Kapitel 5 - Keith

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Adam hat nur einen Burger gegessen. Bei den Mengen, die er sonst verputzt, vor allem, wenn er ein solch kräftezehrendes Match hinter sich hat, wie heute, ist das gleichbedeutend mit Nichts.

Statt die anderen vier Päckchen zu öffnen, die wir ihm geordert haben, aktualisiert er den Liveticker der ITA im Sekundentakt. Sanders, sein letzter Konkurrent um den Season-Cup hat vor einer Stunde angefangen zu spielen und er ist dabei, den ersten Satz für sich zu entscheiden. Das habe ich gesehen, als ich vor fünf Minuten kurz ins Bad verschwunden bin und einen Blick auf Adams Handy erhascht habe.

Adam informiert uns nämlich nicht über den Stand des anderen Matches und wir versuchen unser bestmöglichstes, so zu tun, als wäre es ein ganz normaler Abend, damit unser Freund vielleicht wenigstens zwei Sekunden lang nicht daran denkt, was er heute gewinnen oder viel schlimmer verlieren könnte.

Ich kenne Adam gut genug, um zu wissen, dass er den Triumph, sollte er heute Abend Tabellenführer bleiben, nicht auskosten wird. Er wird es mit einem Schulterzucken hinnehmen und höchstens erleichtert sein, dass er keine Niederlage einstecken musste.

Denn so ist Adam, Siege kann er nicht feiern, er setzt sie voraus. Niederlagen hingegen zerschmettern ihn. Er ist so erzogen worden. Sein Vater hat ihm sein Leben lang eingetrichtert, dass es nur eine Möglichkeit gibt und zwar der Beste zu sein.

Unter dem Tisch balle ich die Hände zu Fäusten. Ich kann Mr. Ansley nicht ausstehen, denn er wird Adam auf Dauer zerstören.

Als Ivy mich heute, kurz nach dem matchentscheidenden Schlag angesehen hat, ist es wieder einmal deutlich gewesen. Adam hat sich nicht gefreut, weil es keine andere Option als den Sieg gegeben hat und das hat Ivy nicht einordnen können.

Die Erinnerung an ihre immer wiederkehrende Verwirrung während des Spiels, lenkt mich von meinen trüben Gedanken ab und ich muss mich tatsächlich zusammenreißen, um nicht zu schmunzeln. Sie hat nicht wirklich Ahnung von Tennis und trotzdem hat sie gestern gemerkt, wie nervös Adam ist und ihm sofort unsere Unterstützung angeboten.

Das Mädchen überrascht mich jedes Mal, wenn ich ihr begegne. Unser Zusammentreffen gestern Früh, als sie sich verlaufen hat, ist keine Ausnahme gewesen. Ivy hat mir bisher einen ziemlich organisierten Eindruck gemacht, ich hätte niemals erwartet, dass sie der Lageplan der Universität und ein paar Broschüren, derart aus dem Konzept bringen würden.

„Puh, ich glaube, ich muss mir etwas anderes anziehen. Ich habe so viel gegessen, dass ich mein Kleid gleich sprenge!", ächzt Ivy lachend und lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück.

Als sie einatmet und ihre Lungen mit Luft füllt, kurz innehält, um dann lautstark wieder auszuatmen, wird mein Mund staubtrocken. Ich versuche mich wirklich krampfhaft daran zu hindern, meine Augen auf ihren Ausschnitt wandern zu lassen, doch es passiert ganz von alleine. Ich bin schließlich auch nur ein Mann.

Und dieser Ausschnitt ist zum niederknien. Bei den wenigen Malen, bei denen ich Ivy über den Weg gelaufen bin, hat sie entweder eine locker sitzende Bluse oder einen Oversized-Pullover getragen. Dass sie so perfekt proportionierte kleine Brüste und eine schmale Taille hat, habe ich bisher nicht sehen können. Ihr Kleid lässt diesbezüglich ziemlich tief blicken.

Adam neben mir schnauft und ich reiße wiederwillig meinen Blick von Ivy los. Dass ich dabei das Glas mit Cola in meiner Hand ziemlich fest umklammert habe, bemerke ich erst, als ich es vor mir auf den Tisch abstelle.

Mit gerunzelter Stirn schiele ich auf Adams Handydisplay. Viele kann ich nicht erkennen, aber die herunterhängenden Schultern meines besten Freundes verraten mir, dass Sanders den ersten Satz gewonnen hat.

At First SmileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt