11. 🥃 KAPITEL

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Tennessee, Spendengala; Juli 2016

Alexander

Mit schnellen Schritten hetze ich durch den Saal, nur weit genug weg von ihr. Als ich mich vor dem Gebäude befinde, blicke ich mich um.
Hier draußen ist weniger los, als im Garten. Hier werde ich nicht alle Meter angesprochen. Das Parkservice Personal, wartet auf das Abholen der Autos, sonst sehe ich niemanden. Ich schlendere den Kiesweg entlang und hänge meinen Gedanken nach.
Chloe hat Gefühle in mir geweckt die ich für tot gehalten habe. Seit Natascha habe ich sie nicht mehr gespürt und mir geschworen nie wieder jemanden an mich zu lassen. Zu tief sitzt der Schmerz, den sie hinterlassen hat. Doch der Tanz war elektrisierend. Schon als ich ihr, am frühen Abend, aus dem Auto geholfen habe hat sie mich kalt erwischt. Dass sie hübsch ist, habe ich immer gesehen und auch bei der Anprobe vom Kleid hat sie mich umgeworfen. Doch als sie ausstieg, lag eine Aura um sie, die mich eingenommen hat. Ihre ganze Ausstrahlung ist magnetisch und als wir uns unbeschwert über die Tanzfläche bewegt haben, habe ich dies deutlich gefühlt. Die Anziehung zwischen uns kann nicht nur mir aufgefallen sein und so wie mich Chloe angesehen hat, entgeht ihr die Chemie zwischen uns ebenfalls nicht. Als ich ihre nackte Haut am Rücken berührt habe, schossen mir Stromschläge direkt in die Hose. Ihre weiche warme Haut hat mich kaum Atmen lassen. Es hatte etwas Vertrautes sie zu berühren.
Doch mit meiner vielen Übung, konnte ich nach außen hin immer noch meine Mauer bestehen lassen. Obwohl diese schwer ins Wanken geraten ist.
Doch egal was sie mich Empfinden lässt. Es geht nicht.
Sie ist meine Angestellte und eine verdammt gute Assistentin. Außerdem die Vorstellung ein weiteres Mal einen Menschen zu verlieren lässt mich erschaudern. Nie wieder darf sich wiederholen was mit Natascha passiert ist. Dafür werde ich sorgen und wenn ich Chloe von mir stoßen muss.

Noch eine Weile amte ich die kühler werdende Luft ein, bevor ich mich wieder auf den Weg Richtung Gebäude mache.
Der Hauptgang wurde mittlerweile serviert und die meisten Gäste sind wieder auf der Tanzfläche. An unseren Tisch sitzt nur Scott mit einer wirklich hübschen Frau, die ich nicht kenne. Die beiden unterhalten sich angeregt und bemerken nicht, wie ich mich wieder an meinen Platz setze.
Sofort eilt ein Kellner zu mir um mich zu fragen ob ich den noch einen Hauptgang wünsche. Da ich nicht sonderlich hungrig bin, verneine ich. Er schenkt mir mein Wasser nach und verschwindet wieder. In diesem Moment bemerkt mich Scott und dreht sich zu mir um.
„Kumpel wo warst du?"
„Nur frische Luft schnappen." Antworte ich ihm Achselzuckend.
„Ich muss schon sagen, deine Chloe ist der Hammer. Hätte nie gedacht so lecker außerhalb meines Restaurants zu essen. Die Windforths hatten nie so geiles Essen wie es hier serviert wurde." Er leckt sich über die Lippen.
„Sie ist nicht meine Chloe." Antworte ich etwas zu forsch, was Scott nicht entgeht. Seine Augenbrauen heben sich amüsiert.
„Bist du dir da sicher? So wie du sie ansiehst." Antwortet er glucksend. „Deine Kleine Tanz übrigens gerade mit Mason. Ich würde da aufpassen." Lachend legt er der blonden Frau einen Arm um die Schultern und nickt Richtung Tanzfläche.
„Scott!" Mahne ich ihn, doch dieser lacht nur und erhebt sich mit seiner Schönheit.
„Ich mein ja nur Bro. Sie ist eine klasse Frau." Damit verschwindet er ebenfalls auf die Tanzfläche.
Wie von selbst suchen meine Augen alle Tänzer ab, bis ich sie ausmache. Elegant, als hätte sie nie etwas anderes gemacht, bewegt sie sich über die Fläche.
Ich sehe ihr strahlendes Lächeln, das sie in diesem Moment Mason zuwirft. Mein Freund ist zwar nicht so ein Schürzenjäger wie Scott, doch ich sehe sein Interesse wenn er Chloe ansieht. Unbewusst balle ich die Hände zu Fäusten. Die Vorstellung das Mason mit Chloe etwas anfängt, lässt mich wütend werden. Erschrocken über meine plötzliche Eifersucht, erhebe ich mich.
Wieso löst diese Frau so viele Empfindungen in mir aus? Als ich gerade Richtung Tanzfläche gehen möchte, stellt sich mir jemand in den Weg.
„Guten Abend Alexander." Ich blicke in das Gesicht von einer hübschen jungen Frau. Sie trägt ein dunkelrotes eng anliegendes Kleid, das ihren schlanken Körper betont. Ihre braunen Haare hat sie elegant nach oben gesteckt und ihre blauen Augen blicken mich freundlich an. Die gleichen blauen Augen wie sie hatte.
„Catherine." Perplex blicke ich die junge Frau vor mir an. Ich habe sie nicht erwartet hier zu sehen, obwohl sie auf der Gästeliste steht.
„Es ist lange her, Alexander." Ihre Augen blicken mich traurig an und ich weiß von welchem Tag sie spricht. Dieser Tag ist in meinem Kopf gefestigt wie ein Brandmal. Wie ein schlechtes Omen. Mein persönlicher Alptraum.
Langsam gleitet mein Blick über die Gesichter der anderen Gäste.
„Meine Eltern sind nicht hier." Beendet sie meine kurze suche. Kurz nicke ich und schlucke den Kloß in meinem Hals herunter. Ich weiß nicht ob ich ihnen schon entgegen treten kann. Zwei Jahre sind seitdem Vergangen. Zwei Jahre voller Hass und Selbstvorwurf. Catherine jetzt vor mir zu sehen, schmerz mehr als erwartet. Sie sieht ihrer Schwester so ähnlich, dass ich kurz Natascha vor mir sehe. Die blauen Augen die mich immer liebevoll angesehen haben. Ihre liebliche Stimme, wenn sie mit mir geredet hat. Ihr wunderschönes Lachen.
Immer noch blicke ich Catherine traurig an und auch in ihren Augen erkenne ich die Bodenlose Trauer. Ich schlucke den Schmerz herunter, der meine Kehle hinauf klettert.
„Es tut mir leid Catherine." Sie nickt knapp, bevor ein kleines Lächeln auf ihre Lippen tritt.
„Mir auch Alexander." Auch ich lächle sie kurz an, bevor ich mich umdrehe und auf die Terrasse trete.
Ich atme die kühle Luft ein und richte meinen Blick gen Himmelszelt. Der Mond strahlt und beleuchtet den großen Garten mit seinem kalten weißen Licht. Die Sterne funkeln mir entgegen, auch wenn man sie kaum durch die Lichter sieht. Ich blinzle gegen die Wut und den Schmerz an, der mich gerade einzunehmen droht. Sie zu sehen trifft mich mehr als erwartet. In Catherines Augen zu Blicken und ihre zu sehen. Die Gefühle die mich dabei übermannen.
„Alex?" Abermals atme ich die kühle Luft ein und spüre wie mein Freund und Anwalt neben mich tritt. Erst als ich seine Hand auf meiner Schulter spüre, öffne ich die Augen.
„Sie ist hier. Catherine..." Immer noch blicke ich nach oben, da ich nicht möchte das er den Schmerz in meinen Augen sieht.
„Ja. Ich habe sie gesehen, als ihr geredet habt." Ach ja. Er war auf der Tanzfläche mit Chloe. Abermals spüre ich die Gefühle in mir brodeln, doch auch diese unterdrücke ich schnell.
„Alles gut bei dir?" Fragt er mich besorgt. Es vergehen einige Minuten in denen ich mich sammle, bevor ich ihm antworte.
„Ja." Bringe ich brüchig heraus. Ich wende mich ihm zu und blicke in seine besorgten braunen Augen.
„Wie wäre es mit einem Drink? An der Bar soll es erlesenen Callahn Whiskey geben." Schmunzelt Mason und stupst mich an die Schulter. Mein Blick gleitet wieder nach oben. Heute Nacht ist Vollmond und imposant scheint er am Himmel.
„Hört sich gut an. Gib mir noch ein paar Minuten." Masons Hand legt sich kurz auf meine Schulter.
„Klar. Ich warte an der Bar." Damit verschwindet er und lässt mich allein.
Ich bin kein Gefühls Mensch und daher fällt es mir schwer damit umzugehen. Doch die letzten Tage haben mich weich gemacht. Erst mein Vater und nun die hochkommenden Gefühle Catherine wieder zu sehen. Wieder an damals erinnert zu werden, an das was ich verloren habe.
Ich atme nochmal tief durch, bevor ich meine Schultern straffe und wieder in den Saal trete. Mittlerweile ist die Tanzfläche voll. Das Dessert Büffet wurde bereits aufgebaut. Verschiedene Köstlichkeiten aus aller Welt, türmen sich neben frischem Obst. Zwei Gigantische Schokobrunnen mit Milchschokolade und weißer stehen in der Mitte des Tisches und plätschern vor sich hin.
Mason lehnt an der Bar im hinteren Bereich und unterhält sich mit einer jungen Frau. Mein Blick schweift umher und ich erblicke Chloe am anderen Ende des Saals, die sich mit einem Kellern unterhält, bevor dieser nickend verschwindet. Als sie ihren Blick hebt, treffen sich unsere Augen und abermals spüre ich die Anziehung zwischen uns. Der Drang zu ihr zu gehen lässt mich sogar einen Schritt nach vorne treten. Doch schnell stoppe ich mich und schüttle den Kopf um wieder klar denken zu können.
Daher drehe ich mich um. Als ich näher trete, flüstert er der hübschen rothaarigen etwas zu. Sie nickt, bevor sie lächelnd an mir vorbei geht. Schweigend lehne ich mich an die Theke und Mason bestellt zwei Gläser Callahn Whiskey. Immer wieder gleitet mein Blick durch die Menge, während ich an dem Glas nippe. Wir reden nicht und irgendwie genieße ich die Stille, auch wenn es um uns herum nicht leise ist.
Nach einiger Zeit tritt Scott ebenfalls an die Theke und bestellt sich ein Bier. Ich lausche meinen beiden Freunden die sich angeregt unterhalten, während ich Chloe unbemerkt beobachtet wie sie ihre Arbeit erledigt.

***

Die ersten Sonnenstrahlen treffen auf den Horizont. Es ist ein atemberaubender Sonnenaufgang, doch ich sehe ihn nicht. Immer noch sitze ich in meinem Auto und fahre durch die immer voller werdenden Straßen von Nashville. Die Gala ist schon seit mehreren Stunden beendet worden, doch ich finde keine Ruhe. Mike habe ich gebeten Chloe nach Hause zu fahren und seitdem fahre ich Ziellos durch die Gegend.
Das Zusammentreffen mit Catherine geht mir immer wieder durch den Kopf. Ihre blauen Augen. Die braunen Haare. Alles erinnert mich an sie. Ihre hohen Wangenknochen die sie immer dezent mit Rouge bedeckt hat, das zärtliche Lächeln auf ihren Lippen. Auch wenn die beiden zwei Jahre auseinander sind und zwei komplett verschiedene Charaktere haben, sehen sie sich so ähnlich. Wenn ich die Augen schließe sehe ich sie, weswegen ich noch wach bin. Zu viel Angst habe ich ihre aufgerissenen Augen zu erblicken und ihren schönen Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Das Blut an ihrer Schläfe und diese dumpfe Gefühl, dass der Boden unter meinen Füßen das Tor zu Hölle öffnet. Ich will diesen wiederkehrenden Alptraum nicht sehen, obwohl er schon längst in meinem Kopf eingebrannt ist.
Zu oft bin ich ihn durchgegangen. Zu oft bin ich nachts schweißgebadet aus dem Schlaf gerissen und habe ihren Namen geschrien. Zu oft habe ich mich mit den Bildern selbst bestraft.
Es ist ein Laster, das ich tragen muss und niemand wird es mir nehmen können.

Fateful Night - Für immer verbundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt