33. 🌹 KAPITEL

2.9K 140 24
                                    

Tennessee, Nashville; August 2016

Chloe

„Vielleicht kommt es jetzt unpassend, aber da du Samstag nicht in Berlin bist, hab ich gedacht, du möchtest deine Tochter kennenlernen?" Eigentlich war ich in sein Büro gekommen, um ihn eine Absage für Berlin zu erteilen.
Ich habe Kiara nämlich versprochen, dass Wochenende mit ihr zu verbringen. Zumindest redet sie wieder mit mir.
Alex sitz immer noch vor mir und blickt mich intensiv an. Zwischen uns ist immer noch so vieles unausgesprochen, daher wünsche ich mir, dass wir ein wenig Zeit miteinander verbringen.
„Klar, können wir gerne machen. Sag mir wann und wo. Ich werde da sein." Erleichtert atme ich aus, bevor ein Lächeln über meine Lippen huscht.
„Samstag gegen Mittag? Kennst du den Shelby Park? Da ist ein großer Abenteuerspielplatz, da wollte ich mit ihr hin." Alex nickt zustimmend.
„Ich werde da sein." Lächelnd erhebe ich mich. Vielleicht bekomme ich da auch eine Chance, nochmal über unsere gemeinsame Nacht bei seinen Eltern zu sprechen.
„Ich mach mich wieder an die Arbeit." Damit verlasse ich, mit einem guten Gefühl, sein Büro.

Die Woche zog so schnell an mir vorbei, da ich allerhand zu tun hatte. So einfach, wie gedacht, war es nicht die letzten Schritte der Messe zu dirigieren.
Immer noch warte ich auf die Zusage, dass wir am Mittwoch aufbauen können. Noch dazu fehlt mir für Halle 1 noch ein Stand.
Doch heute mache ich mir ausnahmsweise keine Gedanken darüber. Den ganzen Tag kribbelt mein Bauch vor Aufregung. Mit dem Bus sind wir zum Shelby Park gefahren und nun sitze ich auf einer Bank, während Kiara lachend auf dem Gerüst turn. Der sonnige Augusttag hat viele Mütter und Väter mit ihren Kindern angelockt. Während die Eltern auf den umliegenden Bänken sitzen, spielen ihre Kinder mit den anderen ausgelassen auf dem großen Abenteuer Spielplatz.
Immer wieder blicke ich mich zu all Seiten um, doch Alex ist mir noch nicht aufgefallen. Abermals nehme ich mein Buch in die Hand und lese das Kapitel nun schon zum fünften Mal, da ich mich einfach nicht darauf konzentrieren kann. Hat er es vergessen? Oder anders überlegt?
Zunehmend ungeduldiger werde ich, als mein Blick auf meine Armbanduhr fällt. Bereits Mittag. Vielleicht hätte ich doch eine genaue Uhrzeit sagen sollen. Gegen Mittag ist so ein dehnbarer Begriff.
„Mama. Guck mal." Kiaras rufe dringen zu mir durch, als sie ganz oben auf dem sechseckigen Gerüst steht und zu mir herunter winkt. Ich lächle sie an und erwidere, ihr winken.
„Pass bitte auf Schatz. Halt dich wieder an den Seilen fest." Rate ich ihr, was sie auch sofort tut. Anschließend klettert sie vorsichtig nach unten und läuft auf mich zu.
„Kann ich was zu trinken haben." Abermals lege ich meinen Krimi weg und krame im Rucksack nach der Trinkflasche.
„Aber langsam. Komm erst mal zu Atem." Doch wie immer hört sie nicht auf mich und verschluckt sich. Hustend hält sie mir die Flasche entgegen.
„Was habe ich gesagt." Nachdem sie sich beruhigt hat, ist sie auch schon wieder lachend im Sand verschwunden. Seufzend lehne ich mich zurück und richte meine Sonnenbrille auf der Nase. Genüsslich schließe ich die Augen und lasse mich von der herrlichen Sonne wärmen. Die großen Bäume um die Bänke herum, sorgen ein wenig für Schatten, da auch in Nashville Temperaturen über 30 Grad zustande kommen.
„Tut mir leid, dass ich so spät bin." Ich zucke zusammen und Blicke auf. Alex steht lächelnd vor mir. Kurz verschlägt es mir den Atem. Mit einem schwarzen Poloshirt und einer grauen Bermudahose sieht er jünger aus. Die Sonnenbrille hat er sich auf seine, nach hinten gekämmten Haare geschoben.
Schnell räuspere ich mich.
„Kein Problem. Wir sind auch noch nicht lange hier." Lüge ich und spüre die Röte in meine Wangen schießen.
„Gut." Alex lässt sich lässig neben mich sinken und legt seinen Knöchel auf sein anderes Bein. Unsere nackten Oberarme berühren sich und eine Gänsehaut bildet sich darauf.
Reiß dich zusammen Chloe. Wir waren uns definitiv schon näher. Zweimal sogar.
„Sie ist wirklich ein kleiner Wirbelwind." Alex hat Kiara wohl unter den Kindern entdeckt und auch mein Blick schweift umher, bis er sie findet. Lachend spielt sie gerade mit einem anderen Mädchen auf der Wippe.
„Ja, das ist sie." Stolz schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. In dem Moment blickt sie auf und winkt uns zu. Kurz spricht sie mit dem Mädchen, bevor diese nickt und Kiara von der Wippe steigt. Im Augenwinkel sehe ich, wie Alex sich aufrichtet und seine Hände an der Hose abwischt.
„Du brauchst nicht nervös sein." Versuche ich, ihn zu beruhigen, was ihn nur glucksen lässt.
„Mama." Kiara ist vor uns zum Stehen gekommen und erst ignoriert sie Alex. Sie weiß, wer er ist und auch ihr sieht man die Nervosität an. Daher hebe ich sie hoch und setzte sie auf meinen Schoß.
„Kiara. Das ist Alex." Dieser setzt ein breites Lächeln auf und reicht Kiara seine Hand.
„Schön dich endlich richtig kennenzulernen." Kiara betrachtet seine Hand, bevor ihr Blick in seine Augen geht. Sekunden vergehen, die mich zunehmend verrückt machen. Was ist, wenn sie ihn nicht akzeptiert?
„Hallo." Bringt sie leise heraus, ergreift aber seine Hand nicht. Enttäuschung ist in Alex Gesicht abzulesen, das er sofort mit einem Lächeln versteckt. „Darf ich wieder spielen gehen?" Fragt sie schüchtern und nickend lasse ich sie los. Kiara rutscht von meinem Schoß und läuft wieder auf die Schaukel zu.
„Lief nicht gerade gut." Seufzt Alex neben mir. Ich beobachte Kiara, wie sie wieder mit dem blonden Mädchen spielt und lachend laufen die beiden rüber zur Rutsche.
„Gib ihr Zeit. Für sie ist das auch nicht einfach. Kiara hatte nie eine väterliche Figur in ihrem Leben. Nur meine Mutter, Miriam und mich. Sie muss sich erst an dich gewöhnen." Mein Blick gleitet zu Alex, der Kiara beobachtet, wie sie immer wieder die Rutsche hinunterrutscht und dabei ihr lachen ertönt.
„Ich wünschte, ich hätte sie früher kennengelernt." Sein Blick richtet sich auf mich.
„Ja, das wünsche ich mir auch."

Eine Weile sitzen wir schweigend nebeneinander auf der Bank. Mein Blick gleitet immer wieder zu Alex, der Kiara beim Spielen beobachtet. Immer wieder erwische ich ihn, wie er zu lächeln anfängt, was mir einiges an Sorgen wegnimmt.
„Die Nacht mit dir, war wirklich sehr schön. Auch wenn ich mich danach wie ein Arsch benommen habe." Erschrocken, dass er mit mir redet, wende ich mich ihm wieder zu. Immer noch liegt sein Blick geradeaus. „Am Morgen danach konnte ich mich erst an nichts erinnern. Doch immer mehr Bilder entstehen in meinem Kopf." Nun dreht er seinen Kopf und blickt mich direkt an. Zwischen seinen Augenbrauen bildet sich eine kleine Falte, während sein Blick über mein Gesicht huscht. „Danach habe ich dich nicht mehr aus meinem Kopf bekommen." Ich atme tief ein und ein Kribbeln, wie Strom, zieht durch meinen Körper. „Ich habe nur dieses Gefühl in mir, dass es falsch ist." Traurigkeit legt sich über sein Gesicht, bevor er es abwendet und auf den Ring an seiner Hand starrt. Gedankenversunken dreht er ihn an seinem Finger, als würde ihn dieses Gefühl beruhigen.
Den Stich in meinem Herzen ignorierend, lege ich meine Hand auf seinen Unterarm und fordere somit seine Aufmerksamkeit.
„Willst du mir von ihr erzählen?" Meine Stimme klingt sanft und beruhigend. So rede ich oft mit Kiara, wenn sie aufgewühlt ist. Alex schnauft und richtet seinen Blick wieder auf seine Hand. Eine lange Zeit sagt er nichts, bevor er abermals seufzt.
„Ich habe sie auf einer diesen unzähligen langweiligen Partys kennengelernt, auf die meine Eltern immer bestanden haben. Sie war die hübscheste Frau im ganzen Saal. In dem cremefarbenen Kleid und den braunen Haaren, sah sie für mich wie ein Engel aus." Ein Lächeln umspielt seine Lippen, während Alex immer noch den Ring betrachtet. Er ist matt geschliffen und hat eine Rille in der Mitte. Ansonsten ist er schlicht. Doch genau das passt zu ihm.
„Vor zwei Jahren ist sie bei einem Autounfall tödlich verunglückt." Ich halte die Luft an.
„Ich saß am Steuer." Alex blickt zu mir auf, während sich eine Traurigkeit um ihn legt, die mich mitzureißen droht. „Ich bin an ihrem Tod verantwortlich." Nur schwer sickern die Worte zu mir durch, doch bevor ich realisiere, was ich tue, umarme ich ihn vorsichtig. Kurz erstarrt Alex unter meiner Berührung, doch dann schlingen sich seine Arme um meine Mitte und lassen den Trost zu. Minuten vergehen, wo wir uns nur halten. Ich spüre seinen Herzschlag an meiner Brust, der immer gleichmäßiger wird, bevor er sich normalisiert.
„Ich werde sie immer lieben Chloe." Sein heißer Atem streicht über meinen Nacken, bevor ich mich langsam von ihm löse, um ihn anzublicken. Immer noch sind seine Augen von Traurigkeit gefüllt.
„Das weiß ich. Natascha ist für dich eine wichtige Person in deinem Leben. Niemand verlangt von dir, dass du sie aus deinem Herzen verbannst." Ein Lächeln umspielt meine Lippen.
„Danke." Sein Blick geleitet über mein Gesicht, bevor er mein Lächeln erwidert.
„Mama. Können wir jetzt was essen?" Kiara, tappst auf uns zu und mit einem letzten Blick auf Alex, wende ich mich ihr zu.
„Klar, wollen wir unter dem Baum unsere Picknickdecke ausbreiten?" Ich deute auf die Buche hinter mir und lächelnd nickt Kiara. Mit dem Rucksack in der Hand erhebe ich mich und gehe auf den Stamm des Baumes zu.
„Möchtest du mitessen?" Erst jetzt bemerke ich, dass weder Kiara noch Alex mir gefolgt sind. Als ich mich umdrehe, steht sie vor ihm und blickt fragend zu ihm auf. Ich höre Alex lachen und abermals kämpfen Schmetterlinge um den besten Platz in meinem Bauch.
„Gerne." Antwortet er seiner Tochter und Kiara reicht ihm ihre Hand. Gemeinsam nähern sich die beiden mir und dieses Bild lässt meine Knie weich werden.

Vor über einem Monat habe ich den Vater meiner Tochter gefunden und hätte nie gedacht, dass es so schwer sein könnte, ihm die Wahrheit zu sagen.
Vor über einem Monat habe ich bei einem Mann angefangen zu arbeiten, dessen Art arrogant und überheblich ist und ich hätte nie gedacht, dass ich mich in ihn verlieben könnte.
Auch wenn er Natascha immer lieben wird, werde ich, um einen Platz, in seinem Herzen und in seinem Leben, kämpfen. 

Ende

Fateful Night - Für immer verbundenWhere stories live. Discover now