Kapitel 7

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Silas PoV


Die Sonne geht eben am Horizont auf und taucht den mit Wolken behängten Himmel in ein düsteres Orange. Mein Vater war alles andere als erfreut, als die beiden Omegas abgehauen sind und hat eigenhändig zwei Vampire und fünf Werwölfe aus unserem versklavten Rudel getötet. Neramos wurde gefangen genommen und drei unserer schnellsten Späher wurden losgeschickt... bisher sind sie noch nicht zurück gekommen.

Gedankenverloren starre ich aus dem Fenster auf die trockenen Felder und kargen Wiesen, während das Licht der Sonne meine Haut kitzelt. Dass wir Vampire bei Licht verbrennen und uns vor Knoblauch oder geweihtem Boden fürchten, ist ein Mythos. Auch können wir uns im Spiegel betrachten, wir sind ja keine Barbaren die in der Zeit stecken geblieben sind. Obwohl ich das manchmal schon glaube wenn ich daran denke, wie einige in diesem Clan hier leben und handeln.

Allein mein Vater... Ich schließe kurz die Augen und lenke meine Gedanken in andere Bahnen, muss aber nun an den kleinen Omega denken. Die Menschen haben vor langer Zeit gemeint, Vampire wären unsterblich, weil sie bei Erhalt dieses Fluches ihre Seele verkauft haben und dabei auch ihre Gefühle verlieren. Unsterblich sind wir nicht und auch nicht jeder wird zu einem kaltherzigen Monster.

Allein bei dem Gedanken an diesen Jungen mit den aschgrauen Haaren, schlägt mein Herz ein Tempo schneller und ein Gefühl des Wohlbefindens macht sich in meiner Brust breit. Der Blick in seine süßen, unschuldigen Augen erweckt einen inneren Wunsch und nur mit Mühe kann ich meinen Gedanken soweit unter Kontrolle halten, damit das Blut nicht in tiefere Gegenden fließt. Glücklicherweise werden meine Gedanken auch unterbrochen, als sich die Tür öffnet und ein Mann in dunklem Anzug den Raum betritt.

In seiner rechten Hand ein kunstvoll verziertes Weinglas, welches mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllt ist. Der Geruch verrät Werwolf, wohl von unserem versklavten Schattenrudel. Langsam drehe ich mich zu ihm und neige den Kopf. "Morgen Vater. Sind die Späher schon zurück?" Statt zu antworten, nickt der Mann mit den schwarzen Haaren, in denen schon graue Strähnen hervor treten. Eben genießt er etwas von der Flüssigkeit und mein Inneres spannt sich ein wenig unwohl an, aber ich wage es nicht weiter zu fragen um keinen Verdacht zu erregen.

"Sie haben die Omegas nicht gefunden. In der Nacht haben sie beide in einem Wald verloren." Ein Gefühl der Freude und Genugtuung keimt auf und innerlich atme ich erleichtert aus, während ich mich bemühe weiterhin emotionslos meinen Vater anzuschauen und mit ruhiger Stimme zu reagieren. "Verloren?" "Eine junge Hexe war im Wald, scheinbar auf Ausbildung. Laut Sandra soll sie nicht erfreut über den Besuch der Vampire gewesen sein und hat sich geweigert zu helfen, um die Neutralität der Hexen und Zauberer nicht zu gefährden."

Eine Hexe? Die Magiebegabten haben sich geweigert, für eine Seite Partie zu ergreifen. Daher haben Werwölfe, als auch Vampire, sie in Ruhe gelassen. Aber jetzt von einer zu hören, die vermutlich beide Omegas entdeckt hat, ist... sowohl beruhigend, als auch verunsichernd. "Haben sie den Namen der Hexe genannt?", frage ich daher mit erstaunlich ruhiger Stimme nach und mein Vater schüttelt den Kopf. "Nein. Sowohl dafür, als auch für ihr Versagen bei der Suche, habe ich sie zur Silberstrafe verdammt. Sie werden die kommende Nacht nicht mehr erleben."

Nun muss ich doch leicht Schlucken und hoffen, dass der Graf es nicht mitbekommt. Die Silberstrafe ist... unangenehm, milde ausgedrückt. Eine Folter die den sicheren Tod nach sich zieht und findet unten im Keller bei den Ketten statt. Man wird nackt an den Händen aufgehängt und baumelt wie ein Pendel in der Luft herum, während eine eigene, dünne Kette aus Silber um den Körper gebunden wird. Allein die Berührung führt zu Juckreiz und Ausschlag, der sich dann entzündet und später alles verätzt.

Haut, Fleisch, Sehnen, Knochen... Ich versuche nicht weiter daran zu denken und blicke in die gefühlskalten Augen meines Vaters. "Und Neramos?" "Das gilt es noch zu klären. Ich bezweifle, dass die Omegas alleine entkommen sind, dafür sind sie zu schwach." Es war nur eine Frage der Zeit, ehe dieses heikle kommt und ich habe lange überlegt, wie ich es angehen soll. Ich habe mehrere Szenarien durch meinen Kopf laufen lassen, aber jedes war schlechter als das danach.

Aber irgendeine Antwort muss ich ihm jetzt geben, daher entscheide ich mich für die Halbwahrheit. "Ich fürchte, es war meine Schuld." Mein Vater wollte soeben einen Schluck trinken, als er in seiner Bewegung einfriert und langsam das Glas von den Lippen entfernt und mir einen ernsten, kalten Blick zuwirft. Er schweigt und starrt mich an, als wolle er meine Seele durch forschen. Er erwartet einen Antwort und die soll er bekommen. "Wie du weißt, will ich den Omega als persönliches Haustier haben." Wie ich diese Bezeichnung für Jonas hasse...

"Also habe ich Neramos gesagt, er soll alle Werwölfe mit nach draußen nehmen, außer die Omegas, damit sie über ihr Verhalten nachdenken und so sich hoffentlich endlich dazu entscheiden zu dienen. Anscheinend habe ich damit aber jemanden in die Hände gespielt, der diese Situation für ihre Flucht ausgenutzt hat." Stille herrscht im Raum. Eine angespannte, dicke Luft, als könnte man sie schneiden, ehe der Graf endlich das Glas anhebt und sich seinen Schluck gönnt.

"Das war unvorhersehbar, dich betrifft keine Schuld. Wichtig ist herauszufinden, wer es war!" Jetzt die Lüge in der Geschichte... "Stephan. Er kam ja in unseren Clan von außerhalb, als die Omegas schon auf der Welt waren und hat sich ihnen gegenüber schon immer... freundlicher verhalten. Außerdem hat er immer wieder darüber gelästert, dass ich einen schlechten Führungsstil abgebe, bloß weil ich mich immer auf den Clan konzentriere und nicht auf Frauen. Abschließend soll er seit Fluchtnacht das Anwesen kaum verlassen haben."

Erneutes Schweigen, aber die Augen meines Vaters zeigen seine Nachdenklichkeit. "Deine Worte sind wahr, auch wenn Stephan damit recht hat, dass du dir endlich eine Partnerin zulegen solltest." Wie ich dieses Thema hasse... Aber ich nicke brav und meine: "Natürlich Vater, wenn die Zukunft des Clans gesichert..." "Und was bedeutet für dich 'gesichert'?", fällt er mir ins Wort und wirft mir einen stechenden Blick zu.

Innerlich spanne ich wieder an und verdrehe die Augen, als mir ein genialer Geistesblitz kommt. "Wenn die Omegas wieder im Clan sind. Ich biete mich an, mich zu beweisen und werde persönlich nach beiden suchen und werde erst wieder kommen, wenn ich sie beide gefunden und im Schlepptau dabei habe. Danach kann das Schattenrudel mit der weiblichen Omega machen was es will, aber der Männliche wird mein Haustier als Belohnung für meine Treue. Außerdem werde ich mir dann eine Partnerin suchen und als würdiger Nachfolger und Vertreter deinen Schatten annehmen."

Ich konfrontiere meinen Vater mit direktem Augenkontakt und kann sehen, wie es in seinem Kopf rattert. Als er dann den Blickkontakt abbricht und sein Glas leer trinkt, kann ich mein siegessicheres Grinsen nur schwer verkneifen und bemühe mich weiterhin um eine neutrale, gelassene Haltung. Schließlich blickt er wieder zu mir und nickt. "Abgemacht. Du bekommst die Freiheit sie zu suchen und zurück zu holen. Wenn du es schaffst, bekommst du ihn als Haustier. Ich schicke aber auch eine zweite Suchmannschaft los... und wenn sie beide vor dir finden, gehören beide Omegas dem Alpha des Schattenrudels."

Meine Freude wird durch diese Aussage gedämpft, aber ich zeige dem Grafen ein zustimmendes Nicken und schlage in die sich mir anbietende Hand ein. "Ich werde dich nicht enttäuschen, Vater." "Das weiß ich, aber wir werden sehen ob du recht behältst." Da lässt er meine Hand los und verlässt das Zimmer, wohl um die Suchtruppe zusammen zu stellen. Bei der Tür bleibt er aber stehen und redet, ohne sich umzudrehen: "Stephan wird im Hof mit einer Silberkugel erschossen. Ich erwarte, dass du dabei sein wirst, bevor du aufbrichst."

Schon lässt er mich allein. Ich atme tief und leise ein und aus, ehe ich mich umdrehe und wieder aus dem Fenster in den Himmel schaue, der in einem freundlichen Hellblau erstrahlt. Egal wie viele er schicken wird... Ich werde die Omegas vor ihnen finden. Gib Acht Jonas, bald sehen wir uns wieder. Schon verlasse ich das Zimmer, um Stephans Tod beizuwohnen. Ich konnte den Typen so oder so noch nie leiden.

Blutiges GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt