1.🌹 KAPITEL

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Nashville Tennessee, sieben Jahre später

Chloe

„Miri. Hast du meine Schwarzen High Heels gesehen?", brülle ich vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer.
„Du meinst meine High Heels, die du dir vor drei Wochen geliehen hast?", ruft sie zurück. Ich verdrehe die Augen und durchwühle abermals den Schrank. Wo sind sie?
„Ja, genau die." Ein Kichern ist zu hören und ich gebe es auf in dem unordentlichen Schrank irgendetwas zu finden. Daher schließe ich ihn und stapfe ins Wohnzimmer.
In den letzten sieben Jahren hat sich hier nichts verändert. Es ist immer noch die kleine Wohnung außerhalb von Nashville. Am niedrigen Wohnzimmertisch sitzt meine beste Freundin Miriam und malt mit meiner sechsjährigen Tochter ein Mandala mit Buntstiften aus.
„Mama, die stehen doch in der Küche", meldet sich meine Kleine, ohne von ihrem Blatt aufzublicken. Ich ziehe die Augenbrauen hoch und laufe um die Theke in die offene Küche. Und tatsächlich stehen sie neben der Spüle.
Schnell streife ich mir die Schuhe über und trete um die Theke herum.
„Und? Wie sehe ich aus?" Beide blicken zu mir auf und nervös streiche ich mir zum hundertsten Mal über den schwarzen Bleistiftrock, den ich über einer weißen Bluse trage.
„Du siehst toll aus, Mama." Ich lächle meiner Kleinen zu und ihre eisblauen Augen strahlen mich unter der braunen Mähne an. Die gleichen Augen, wie von ihrem Vater.

Vor sieben Jahren habe ich Alex das letzte Mal gesehen. Er war, nach unserer gemeinsamen Nacht, am nächsten Morgen verschwunden. Obwohl ich wusste, dass nie mehr daraus werden wird, war ich dennoch enttäuscht. Besonders, als ich Wochen später erfahren habe, dass ich schwanger von ihm bin.
Damals war ich jung und überfordert. Mein Studium musste ich abbrechen und erst vor drei Jahren habe ich es in Abendkursen nachgeholt. Es war nicht leicht und ich musste hart arbeiten. Manchmal sogar mehrere Jobs gleichzeitig. Gemeinsame Zeit mit meiner Tochter, Kiara war meistens knapp.
Meine Mutter half mir anfangs Finanzielle aus und passte oft auf Kiara auf, doch irgendwann ließ ihr Kopf nach. Immer öfter vergisst sie, Kiara vom Kindergarten abzuholen, oder machte ihr nichts zu essen. Es wurde mit der Zeit immer schlimmer.
Die Ärzte stellten Demenz bei ihr fest und da sie nicht mehr arbeiten konnte, verlor sie ihren festen Job.
Momentan lebt sie in einer winzigen Wohnung in unserer Nähe, doch lange wird das nicht mehr gut gehen. Ich muss für beide Mieten aufkommen und die Pflegekraft, die nach meiner Mutter sieht, kann nicht alles abfangen.
In meiner Wohnung ist kein Platz für eine weitere Person.
Ich muss mir Gedanken über eine Pflegeeinrichtung machen, doch dafür fehlt mir das Geld.
Miriam ist mir in all der Zeit eine große Hilfe. Sie passt oft auf Kiara auf und unterstützt mich mit meiner Mutter.
Doch mit ihrem Kellnerinnen-Gehalt kann sie sich gerade selbst versorgen und ich möchte sie nicht immer mit meinen Problemen belasten. Sie hat ein eigenes Leben.

„Du siehst klasse aus. Jetzt atme mal durch. Du schaffst das schon." Lächelnd steht Miriam auf und hält mich an den Schultern fest.
Das Bewerbungsgespräch heute hörte sich lukrativ an und ich brauche den Job dringend. Nicht nur, um meine Miete zu bezahlen, sondern auch um Kiara ab und an etwas Gutes tun zu können. Ihre Spielsachen und ihre Kleidung kommen aus zweiter Hand und ein Besuch im Zoo ist Luxus. Sie soll nicht unter meiner Mittellosigkeit leiden.
Ich atme einmal hörbar aus.
„Ich bin echt nervös." Sie lächelt mich an.
„Süße, du hast dich darauf vorbereitet. Wenn nicht du, wer dann?" Ein Lächeln huscht über meine Lippen. Ich ziehe Miriam in eine Umarmung.
„Danke." Ich blicke kurz auf die Uhr. Es ist früher Vormittag. Um 11 Uhr habe ich das Gespräch, also in knapp einer Stunde.
Schnell schlüpfe ich nochmal ins Badezimmer und überprüfe mein Aussehen ein letztes Mal. Meine langen, braunen Haare habe ich zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden. Nach meiner wilden Phase habe ich meine Haare wieder wachsen lassen und das gefärbte Blond ist mit der Zeit herausgewachsen. Mein natürliches, dunkles Braun ist zum Vorschein gekommen und lässt mich reifer wirken. Meine Ohren Piercings habe ich entfernt, um Kiara ein Vorbild zu sein.
Ich wische mir noch einmal über meine Lider, um die Krähenfüße des Mascaras zu entfernen. Einfach und dezent habe ich meine braunen Augen betont, indem ich einen ebenfalls hellbraunen Lidschatten gewählt habe. Meine vollen Lippen, die ich am meisten an mir liebe, habe ich mit einem rosa Lipgloss betont. Schminke und Klamotten waren mir noch nie wichtig, daher besitze ich sehr wenig davon. Das meiste Geld gebe ich für Kiara aus, um ihr eine Freude zu machen. Jedes Lächeln, das ich ihr schenkt, erwärmt mein Herz.
Ich werfe einen letzten Blick in den Spiegel und verlasse im Anschluss das Badezimmer.
„Dann mache ich mich auf den Weg." Ich stecke die Mappe in meine Handtasche und schnappe mir meinen Wohnungsschlüssel.
„Kiara, sei lieb und wenn ich wieder zurück bin, machen wir Taccos." Sie erhebt sich und kommt auf mich zugelaufen. Ihre dünnen Ärmchen schlingen sich um meinen Bauch und so fest sie kann, drückt sie ihr Gesicht an mich.
„Du schaffst das, Mama." Ich streiche ihr über die langen, braunen Haare und drücke sie an mich. Ohne Kiara wäre meine Leben einfacher, aber niemals so schön. Ich würde mein Leben mit keinem anderen tauschen wollen.

Fateful Night - Für immer verbundenWhere stories live. Discover now