Kapitel 7 - Ivy

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Als ich die Villa Pusteblume Punkt 8:30 Uhr betrete, schlottern mir die Knie, so nervös bin ich. Es kommt mir fast schon lächerlich vor, dass das erste Angebot, das ich mit den Kindern machen werde, mir mehr Angst bereitet, als die Übung, die ich am letzten Freitag in Mathe I für Nicht-Mathematiker habe vorrechnen müssen.

Aber im Gegensatz zu Mathe I, liegt mir etwas an diesem Projekt und mir ist es wichtig, dass ich von den Kleinen angenommen werde. Eigentlich kann überhaupt nichts schiefgehen, Sabrina und ich haben diese erste Anwendung letzte Woche bis ins Detail durchgesprochen, ich habe ihr meine Ideen vorgestellt und sie ist begeistert gewesen, hat mir aber auch geholfen mein Vorhaben an das Alter der Kinder anzupassen. In den Gruppen der Villa Pusteblume sind Kinder zwischen drei und sechs Jahren und ich bin von meiner Arbeit im Jugendzentrum ältere Kids gewöhnt. Deshalb bin ich mir bei meiner Planung ziemlich unsicher gewesen, was ich mit den Kleinen schon machen kann und was noch zu schwer für sie ist.

Mit den Anpassungen, die Sabrina mit mir zusammen erarbeitet hat, bin ich aber sehr zufrieden. Für das erste Mal heute haben wir ein nicht allzu anspruchsvolles Programm geplant, schließlich müssen sich die Kinder auch erstmal richtig an mich gewöhnen.

Wie zu Beginn besprochen, habe ich gleich in der ersten Vorlesungswoche am Dienstag meinen ersten Schnuppertag gehabt, an dem ich abwechselnd in die einzelnen Gruppen gegangen bin und mich allen vorgestellt habe. Das haben wir in der Woche danach wiederholt, nur dass Sabrina und ich die letzte Stunde mit der Planung meiner dieswöchigen Anwendung verbracht haben.

Als ich noch einen kurzen Blick auf mein Handy werfe, bevor ich das Gebäude betrete, habe ich drei neue Nachrichten.

Summer hat mir für heute viel Erfolg gewünscht und ich solle mir von den kleinen Rackern nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Rick hat in unsere WG-Whatsapp-Gruppe Packst du Ivy! mit zwei dieser Bizeps-zeigenden Oberarme geschickt und Adam, der das ganze Drama gestern Abend aufgrund seines Trainings nicht mitbekommen hat, hat darauf Ganz sicher! Aber was genau? geantwortet.

Lachend stecke ich das Handy wieder in die Tasche. Ich werde ihnen später antworten und ihnen am besten einen Kaffee als Entschuldigung für gestern ausgeben.

Ich habe nämlich Summer dazu genötigt, sich mindestens fünf Mal das Bilderbuch Die kleine Biene Hermine von mir vorlesen zu lassen. Dabei handelt es sich um das Bilderbuch, das Sabrina und ich für heute ausgesucht haben. Der Plan ist, dass ich zunächst allen Kindern zusammen Die kleine Biene Hermine vorlese, um anhand dieses mit ihnen die Verfärbung der Blätter im Herbst durchzusprechen. Danach werden wir Gruppenweise ein kleines Hüpf- und Klatschspiel spielen. So zumindest der Plan für heute. Eigentlich nicht kompliziert, aber ich habe es einfach nicht lassen können, meine Vorlesung bis ins letzte Detail zu verbessern, meine Stimme den unterschiedlichen Waldtieren anzupassen und an den richtigen Stellen Pausen zu machen. Sehr zum Leidwesen von Summer und Rick, die sich das ganze immer und immer wieder haben anhören müssen.

Als ich gerade mit dem sechsten Durchgang habe beginnen wollen, war Rick nach Hause gekommen und ich habe ihn kurzerhand neben Summer auf die Couch zitiert, da eine männliche Meinung niemals schadet.

Die beiden haben das Ganze zwar bei weitem nicht so ernst genommen, wie ich und sich gekugelt vor Lachen, aber sie sind trotzdem eine große Hilfe gewesen.

Die vergangenen zwei Wochen sind rasend schnell an mir vorbei gezogen. Es ist unglaublich, dass es bereits vierzehn Tage her ist, dass ich bei Sabrina im Büro gesessen habe und wir über mein erstes eigenes Projekt geredet haben, als läge es weit in der Zukunft und nun ist es schon so weit.

Bei dem Pensum, das die Uni vorlegt, wundert es mich allerdings nicht, dass die Zeit so gerannt ist. Immer, wenn ich denke, mir durch einen fertiggestellten Essay oder ein gelöstes Mathe- oder Statistik-Übungsblatt endlich Luft verschafft zu haben, wartet auch schon die nächste Aufgabe auf mich.

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