Kapitel 3 - Ein Schloss erhebt sich

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[Nathanael]

Gegen Mittag schob eine verhutzelte alte Hexe einen Imbisswagen durch den Gang und Nathanael fiel auf, dass besonders Zoe große Augen angesichts all der unbekannten Süßigkeiten bekam. Auch er spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief, hielt sich aber zurück. Als die Frau ihren Wagen weiterschob und die Kinder sich zurück in ihre Sitze fallen ließen, erzählte Ava, in den Schokofroschpackungen befände sich jeweils eine Karte einer berühmten Hexe oder eines Zauberers.

»Ich sammle die«, verkündete sie stolz und biss ein Stück von ihrem Lakritzzauberstab ab. »Wenn ihr auch anfangt, können wir tauschen.«

»Ich hab auch schon welche«, meinte Fred, »Aber nur fünf oder sechs oder so. Und davon dreimal Merlin! Als ich ihn zum dritten Mal bekommen hab, hatte ich keine Lust mehr zu sammeln.«

»Du könntest eine jeweils Zoe und Nathanael geben«, schlug Ava vor und wandte sich an die beiden. »Oder sammelt ihr etwa auch schon?«

Beide schüttelten den Kopf und Zoe fügte noch ein: »Wie denn?« hinzu. Aufgeregt machte sie sich an ihrer Schokofroschverpackung zu schaffen. Nathanael konnte nicht umhin, ihr einen neidischen Blick zuzuwerfen. Eigentlich hätte er sich auch gern etwas zu essen geholt. Ava fing seinen Blick auf und fragte: »Du hast dir gar nichts gekauft, oder?«

Er schüttelte den Kopf und fügte hastig hinzu: »Keinen Hunger.«

Ava verdrehte die Augen. »Aber gerade bei Schokofröschen geht es doch nicht um die Schokolade, sondern um die Karten! Hier.« Sie reichte ihm einen ihrer Frösche, von denen sie sich gleich fünf Stück gekauft hatte.

Völlig verdattert sah er sie an. »Echt?« Sie antwortete nicht, sondern streckte ihm die Süßigkeit noch energischer entgegen. »Danke«, murmelte er verlegen und öffnete nun wie die anderen auch seine Verpackung.

»Und du musst auch einen aufmachen«, verkündete Ava und warf Fred ebenfalls einen Frosch zu. »Es macht viel mehr Spaß, wenn wir alle sammeln.«

Als Nathanael schließlich seine Packung aufgerissen hatte, sprang das Schokoladentier mit einem kräftigen Satz heraus und klatschte gegen die Unterkante von Zoes Sitz. Hugo ließ ein erstauntes Quaken hören und machte Anstalten, hinterherzuspringen. Ava hielt ihn kopfschüttelnd fest. »Er denkt immer noch, die sind echt. Dabei kennt er sie nun wirklich schon ewig.«

Nathanael sammelte seinen Frosch vom Boden auf, der nach seinem einzigen Sprung starr und eben besonders schokoladig geworden war und biss ihm ein Bein ab, während er sich seine Sammelkarte ansah.

»Ich hab Alberta Toothill«, ertönte es zeitgleich von Zoe und sie begann, ihre Karte vorzulesen: »Alberta Toothill war die Gewinnerin der englischen Zaubererduell-Meisterschaften von 1430. Sie ist bekannt dafür, dass sie den Favoriten Samson Wiblin mit einem Explosionszauber besiegte. Ganz schön brutal.«

»Ach, die hab ich schon.« Ava ließ sich enttäuscht in ihren Sitz zurücksinken.

»Ich hab Newt Scamander!«, rief Fred aufgeregt. »Cool, die hab ich noch nicht!«

»Den hab ich auch schon«, sagte Ava und wandte sich an Nathanael. »Wen hast du?«

»Beatrix Bloxham«, las er vor. Er betrachtete das Bild der Hexe mit dem verhärmten Gesichtsausdruck, die sich nun an der Nase kratzte und eine buschige Augenbraue hochzog, während er die Karte umdrehte, um den Text auf der Rückseite zu lesen: Beatrix Bloxam schrieb Kinderbücher über Giftpilze, die Übelkeit hervorriefen und deshalb verboten wurden. Er musste grinsen.

»Hey, Bloxham hab ich noch nicht!«, rief Ava aufgeregt.

»Willst du sie haben?« Sofort streckte Nathanael ihr seine Karte entgegen. »Immerhin hast du sie gekauft.«

Haus und VorurteilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt