Kapitel 20 - Ivy

8.9K 435 94
                                    


Die Feiertage in Pittsburgh, Silvester und die ersten Tage des Januars zurück in State College rasen nur so an mir vorbei. Als meine Vorlesungen in der zweiten Januarwoche wieder starten, wird es noch schlimmer.

Die Arbeit für das Theaterstück häufen sich, obwohl ich einen Punkt auf meiner To-Do-List nach dem anderen erledige, scheint sie immer länger zu werden.

In der WG ist es zunächst schwierig, als wir alle wieder zurück sind. Adam ist gebeutelt von der intensiven Zeit, die er zusammen mit seiner Familie hat verbringen müssen. Rick scheint zwar tatsächlich erholsame Tage bei seinen Eltern gehabt zu haben, aber Brooke hat der Besuch in Washington D.C. einen ziemlichen Knacks gegeben. Sie ist noch ruhiger als sonst.

Ich erwische sie ziemlich oft dabei, wie sie an den Rändern ihrer Fingernägel herumkratzt und Löcher in die Luft starrt. Außerdem isst sie noch weniger, als sonst.

Zusätzlich ist die Situation zwischen mir und Keith zunächst komisch gewesen. Wir haben es kaum gewagt einander anzusehen, geschweige denn normal miteinander zu reden. Doch es dauert keine Woche, dann ist wieder alles beim Alten. Wir haben uns alle gefasst, sind zurück in unserem normalen Uni-Alltag. Statt die anderen mit meinen wöchentlich wechselnden Projekten für den Kindergarten zu nerven, verdonnere ich sie zum Programmhefte falten und Deko basteln.

Wir haben eine Menge Spaß, vor allem, als Rick sich die viel zu kleine Igelmaske, die er gerade fertiggestellt hat vors Gesicht hält und auf Summer los geht, die kreischend die Flucht ergreift.

Durch die Doppelbelastung aus Uni und der Organisation des Theaterstücks habe ich kaum mehr Freizeit. Die Klausuren sind nicht mehr weit entfernt, weshalb uns die Dozenten mit Arbeit überhäufen und wir uns langsam daran machen, den Stoff des Semesters aufzuarbeiten. Meine Nächte werden immer kürzer, aber als schließlich der Applaus der Eltern durch den Gemeinschaftsraum des Kindergartens hallt und sich der selbstgebastelte Vorhang vor den als Waldtieren verkleideten Kindern schließt, durchströmt mich pure Zufriedenheit. Mit einem Schlag hat sich der ganze Stress gelohnt.

Das Stück ist ein voller Erfolg gewesen. Sowohl die Kinder, als auch die Zuschauer und die Erzieher hatten eine Menge Spaß.

„Großartig!"

Sabrina zieht mich lachend in eine stürmische Umarmung. Mein Grinsen wird breiter, als ich merke, wie zufrieden sie mit meiner Arbeit ist.

„Das ist so gut geworden, Ivy! Und das haben wir zu einem Hauptteil dir zu verdanken! Du hast dieses Semester wirklich tolle Arbeit geleistet."

Sabrina drückt mich noch einmal fest, bevor wir uns strahlend voneinander lösen. Aber ihre Worte sorgen auch dafür, dass mir das Herz etwas schwerer wird. Denn mein Projekt in der Villa Pusteblume ist mit dem Theaterstück offiziell vorbei und ich kann mir meinen Alltag ohne die Vorbereitungen für meine Anwendungen nicht mehr vorstellen. Mal ganz abgesehen davon, wie sehr ich die Kinder vermissen werden. Sie haben mich so schnell angenommen und jede Woche unglaublich toll mitgearbeitet. Es wird schwer werden, mich von ihnen zu verabschieden.

„Danke, Sabrina. Für alles.", presse ich mit brennenden Augen hervor.

Verdammt. Ich bin aber auch nah am Wasser gebaut.

„Ich werde die Zeit bei euch vermissen."

Schniefend reibe ich mir über die Wangen, um diese gottverdammten Tränen fort zu wischen. Das ist alles andere als professionell.

„Weiß sie es schon?", trällert Oscar, der gerade strahlend auf uns zu gehüpft kommt.

Weiß ich was schon?

At First SmileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt