Kapitel 5 - Ein Labyrinth der Treppen

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[Fred]


Als Fred am nächsten Morgen erwachte, brauchte er einen Augenblick, um sich daran zu erinnern, wo er war. Ein paar schläfrige Sekunden lang war er überzeugt, zu Hause in seinem Bett zu liegen. Jeden Moment würde seine kleine Schwester ins Zimmer stürmen und ihn mit einem »Aufwachen, Freddie, du musst aufwachen!« aus dem Bett zerren. Dann jedoch wurde ihm langsam klar, dass die Geräusche, die er für die Stimmen seiner Eltern in der Küche gehalten hatte, in Wahrheit von seinen Mitschülern aus dem Gryffindor-Gemeinschaftsraum kommen mussten.

Mit einem Mal saß er kerzengerade im Bett. Hastig riss er die schweren roten Samtvorhänge um sein Bett zurück und mit dem hereinfallenden Sonnenlicht durchströmte ihn ein warmes Glücksgefühl – endlich war er angekommen. An dem Ort, an dem er immer schon sein wollte. Dort, wo er hingehörte. Hogwarts. Er schloss noch einmal die Augen und genoss, wie sich das warme Gefühl in seinem Magen ausbreitete wie heißer Kakao. Dann streckte er sich, gähnte und schwang die Beine aus dem Bett. Die anderen vier Jungen, mit denen er den Schlafsaal teilte, schienen ebenso wie er langsam aus dem Schlaf zu finden.

Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht sah er sich um, ließ seinen Blick über die dunkel getäfelten Wände und den kleinen Ofen in der Mitte des Raumes schweifen, über den er im Winter mit Sicherheit sehr froh sein würde. Draußen vor einem der großen Fenster flog eine Eule vorbei. Und während er sich so umsah, bemerkte Fred, dass sich im Raum etwas verändert hatte:

Nicht nur waren die Kleidungsstücke, die die Jungen am Abend zuvor unachtsam auf den Boden geworfen hatten, ordentlich zusammengelegt worden; auf den schweren Holztruhen am Ende eines jeden Bettes fand sich nun auch noch ein Stapel gänzlich neu erscheinender Kleidung. Doch bei näherem Hinsehen erkannte Fred, dass jemand ihre alten Sachen genommen und magisch verändert hatte. Seine Umhänge, seine einfache Krawatte, die Pullover und Jacken waren scheinbar über Nacht dem Hause Gryffindor angepasst worden: Auf der linken Brust prangte ein kleiner, brüllender Löwe – das Hauswappen der Gryffindors – und die Farben Rot und Gold zeichneten sich in kleinen Details auf den Kleidungsstücken ab.

Irgendjemand – vermutlich ein Hauself – musste in der Nacht in ihren Schlafsaal gekommen und nicht nur aufgeräumt, sondern die Sachen verzaubert haben. Fred lächelte zufrieden, als er sich seine Kleidung ansah und seine Brust schwoll ihm noch etwas mehr an vor Stolz, ein Gryffindor zu sein.

Beim Frühstück saß Fred neben seinem Cousin Teddy. Gut, eigentlich waren sie nicht wirklich verwandt, aber da Freds Onkel Harry Teddys Pate war, war der Junge praktisch bei allen Familienfeiern anwesend und gehörte ebenso dazu, wie alle anderen auch. Ted war nun schon in seinem fünften Hogwartsjahr und Fred konnte nicht umhin, ein wenig stolz darauf zu sein, einen der älteren Schüler zu kennen. Noch dazu war er Vertrauensschüler und Fred war sich sicher, dass es nur Vorteile haben konnte, mit einem Vertrauensschüler befreundet zu sein. Ihnen schräg gegenüber saß Freds Cousine Dominique, die sich leise zischend mit ihrer Schwester Victoire stritt. Offenbar passte es Victoire nicht, wieviel Zucker ihre kleine Schwester in ihren Haferbrei gerührt hatte.

Fred jedoch hatte ganz andere Sorgen: Professor Longbottom hatte soeben ihre Stundenpläne ausgeteilt und Fred hatte keine Ahnung, wie um Himmels Willen er das Klassenzimmer für Zauberkunst finden sollte. Teddy versuchte es ihm zu erklären, aber sicher war sich der Erstklässler immer noch nicht, als er sich zehn Minuten später auf den Weg machte. Dominique hatte er im Gedränge aus den Augen verloren und so war er auf sich allein gestellt.

In der Menge der Schüler, die aus der Großen Halle strömten, entdeckte er Ava, die gerade in ein Gespräch mit den anderen Erstklässlern aus Hufflepuff vertieft war. Eilig drängte er sich zu ihr durch.

Haus und VorurteilWhere stories live. Discover now