Kapitel 10

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Jonas PoV


Die Luft ist windstill und trotzdem habe ich das Gefühl ein sanftes Streicheln auf meiner Haut zu spüren. Ich bin alleine hier und dennoch höre ich ein leises Flüstern in meinen Ohren welches ich kaum verstehen kann. Viel wichtiger ist, dass ich keine Angst habe, obwohl Janine nicht da ist oder diese freundliche Hexe und ihr Vater. Ein Gefühl der Ruhe und Gelassenheit hat meinen Körper erfasst und genießend strecke ich mich und spüre Gras unter mir. Neugierig setze ich mich auf und schaue mich um.

Soweit das Auge reicht sind saftige Wiesen und Bäume zu sehen, links und rechts von mir sogar ein Wald aus denen leises Knarren der Bäume und der Duft diverser Tiere an meine Sinne heran kommt. Der Himmel über mir erstrahlt in einem schönen blau und weiße Wolken ziehen wie eine Herde Schafe über das Himmelszelt hinweg. Es ist ein schöner Ort und ich fühle mich frei, sicher. Ich liebe es!

Jonas, hey ich bin es. Erklingt plötzlich eine Stimme in meinem Kopf. Erstaunt stehe ich auf und drehe mich um mich selbst, aber da ist niemand. Nur die Ruhe, ich bin gleich da. Hab keine Angst, es ist schön dich endlich kennen zu lernen! Redet die Stimme wieder, sie klingt aufgeregt und freundlich, ja fast schon vertraut, als würde ich selber diese Worte sagen. Eine Bewegung auf einem Hügel erregt meine Aufmerksam und staunend starre ich auf die Gestalt, welche eilig auf mich zu läuft.

Es vergehen ein paar Sekunden die sich wie Stunden anfühlen, als vor mir plötzlich ein kleiner Wolf zum Stehen kommt. Er ist eine Spur größer als ein Welpe, scheint aber an sich schon vollkommen ausgewachsen zu sein. Das Fell glänzt seidig in einem schneeweißen Ton und erweckt den Anschein als würde es leuchten. Die Augen strahlen in einem freundlichen, liebevollen blau-grauen Farbton und ich habe das Gefühl als könnte ich durch diese Augen in die Seele dieses Tieres schauen.

In meine Seele... Hallo Jonas! Ich bin Lou, dein innerer Wolf! Spricht das Tier in meinem Kopf, aber ich kann nur staunend in die Augen dieses wunderschönen Geschöpfes starren. Es ist als wären alle Sinne taub gewesen. Als hätte ich nie richtig etwas schmecken, hören oder riechen können. Aber jetzt spüre ich förmlich wie das Leben in meine Adern und meine Glieder eintaucht und mich erfüllt.

Ich habe dich auch vermisst! Komm, ich habe dir so vieles zu zeigen und zu sagen! Freut sich Lou ebenso und winselt dabei sogar, was mein Herz höher schlagen lässt. Mehr noch! Lou verblasst vor meinen Augen und ich fange an ihn in mir zu spüren... Jetzt nicht körperlich sondern eben... als Teil meiner Seele. Als Teil meines... unseres Daseins. So ist es für mich auch völlig normal dass ich gedankliche Selbstgespräche führe.

Lou... danke. Shhhh, jetzt ist es vorbei. Schau lieber mal, da kommt wer! Neugierig drehe ich den Kopf und tatsächlich, aus dem linken Wald kommt eine Gruppe von Männern und Frauen welche ich sofort anhand ihres Geruches als andere Werwölfe erkenne. Aber da ist noch ein anderer Geruch... naja mehr ein Gespühr, als würde sich etwas Kaltes nähern, aber von der anderen Seite. Schnell nach rechts geschaut und schon erstarre ich, weil da eine Gruppe von Vampiren auf mich zukommen.

Wie eingefroren und erstarrt stehe ich im Zentrum und schaue zwischen beiden hin und her, aber sie bleiben mit exakt dem gleichen Abstand stehen. Sie kämpfen... Ich weiß selber nicht warum sie diesen Konflikt führen. Sind sie schon lange verfeindet? Länger als jeder Wolf oder Vampir wohl zurück denken kann, aber sicher bin ich mir nicht. Traurig... Tatsächlich beachten sie mich gar nicht und als sie aufeinander zugehen, stehe ich plötzlich am Rande des Geschehens und beobachte wie ein Schiedsrichter ohne Eingriffsmöglichkeiten.

Die Szene verblasst langsam und ich sehe wieder ein paar Wölfe, ein Rudel wie ich sofort weiß. Etwas entfernt sehe ich einen großen Kerl mit einer schwangeren Frau und daneben zwei Wächter. Ein Alpha mit seiner Luna und ihre beiden Betas. Das Herzstück eines jeden Rudels. Rundherum sind Deltas, die "normalen" Mitglieder welche Krieger, Handwerker, Ärzte und was weiß ich noch alles sind. Hier und da sind Pärchen die sich liebevoll den Armen liegen oder einen Kuss geben.

Jeder Wolf hat einen Mate, einen Seelenverwandten. Mondgöttin Luna, unsere Schöpferin, hat unsere Schicksale vorher bestimmt und entschieden wer wessen Mate ist. Diese Mate-Verbindung ist nicht zu brechen. Den Mate zu betrügen ist als würde man sich selber verletzten. Und als Omega habe ich... haben wir, auch so jemanden? Lou antwortet nicht sofort, aber da legen sich zwei Arme von hinten um mich und erschrocken Quieke ich auf wie eine Maus! Ohje wie peinlich... aber Lou kichert nur! Frechwolf...

Die Arme haben sich sanft um meinen Körper gelegt und eine Hand streichelt meinen Bauch als wäre er ein wertvoller Schatz. Ich weiß nicht wieso, aber mir gefällt das Gefühl da so sanft berührt zu werden. Außerdem sind es zwei große, starke Arme und ein herrlich männlicher Geruch... moment, was?

Ja ähm... also um deine Frage zu beantworten - Ja auch als Omega haben wir einen Mate. Als männlicher Omega sind wir genauso wertvoll wie ein weiblicher Omega. Was meinst du damit? Nun, was alles unsere Stärken sind weiß ich nicht, aber egal ob männlich oder weiblich, jeder Omega kann Welpen bekommen. Also auch wir... und ich hoffe dass wir welche mit unserem Mate bekommen, wenn wir älter sind.

Welpen? Ehh wie? Ich... ich bekomme einen Kerl als Partner und kann Schwanger werden? Natürlich! Von einem Weibchen können wir keinen Nachwuchs bekommen. Keine Angst Jonas, Mondgöttin Luna wird sich schon etwas dabei gedacht, dass sie auch uns männlichen Omegas diese Gabe geschenkt hat. Lou klingt nicht schockiert oder verängstigt darüber.

Im Gegenteil spüre ich seine Gefühle... Seine Sehnsüchte, seine Freuden und Ängste. Wir waren knapp 17 Jahre lang voneinander getrennt... Er fürchtet sich davor wieder alleine zu sein und ich muss gestehen, ihn jetzt endlich bei mir zu haben, will ich ihn auch nicht mehr hergeben. Lou ist ein Familienwolf, in meinen Gedanken formen sich regelrecht Bilder wie ich mit einem runden Bauch wo liege oder mit kleinen Welpen die unser sind, wild durch die Gegend spielend.

Ich muss dabei an einen Kerl denken, wie er groß und stark ist mit heißen Muskeln und heiliger Mond, was er für ein großes Teil haben wird und sich mit mir liebt? Wa... Auszeit! Ich denke krampfhaft an etwas anderes, muss aber erschreckender weise an jenen Tag in den Katakomben denken. Gefangen und gefesselt in der Luft baumelnd, während ein wahnsinniger Alpha mich vergewaltigt und meine Jungfräulichkeit geraubt hat.

Das Gefühl der starken Arme verblasst und auch das Bild des Rudel um uns. Das Licht schwindet und wird dunkle als wäre es Nacht, während ich auf die Knie sinke und mir, mich selbst schützend, die Arme um den Oberkörper lege. Er hat dir weh getan... ich habe es gespürt. Tut mir Leid Jonas. Du kannst nichts dafür... Aber was, wenn er unser Mate ist? Ich... ich will nicht wieder so von ihm behandelt werden.

Er ist es nicht, sonst hätte er nicht so reagiert! Nein, alle Wölfe lernen ihren Mate mit 18 Jahren kennen, wir Omegas mit 17. Keine Ahnung wieso... Sicherheit? Sowohl wir, als auch unser Mate werden diese Bindung erkennen und er wird es niemals wagen uns weh zu tun! Kurzer Moment der Stille. Ich hoffe du hast Recht Lou... und ich weiß wie sehr du dir den Partner und die Familie wünscht, aber ich glaube, ich brauche Zeit.

Das kann ich verstehen Jonas. Hey, wir sind eins und komme was wolle, alles was passieren wird, betrifft uns beide. Ich werde dich nicht drängen, aber versprich mir dich nicht zu verschließen. Wir zwei, wir sind Eins. Eins... Ein schönes Wort. Ich schaue hinauf in den Himmel und ein Lächeln umspielt meine Lippen. Ich frage mich wie es meiner Schwester geht und ob Liz und ihr Vater auch in Ordnung sind?

Der Himmel beginnt in einem leicht weißen Licht zu funkeln und erstaunt schaue ich hinauf. Was ist das? Sind das die Sterne? Lou antwortet nicht, aber selbst wenn, wäre ich von dem Licht zu sehr verzaubert gewesen um richtig hinhören zu können. Das Licht breitet sich aus, vermischt sich mit dem Blau und wird immer dunkler. Eine Müdigkeit bemächtigt sich meines Körpers und ich muss erstmals herzhaft gähnen, ehe ich mich zu einer Kugel zusammenrolle und schon mit einem wohligen Gefühl im Reich der Träume verschwinde. Schlaf gut Jonas.

Blutiges GeheimnisWhere stories live. Discover now