☍ Five

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"Sag mal, musst du nicht nach Hause?", Zayn war gerade dabei, dem Blonden zu schildern, wie lustig es doch aussähe, wann immer sein Freund Harry Milch die Nase hochzog, doch Niall schnitt ihm mittendrin das Wort ab. Der Blonde schien nicht annähernd so begeistert von der Idee, Milch in der Nase zu haben, doch der Schwarzhaarige konnte sich kaum noch halten. Kaum hatten diese Worte die schmalen Lippen des Jüngeren verlassen, hielt Zayn inne. Sein amüsiertes Lachen verstummte und das breite Grinsen war wie im Nichts verschwunden.

"Ich- Ja, schon, aber ich bin ja jetzt kein Kleinkind mehr. Ich darf auch etwas länger weg bleiben.", nur unsicher sprach der Schwarzhaarige diese Worte aus und fummelte währenddessen an den Ärmeln seiner dunklen Jacke herum. Er hatte doch nur versucht, dem Alleingänger etwas Gesellschaft zu leisten.

"Und was habe ich damit zu tun?", es erschrak den Dunkelhaarigen beinahe, wie viel Mumm doch tatsächlich in dem Jüngeren steckte. Nie zuvor hatte er ihn so selbstbewusst erlebt - nunja, zumindest was die Zeit betraf, in der sich der Blonde so verändert hatte. Zayn hätte vielleicht mit unsicherem Stottern gerechnet oder einem nervösen Blick, doch die blauen Augen des kleineren bissen sich spürbar in den braunen des Anderen fest. Sein Blick wirkte kalt. Wie Eiswürfel an einem heißen Sommertag. Oder so ähnlich.

"Ich wollte dir nur etwas Gesellschaft leisten. Du bist immer so-"

"Allein?", Niall schnitt ihm erneut das Wort ab.

"Ja, allein.", antwortete Zayn nun ruhiger als zuvor.

"Ich bin gerne allein.", der Blick des Blondes wanderte durch die Gegend. Selbst wenn die beiden noch nie zuvor wirklich mit einander geredet hatten, konnte der Schwarzhaarige sicher sein, dass dies eine Lüge war. Klar, jeder ist gern mal für sich, aber auf Dauer kann das einfach nicht gut sein. Jeder braucht ein wenig Liebe. Ohne Liebe wäre diese Welt nur schwarz und grau und langsam würde jegliche Farbe und Freude verblassen, wie bei alten Gemälden, dessen Töne allmählich ihre Intensität verlieren.

"Das glaube ich dir nicht.", mit skeptischen Blick sah Zayn nun zu dem Jüngeren neben sich, welcher ihn jedoch um keines Blickes würdigte.

"Das brauchst du auch nicht.", er zuckte gleichgültig mit seinen Schultern, bevor er begann, schneller zu laufen. Seine verdreckten schwarzen Sportschuhe trugen ihn über grünes, feuchtes Gras und der Schlamm hing sich wie Sekundenkleber an seine weißen Sohlen. Zayn stand nur da und sah ihm hinterher. Den Weg, den der Blonde ging, schien in keine Siedlung zu führen geschweige denn in irgendeinen Stadtteil.

"Wo gehst du hin?", immer noch wie versteinert rief der Dunkelhaarige dem Anderen hinterher, während dieser die weite Wiese überquerte. Doch eine Antwort bekam er nicht.

"Wenn ich mich nicht irre, ist hier nicht ein einziges Haus in der Nähe.", Völlig außer Atem trottete Zayn dem Jüngeren nun hinterher und seine Augen durchforsteten die leere Gegend. Die Kälte schlug ihm hin und wieder peitschend ins Gesicht und mit verkrampften Griff zog er seine Jacke enger an seinen schmalen Körper. Niall wiederum lief einfach stur weiter. Nicht ein einziges Mal drehte er sich um oder öffnete gar seinen Mund.


"Niall?", nach einer Weile voller Ruhe und betroffenem Schweigen traute sich Zayn wieder etwas zu sagen und diesmal drehte sich der Blonde zu ihm. Sein Gesicht war nur Zentimeter von dem des Älteren entfernt und doch musste er etwas nach oben sehen.

"Was?", harsch verließen diese drei Buchstaben seine schmalen Lippen und unschuldig hob Zayn nun seine Hände, welche um einiges größer als die des Jüngeren waren.

"Ich wollte nur fragen, wo wir hingehen.", als der Schwarzhaarige dies äußerte, verengten sich die blauen Augen des Blonden zu kleinen Schlitzen und seinen Zeigefinger presste er gegen die muskulöse Brust des Anderen.

"Wir? Wir?! Ich habe dich nie eingeladen, irgendwo mit mir hin zugehen, richtig?", die Ärgernis in Nialls Stimme schien Zayn ein für alle Mal die Sprache zu verschlagen und stumm musterte er den Kleineren. Er hätte dem Blonden den Finger brechen können, wenn nicht sogar andere Körperteile und er wusste, er war dem Jüngeren überlegen. Dennoch zeigte er Respekt, denn Niall hatte Recht. Zayn war derjenige gewesen, der ihm hinterher gegangen war ohne auch nur nach Erlaubnis zu fragen. Er war es gewesen, welcher für die Wut des anderen Jungen verantwortlich war. Die Schuld lag ganz allein auf seiner Seite.

"Jetzt lass' mich allein. Ich will meine Ruhe.", verbittert senkte Niall seinen Blick und seine Stimme klang um einiges brüchiger. Er wusste sich doch nicht anders zu helfen. Sein gesamtes Leben war er nun allein gewesen. Es war der absurdeste Gedanke geworden, dass sich jemand tatsächlich für ihn interessierte. Geschweige denn kostbare Zeit an ihn verschwendete.

"Wenn du mal nicht ganz so allein sein willst, kannst du gern zu mir kommen.", trotz Nialls Abfuhr lächelte Zayn dem Jüngeren warm zu. Und auch wenn er kein Lächeln zurück bekam, ging er mit einem guten Gefühl zurück. Seinen Rücken wandte er leise dem Anderen zu und mit schweren Schritten und den Händen in beider seiner Hosentaschen trottete er die feuchte Wiese entlang. Seine Sohlen sackten etwas in dem modrigen Schlamm ein und seinen Kopf ließ er geknickt hängen. Doch seine vollen Lippen trugen ein minimales, kleines Lächeln.

Er wusste, Niall hatte eine harte Schale, die erst einmal zu knacken war, bevor sein wahres Ich ans Licht kam. Und ebenfalls sicher war er sich in der Tatsache, dass dies verdammt viel Zeit in Kauf nehmen würde. Doch er war dazu bereit.

Um jeden Meter, den sich der Schwarzhaarige von dem Jüngeren entfernte, kam das Gefühl von Kälte und Einsamkeit zurück und wie eine schwarze, dunkle Decke schien sich die Trauer wieder über seinen kleinen, schmalen Körper zu stülpen. Mit trauerndem Blick sah er zu, wie der Ältere sich Schritt für Schritt mehr von ihm trennte und wie aus letzter Kraft begann er urplötzlich nach ihm zu rufen.

"Zayn!", verwundert hob der Ältere nun seinen Kopf.

"Geh' nicht.", es klang beinahe wie ein schwaches Flehen und stocksteif verharrte der Blonde an seiner Stelle, während sich Zayn nun vollständig zu ihm umdrehte. Sie waren nicht weit von einander entfernt und doch schien der Abstand erdrückend lang.

Niall wusste nicht, was ihn zu alledem trieb. Er war doch gern für sich. Unter der dicken Eiche, während er ein weiteres Buch las und nur die Vögel es waren, die die Stille hier oder dort brachen. Warum also wollte er, dass ausgerechnet der Junge bei ihm blieb, den jeder an seiner Schule liebte? Den er nur durch wage Erzählungen kannte. Den er doch eigentlich aufgrund seiner Anhänger hasste.

"Bitte.", nur noch ein leises Hauchen entwich den rosigen Lippen des Blonden, bevor ihm die Stimme fehlte, weiter zureden. Eine kleine, brennende Träne rann seine weichen Wangen entlang und ohne weiter nachzudenken, was richtig wäre oder falsch, ließ Zayn seinen Rucksack fallen und rannte die Meter, die die beiden noch von einander trennten, auf den Jüngeren zu. Im nächsten Moment hielt er die fragile Figur der Blonden schon in seinen Armen und leise weinte dieser in seine Brust.

"Du bist nicht mehr allein. Ich bin jetzt hier. Du wirst nie wieder allein sein."


numb  › ziallWhere stories live. Discover now