☍ Seventeen

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Die Zeitverging und es schien beinahe so, als würde Zayn einer Sanduhr zusehen - wie jedes einzelne Sandkorn aus dem schmalen Schlot fiel, zu dem winzigen Rest.

Wochen vergingen und aus Wochen wurden Monate. Monate, in denen Zayn versuchte, Niall zurückzugewinnen, ihn wieder zu sich zu holen. In denen er praktisch auf die Knie fiel vor seinem Blonden und ihn anflehte, er solle doch wieder zurückkommen. In denen er versuchte, Antworten zu bekommen bis er schlussendlich nur noch bettelte, eines Blickes gewürdigt zu werden. Drei Monate ohne jeglichen Erfolg.

Er gab auf.

Von Mal zu Mal starb ein Stückchen Hoffnung in ihm und schließlich schien nichts mehr übrig.

Louis hatte gesagt, er solle es bleiben lassen. Er könne nicht mit ansehen, wie sein bester Freund zu Lächeln verlernte nur wegen der Liebe, die er für den Blondschopf empfand - wie er sich wie an scharfen zerbrochenen Scherben an ihr schnitt und das Blut ihn benommen fühlen ließ.

Zayns Hoffnung war wie eine Blüte, die allmählich ihre Blätter verlor und schlussendlich kahl zurückblieb, Wind und Wetter ausgesetzt, kaputt.

Harry hatte sich geschworen, dem Blonden eine Lektion zu erteilen dafür, dass er seinem Freund so zusetzte, dafür, dass er ihn so hat stehen lassen, ihn so zerstört hatte. Schon einige Male war er kurz davor gewesen, Niall die Hölle heiß zu machen, doch immer wieder hielt Zayn ihn zurück - es würde ihn nur mehr zerbrechen.

Er wusste, Niall hatte keine Schuld an alledem. Doch wer trug die Schuld?

Zayn wollte ihn in seinen Armen halten, ihm zuflüstern, sie könnten alles schaffen. Er wollte ihm klar machen, er sei da, was auch immer passieren würde. Er würde hinter ihm stehen, ihm den Rücken stärken. Er würde jedem Feind die Stirn bieten, jeden Gegner in die Flucht schlagen. Er würde alles für Niall tun, doch was würde dieser für ihn tun?

Es waren Fragen wie diese, die den Dunkelhaarigen zerfraßen. Es waren die kalten Blicke, die schuldbewussten Lügen und kontaktfreien Tage.

Er wollte doch nur, dass all dies ein Ende fand. Er wollte, dass die Tränen wieder trockneten und sein Herz wieder schlug, er wollte es spüren, wie es in seiner Brust wild umher sprang - sowie an dem Tage, an dem er Niall das erste Mal geküsst hatte.

Er wollte kämpfen und weitermachen, doch er hatte bereits aufgegeben.

-

Nialls Zeit konnte man ebenfalls nicht als rosig bezeichnen. Er würde lügen, wenn er sagen würde, dass er harte Zeiten noch nicht durchlebt hätte, doch dieses Mal war es noch viel schlimmer.

Kein Zayn, der ihn umarmte, wenn mal wieder ein Tag schlimmer schien als der andere. Kein Zayn, der stets versuchte, ihn mit schlechten Witzen aufzuheitern oder zum Lachen zu bringen. Kein Zayn, der ihn küsste, ihn liebte. Kein Zayn, der zusammen mit Louis und Harry über Videospiele und Comics diskutierte. Kein Zayn. Da war kein Zayn mehr.

Matthew schien das ebenfalls bemerkt zu haben. Ja, ihn freute die Abwesenheit des Schwarzhaarigen sogar mehr als erwartet und dies ließ er Niall auch spüren.

Täglich betrat der Blonde die Schule mit neuen Blutergüssen und verließ sie auch weiterhin mit neuen blauen Flecken.

Und wäre es ein Fehler zu zugeben, sein Vater würde nicht nachhelfen? Dieser schien nämlich nicht recht zu begreifen, dass man Homosexualität mit Schlägen nicht so einfach aus jemanden herausbekam - mit Tritten noch viel weniger.

Es war wie die reinste Folter, Tag für Tag, und der einzige Ausweg schienen Tabletten. Schlaftabletten, die bitter und fad' auf seiner Zunge schmeckten und seinen Kopf klirren ließen. Anders fand er seinen Weg zur Ruhe nicht und sonst half ihm nur die scheußliche Klinge aus all dem Chaos. Sie ließ die Probleme und Schmerzen vielleicht nicht verschwinden, aber sie schien sie perfekt zu vertuschen und für -wenn auch nur einen kurzen- Moment in den Hintergrund zu stellen.

Niall entwickelte eine Bindung zu der scharfen Rasierklinge, so pervers es auch klingen mag. Es war leichter für ihn, sich auf den stechenden Schmerz zu konzentrieren, wenn mal wieder alles zu zerbrechen drohte. Er fand Gefallen an der dickflüssigen roten Farbe, die so dunkel schien wenn er sie auf seiner blassen Haut verschmierte. Ihm gefiel die Ruhe, die herrschte wenn er den kleinen dunkelroten Tropfen dabei zu sah, wie sie auf weiße Fliesen trafen. Es lenkte ihn ab und das war alles was er brauchte. Ablenkung. Einfach nur eine Möglichkeit zu vergessen, dass er alles verloren hatte, dass nichts auf dieser Welt ihn noch zu halten schien.

Und, ja, oft sponn er sich Gedanken über den Tod, wie es sein würde, alles loszulassen. Und er wusste, es würde nicht mehr lang dauern und dann würde er sich selbst gehen lassen. Und es war okay.

Eines Tages wiederum lernte er Kate kennen. Sie kam aus dem Nichts, ein Tag und sie war einfach da gewesen.

Kate saß in seinem Biologie-Kurs gleich in der ersten Reihe und obwohl sie noch nie zuvor mit Niall ein Wort gewechselt hatte, wendete das Blatt sich an einem veregneten Donnerstag. Sie war offen auf ihn zugekommen, hatte ein Gespräch mit ihm angefangen und Niall wusste nicht, was sie dazu verleitet hatte, aber er würde es nicht wagen, sie danach zu fragen, denn endlich nach einer trostlosen, einsamen Zeit schien er endlich nur einen kleinen Jemand an seiner Seite zu haben und das genügte, um die gesamte Dose an Schlaftabletten nicht in einem Zug zu nehmen.

Sie entwickelten eine Freundschaft und auch wenn sie nicht wirklich über viel Privates redeten, genoss Niall diese Zeit ein wenig, denn die Zeit ohne Anschluss ließ diese Freundschaft wie ein Schatz wirken und auch wenn sie nicht glänzte wie Gold, betrachtete der Blonde sie wie das Wertvollste der Welt.

War Zayn eifersüchtig? Wieso sollte er schon? Weil sie an Niall herankam? Mit ihm reden konnte, ohne dass er verschwand? Weil sie tagtäglich bei ihm war und es dazu auch noch tatsächlich schaffte, ihm ein leichtes Lächeln zu entlocken? - Er war verdammt eifersüchtig.

Und so saß der Schwarzhaarige im Diner. Die Sonne versteckte sich hinter rosa Wolken, die Menschen waren guter Stimmung, während er versuchte seine schlechten Gedanken in Erdbeershakes und alten Büchern zu ertränken.

Das Glas, welches immer noch unberührt aussah, war bestickt mit kalten Tropfen, wie als hätte sich Tau über die glatte Oberfläche gelegt. Das süße Gemisch innerhalb begann allmählich warm zu werden und die Kirsche, welche vorher noch perfekt auf dem kleinen Haupt Sahne gesessen hatte, versank erbärmlich in dem zuckrigen Schaum.

Zayn jedoch konzentrierte sich voll und ganz auf das Buch in seinen Händen. Ihm schien, als würde er schon zum zehnten Mal versuchen, die Seite zu lesen, denn immer wieder drifteten seine Gedanken ab oder ließen sich übertönen von den lebhaften Gesprächen einiger Gäste.

So langsam machte es ihn verrückt und er ließ einen frustrierten Seufzer seinen Lippen entweichen.

Die Ladentür öffnete sich. Ein neuer Gast.

Zayn starrte auf die bedruckte Seite, doch bevor er es endlich schaffte, sie erfolgreich zu lesen, setzte sich jemand zu ihm.

Zayn sah auf und blieb still. Diesmal spürte er sein Herz. Er spürte, wie es wild begann zu toben und zu brechen zugleich.

Seine Finger strichen behutsam über die Seitenkante des Buches und langsam klappte er es zu, ließ dabei jedoch seinen Finger an der gerade gelesenen Stelle.

Sein Lippen waren trocken, sein Hals kratzte.

Vor Zayn saß er - Niall.



numb  › ziallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt