Kapitel 9

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Jonas PoV


Diese junge Hexe gibt sich wirklich Mühe, aber alles was sie uns gezeigt hat oder mit uns machen wollte waren mir nicht bekannt oder wirken nicht... naja, sicher genug. Keine Ahnung. Darum sitzen meine Schwester und ich jetzt im unteren Wohnbereich auf einer breiten, stoffigen Sitzmöglichkeit die Liz uns als "Sofa" vorgestellt hat. Also ich mag es! Es ist eben breit und weich, wie der Schlafplatz oben wo Janine und ich genächtigt haben. Die junge Frau hat uns dann einfach mal erzählt was sie so macht.

Sie ist 20 Jahre alt und eben eine Hexe. Eine Frau die mit Magie arbeiten kann, wobei jeder Magieanwender sein eigenes Spezialgebiet hat. Es gibt Hexen und Zauberer die mehrere Gebiete erlernen können, meist sind es Elementaristen die sich die Kräfte der Erde, der Luft, des Wassers und des Feuers aneignen können. "Macht fordert aber auch ihren Preis. Es dauert länger bis man alles beherrschen kann und es ist unmöglich ein Meister in einem Fachgebiet zu werden, wenn man zwei oder mehrere Zauberschulen gleichzeitig erlernt.", hat sie gemeint.

Ihr Fachgebiet scheint die Natur zu sein. "Eine harte Schule, da die Natur ja doch mehr ist als nur das Gras unter den Füßen. Es ist wie ein Orchester... ach, tut mir Leid. Stellt es euch vor als... würdet ihr jemand neues kennen lernen! Diese Person ist euch fremd, aber ihr wollt sie kennen lernen mit all euren Sinnen. Ihr wollt sie hören, sehen... riechen, schmecken und fühlen. Das klingt alles ziemlich komisch, ich weiß, aber genau so ist es mit der Natur. Sie ist eine Person die man kennen lernen muss."

"Man muss wissen wie sie atmet, wie sie lebt, wie sie denkt und wie sie fühlt und was sie schmeckt. Wovon ernähren sich Bäume? Wovon die Wildtiere? Was fühlen Pflanzen wenn ein Mensch über sie hinweg geht oder was riecht ein Tier, wenn es Fremde wahrnimmt?" Es hört sich in der Tat komisch an, aber ich glaube ich verstehe worauf sie hinaus will... denke ich. "Mein Vater hat sich auf Rituale fokussiert. Rituale die helfen sollen, inneres Gleichgewicht zu erlangen. Erinnerungen und Träume zu erleben und zu analysieren. Also zu beschreiben was sie bedeuten."

"Ist es das, was er mit uns machen will?", höre ich meine Schwester fragen und Liz nickt. "Genau, er wird versuchen euch Erinnerungen zu zeigen, die euch helfen werden diese Welt kennen zu lernen. So wie sie ist und was für Gefahren da draußen sind... und was es mit dem Werwolf in euch zu tun hat und so." "Und das wir wissen, was es nun ist, ein Omega zu sein? Also so ein Werwolf?", frage ich nach und auch da nickt die junge Hexe erneut. Also ein bisschen aufgeregt werde ich jetzt schon.

"Ich selber werde aber auch nie eine Meisterin werden... eine Magieschule allein ist dafür zu uninteressant.", reißen mich Liz' Worte aus meinen Gedanken. "Ich versuche mich nebenbei am Brauen, also Alchemie... ehhh... die Zusammensetzung und Reaktion verschiedener Stoffe. Von Pflanzen über Metalle bis hin zu chemisch erzeugten Zusatzmittel, aber das erkläre und zeige ich euch alles, wenn das Ritual geklappt hat. Kurz gesagt, erlaubt es mir Tränke zu brauen die eine Eigenschaften verleihen."

"Was denn für Eigenschaften?", fragt Janine neugierig und die junge Hexe sucht nun nach Worten, da sie mit ihren Augen den Raum absucht und immer wieder neu im Satz anfängt: "Nun als... Wie beschreibe ich das am Besten, also das... Hmmm... Sagen wir... Der eine Trank schärft eure Sinne, sodass ihr noch besser Riechen oder hören oder Sehen könnt. Ein anderer ist für... Liebespaare, weil der Trank die Empfindungen verstärkt." Was meint sie damit? Aber auf meinen fragenden Blick antwortet sie nur mit einem Lächeln, ehe sie weiter redet:

"Und dann gibt es Meisterwerke wo ein Trank jemanden für ein paar Minuten unsichtbar macht oder man leicht ist wie eine Feder und somit von hohen Dächern runter springen kann ohne sich zu verletzten. Oder man macht harmlose Getränke daraus. Ein Fruchtsaft der sehr süß, aber auch erfrischend ist. Oder einen Cocktail, was eine Mischung mit Alkohol ist." "Was ist denn Alkohol?", fragt Janine nach und die junge Hexe erklärt: "Ein Genussmittel. Man kann es verwenden um Speisen zu kochen oder eben Getränke damit zu mixen, aber bei zu viel Anwendung benebelt es die Sinne."

"Hört sich komisch an." Ist alles was ich dazu sage und bekommen ein Grinsen von Liz, gefolgt von einem Nicken. "Ich verwende es auch nur für meine Rezepturen zum Tränke brauen. Beim Kochen bin ich froh, wenn nichts beginnt zu brennen oder das Essen genießbar ist!" Sie lacht und auch Janine und ich können uns ein Schmunzeln nicht verkneifen. Da höre ich leise, wie sich die Tür öffnet und schließt, ehe sich Schritte nähern.

Neugierig schaue ich über die Schulter zu Thomas, der uns ruhigen Blickes mustert, ehe er meint: "Ich bin fertig, wir können beginnen." Liz nickt und erhebt sich, derweil ich erstaunt zu meiner Schwester schaue. Janine zeigt aber ein Lächeln und in ihren Augen glänzt die gleiche Aufregung, die ich in mir verspüre. So erheben auch wir beide uns und folgen den Beiden aus der Tür hinaus in den Garten, wo Liz uns gestern herein gebracht hat.

Ein paar Schritte entfernt sehe ich schon den Wald, wo wir uns vor den Vampiren versteckt haben... er kommt mir aber jetzt viel größer vor. Eine Berührung am Arm lässt mich erschrocken den Kopf zur Seite drehen, aber es ist nur Liz die mich anlächelt und zu ihrem Vater und meiner Schwester deutet, die beide in eine Art Tür im Boden reingehen. Ich folge ihnen und Liz macht hinter uns zu, derweil ich die Treppe runter gehe.

Ein wenig mulmig fühlt es sich an, aber im Gegensatz zu der gewundenen Steintreppe, ist diese hier gerade und aus Holz. Unten der Keller ist auch viel aufgeräumter, aber am Auffallendsten sind ist das Zentrum des Raumes. Der Boden besteht hier überall aus Stein, aber dort in der Mitte ist etwas gelbliches. Es ist kein Stroh, es schaut eher aus wie Staub oder so? "Das ist Sand. Keine Sorge, der ist harmlos. Seht ihr die Symbole die ich hinein gezeichnet habe?"

Ich schaue mir diesen "Sand" an und tatsächlich, da sind komische Muster gezeichnet. Kreise? Wellen? Punkte? Ich kann es nicht sagen, es schaut zu komisch aus. "Es ist zweimal das gleiche Muster. Einmal links, einmal rechts und in der Mitte eines jeden Musters ist genug Platz, dass ihr euch hinein setzen könnt.", redet Thomas nach einer Weile weiter und deutet auf die zwei freien Flächen in diesem Chaos, wo noch alles unberührt ist. "Bitte die Muster nicht berühren, also einfach drüber steigen."

Verwirrt schaue ich den Mann an und kichernd zeigt Liz es am Steinboden vor, indem sie etwas auf den Boden liegt, was wie eine dieser Metallketten ausschaut, aber dann doch aus einem anderen Material ist. Janine will es dann nachzumachen und kommt unbeschadet auf ihre Fläche. Mutig versuche ich es ihr nach zu machen und hätte beinahe eine dieser Linien berührt, aber konnte zum Glück noch mein Gleichgewicht wieder fangen. Nun vorsichtig den nächsten Schritt und... Tadaaa! Ich hab's geschafft!

Liz lächelt uns an, derweil ihr Vater sich am Rande dieses "Sandes" aufstellt und die Arme hebt. "Ich werde jetzt Magie wirken. Ihr bleibt wo ihr seid, verhaltet euch ruhig und entspannt euch.", meint Thomas mit ernster Stimme, ehe er die Augen schließt und langsam mit den Armen in der Luft herum fährt. Es sind komische Bewegungen und da beginnen seine Handflächen in einem bläulich-weißen Farbton zu glühen.

Das Glühen wird zu einem Leuchten und die Muster im Boden beginnen ebenfalls jenes Leuchten anzunehmen. Die Luft wird zusehend heller und das Licht tut fast schon in den Augen weh, weswegen ich sie zusammen kneife und aus Schlitzen zu dem älteren Mann schaue, der nun in wilden Bewegungen seine Arme durch die Luft kreisen lässt und dabei ein leises Summen von sich gibt, welches wie das Donnergrollen eines entfernten Regens klingt. Was macht er da? Tanzt er? Hat er einen Anfall? Oder macht er sich hier gerade zum Clown?

Und woher weiß ich gerade all diese Wörter? Ein dumpfes Pochen macht sich in meinem Kopf bemerkbar und ich schließe die Augen gänzlich, aber dieses strahlende Blau-Weiß blendet mich selbst durch meine Augenlieder hindurch. Sein Gesang wird leiser, klingt immer entfernter und ich spüre wie mir der Boden unter den Füßen davon gezogen wird. Ich falle und trotzdem fühle ich mich leicht wie eine Feder der nichts passieren kann. Jonas, endlich! Komm zu mir!

Blutiges GeheimnisWhere stories live. Discover now