Kapitel 4

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Jonas PoV


Leise schleichen meine Schwester und ich hinter Silas den Gang entlang. Jede Zelle an der wir vorbei kommen ist leer, als wären wir die Einzigen hier unten. Vom Schatten-Rudel fehlt jede Spur, sodass selbst unser Atem laut von den Wänden hallt. Es ist ein unheimliches Gefühl und je näher wir uns dem runden Gemäuer nähern, desto unruhiger wird Janine neben mir. Ich kann sie verstehen, auch in meinem Magen macht sich ein ungutes Gefühl breit.

Aber Silas scheint seine Worte ernst zu nehmen, denn anstatt geradeaus durch die Tür, führt er uns rechts die Treppe hinauf. Ein endloses Winden, kein Ende scheint in Sicht und mehrmals bleiben Janine oder ich stehen und hecheln laut nach Luft. Der hellhäutige und großgewachsene Junge bleibt dann ebenfalls stehen und wartet auf uns, wippt aber immer wieder mit dem Oberkörper hin und her als sei er Nervös oder habe Stress.

Als wir dann endlich vor einer rostigen Eisentüre stehen fühle ich mich komplett ausgelaugt und stütze mich schwer an der kalten, rauen Steinwand ab. Ein kurzer Blick zu meiner Schwester zeigt mir, dass es ihr nicht anders geht. Zitternd ist sie auf alle Vier gesunken und schnappt keuchend nach Luft. Silas wirkt unverändert, als wäre der Anstieg rein gar keine Herausforderung für ihn gewesen.

Die Pause die er uns gönnt, dauert diesmal wesentlich länger und mein Atem beruhigt sich in dieser Zeit. Langsam drehe ich mich um und lehne mich mit dem Rücken an dem Gestein an, nur um in eine sitzende Pose herab zu sinken. Gerade berühre ich mit dem Hintern den kalten Boden und spüre das dumpfe Pochen der Nachwirkung, als der Vampir schon die Türe einen Spalt breit öffnet und kurz hindurch schaut.

Schnell und geschmeidig zwängt er sich auf die andere Seite, nur um die Türe dann ganz zu öffnen und uns eilig zuwinkt. Schnaufend rappelt ich mich auf die Beine und helfe dann auch meiner Schwester hoch, um mit ihr hinaus aus diesem kalten Ort zu stolpern und von einer etwas wärmeren Umgebung umarmt werden. Dunkles Holz und ein roter Boden begrüßen uns, sowie hier und da Gestelle aus einem glänzenen Material besteht.

Eines schaut aus wie ein Baum ohne Äste, nur dass da weiße Dinger heraus wachsen welche ein komisches Licht am oberen Ende haben. Ebenso hängen so glänzende Baumkronen von den Decken und spenden so ein technisches Licht, wie ich es von unten kenne. So ein gelb-weißes Licht, das keine Wärme spendet.

"Los kommt! Zum Bestaunen bleibt keine Zeit!", zischt Silas leise und ich spüre seine Hand auf meiner Schulter und einen festen Griff, der mich weg von diesen mir unbekannten Gegenständen führt. Auch Janine scheint von der Ausstattung vollkommen erstaunt und gebannt zu sein und wird somit von dem Großgewachsenen mitgezerrt. Ich stolpere mehr hinterher, bis ich in einen Raum geschubst werde und kurz darauf meine Schwester in meine Arme rennt.

Ein Klicken lässt uns zu Silas schauen, der eine rotbraune Holztüre geschlossen hat und nun zu uns schaut. Ohne auf unsere Reaktion zu warten geht er durch den Raum und macht hier und da etwas auf um wiederum etwas heraus zu holen. Janine und ich haben seine Worte derweil vergessen und bestaunen erneut den Raum, mit Gegenständen und Dingen die wir noch nie in unserem Leben gesehen haben.

Ich kann nicht einmal beschreiben wie es ausschaut, geschweige weiß ich nicht einmal, was das alles ist. Aber egal was es ist, es schaut verdammt wertvoll aus. Gehoben... als ob hier jemand lebt der viel Einfluss hat. "Verdammt, hört auf tagzuträumen!", reißt uns Silas ernste Stimme in die Realität zurück und unsicher schauen wir uns an. Dunkel kommen Erinnerungen an Qualen und Schmerzen in mein Bewusstsein.

Silas schnauft genervt durch die Nase, um dann mit angespannter Stimme zu erklären: "Ihr seid gleich draußen. Weg von hier und draußen in der Welt ist es jetzt kalt. Viel kälter als unten im Kerker! Wenn ihr also nicht erfrieren wollt, dann rate ich euch schleunigst die Sachen hier anzuziehen!" Er hat zwei Stapel auf den Boden gelegt. Kleidung, wie das was wir an haben, nur viel... aufwendiger?

Ich weiß nicht wie ich das Beschreiben soll. Zögerlich greife ich zu meinem Haufen und sehe ein Shirt wie das was ich anhabe, nur dass es fast schon wie etwas Heiliges ausschaut. Keine Löcher, es glänzt in frischer Farbe und ist mir auf jeden Fall zu groß! "Beeilung!", knurrt Silas böse und zaghaft ziehe ich den Kopf zwischen die Schultern, nur um mich dann anzuziehen. Über meine Lumpen kommen ein grünes Shirt, ein grauer Kapuzenpullover und dann noch eine jeansblaue Jacke welche mich doppelt so breit dastehen lässt wie ich eigentlich bin.

Untenrum habe ich eine braune Hose welche mir ebenfalls zu lang ist, weshalb Silas sie hockrempelt und mir dann etwas Stoff über je eine Fuß schiebt. "Das sind Socken. Sie halten warm und schützen eure Füße in den Schuhen, welche ebenso eure Füße schützen damit ihr nicht durch Wasser gehen müsst und krank werdet.", erklärt der Junge und zieht mir dann schwarze Schuhe an welche mir erstaunlicherweise passen, aber bis über die Knöchel gehen.

Janine hilft er dann ebenfalls, wenn auch inzwischen etwas eiliger, derweil mir verdammt warm unter all den Sachen ist und ich mich unwohl fühle. Diese Schuhe engen meine Füße ein und es ist ein komisches Gefühl. Meiner Schwester scheint es nicht anders zu gehen, aber Silas lässt uns keine Zeit unsere Meinungen zu äußern und geht zur anderen Raumseite, wo er etwas zur Seite zieht und uns einen atemberaubenden Ausblick verschafft.

Staunend stolpere ich näher und schaue durch eine Glaswand auf braunen Boden. Erde, wie ich ihn in der Kammer kennen gelernt habe. Und weiter hinten sehe ich etwas Grünes... Könnte das dieses Gras sein, von dem uns erzählt wurde? Wenn ich hinauf schaue erblicke ich mehrere Farbtöne. Von Schwarz über Blau, bis hin zu Rosa und Orange. "Die Sonne geht gerade auf und ihr könnt euren ersten Tag erleben."

Silas betätigt einen Hebel und das Glas öffnet sich zur Seite hin, sodass ein Luftzug hinein kommt und ein kühler Luftzug in den Raum kommt. Die Gerüche erschlagen mich und torkelnd muss ich mich vor mir auf der Fensterbank festhalten. Ich rieche so viele Gerüche, unbekannte und es ist schwer sie zuzuordnen. Aber eines weiß ich sicher... Dieser Geruch ist die Freiheit. Ich merke nicht wie eine Träne mein linkes Auge verliert, aber eine sanfte Berührung lässt mich zusammen zucken und den Kopf zu Silas drehen, welcher mir die Träne mit dem Daumen von der Wange wischt.

"Los, raus da mit euch Zwei. Lauft dann so schnell ihr könnt immer gerade aus, mit dem Gebäude in eurem Rücken. Ihr werdet in einen Wald kommen und ich hoffe, dass der Mond euch dort in Sicherheit leiten wird." Unfähig mich zu bewegen hebt Silas mich dann vorsichtig hoch und trägt mich durch die Öffnung auf die anderen Seite, um mich dort abzustellen. Janine stellt er dann eilig an meiner Seite ab, raunt uns noch ein "Lauft!" zu und schließt das Glas hinter uns.

Ich sehe noch kurz in seine grauen Augen, ehe er den roten Stoff wieder vorschiebt und unseren Blickkontakt abbricht. Unsicher und überwältigt sinke ich neben Janine auf den Boden und lasse die Gerüche auf mich wirken, während ich hoch in das immer mehr werdende Blau schaue. In der Ferne glaube ich etwas helles, gelbes zu sehen, aber ein zu langer Blick tut mir in den Augen weh, sodass ich den Kopf zur Seite drehen muss.

Meine Schwester scheint ebenso gebannt und gefesselt zu sein wie ich, aber ein inneres Gefühl sagt mir, dass wir von hier verschwinden sollen. Leise stöhend rappel ich mich auf die Beine und Janine tut es mir gleich, nur um zu flüstern: "Wir sollten hier weg..." "Dann los.", stimme ich zu und vorsichtig setzen wir einen Fuß vor den anderen. Das komische Gefühl an den Füßen bleibt, aber unsere Schritte werden sicherer, bis wir auf einen Hügel zugehen und die letzten Meter dann auch tatsächlich laufen.

Ich spüre einen Luftzug meine Haut streicheln und rieche einen betörenden Duft von dem Gras aufsteigen. Es fühlt sich richtig an, als wäre ich hier zu Hause. Einmal drehe ich mich noch um und schaue zurück, nur um ein großes Gebäude zu erblicken. Es wirkt fehlt an diesem Ort, verlassen und düster inmitten brauner Erde. Janine tut es mir gleich und ich spüre ihre Hand nach meiner greifen, nur um ihr ins Gesicht zu schauen.

Sie lächelt und Tränen der Freude rinnen ihre Wangen herab, während sie ehrfürchtig flüstert: "Er hat nicht gelogen... wenn er so gut im Herzen ist, warum lebt er dann hier?" "Ich weiß es leider nicht, Schwesterherz. Aber vorerst sollten wir weiter und zu diesem Wald, den Silas erwähnt hat." Meine Schwester nickt und gemeinsam wenden wir uns ab und gehen den Hügel hinunter.

Hand in Hand beginnen wir wieder zu laufen und fangen sogar an zu lachen um dieses Gefühl zu genießen, während der gelbe Ball am Himmel unsere Gesichter wärmt. Ich weiß gar nicht was uns noch alles erwarten wird, aber ich bin froh diesen Moment der Freiheit gerade in diesem Moment mit meiner Schwester teilen und erleben zu können.

Blutiges GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt