung, für einige Stunden mal nicht über die bevorstehende Konfrontation nachdenken zu müssen, durchaus verlockend.

Ein Surren aus dem Badezimmer riss mich aus meinen Gedanken und ich sah mich irritiert um. Seit Coles Verrat lebten wir im Prinzip alle bei Trish und Amy im Zimmer, auch Jay. Unsere Matratzen hatten nach der gemeinsam hier verbrachten Nacht den Raum nicht wieder verlassen und mit Leelas Hilfe und ihrer Fähigkeit, Dinge unsichtbar machen und schweben lassen zu können, hatten wir auch noch Jays Matratze geholt. Das Zimmer war nun gut gefüllt und überall lagen Decken, Kissen und Klamotten herum, aber wir fühlten uns wohler damit. Amy lag auf ihrem Bett und las etwas, Jay und Leela waren beide jeweils über ihre Handys gebeugt und ich hatte auf der Fensterbank Platz genommen und bisher nach draußen gesehen. Demnach musste es also Trish sein, die das Geräusch im Bad verursachte.

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