Kapitel 30

1.1K 31 0
                                    

Marie

Nach dem Wochenende mit Wincent fiel es mir extrem schwer, mich wieder auf mein Studium zu konzentrieren. Ich schwebte einfach auf meiner rosa Wolke und konnte noch immer kaum glauben, dass Wincent und ich jetzt wirklich ein Paar waren. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben in einer Beziehung und allein schon der Gedanke daran ließ mich grinsen wie eine Bekloppte. Dadurch wunderte es mich auch nicht, dass ich in der darauffolgenden Woche fast nichts von meinen Aufgaben für die Uni schaffte, wenn ich nachmittags an meinem Schreibtisch saß, sondern stattdessen ständig Wincents Gesicht vor Augen hatte und in meinen Tagträumereien versank. Doch leider würden wir uns wahrscheinlich erst zum Ende seiner Tour wiedersehen, wenn ich dann bei den letzten vier Konzerten dabei sein würde. Denn vorher war sein Terminkalender ziemlich vollgepackt mit den letzten Bandproben, organisatorischen Terminen und den Aufzeichnungen einiger Fernsehshows, wie er mir erzählt hatte. Außerdem wollte er vor der Tour unbedingt nochmal einige Tage bei seiner Familie verbringen, was ich ihm natürlich nicht übelnahm. Er sollte sich auf keinen Fall zwischen seiner Familie und mir entscheiden müssen. Und so versuchten wir wenigstens jeden Tag zu schreiben oder telefonieren, während wir uns beide auf unser Wiedersehen in einigen Wochen freuten.
Nach ein paar Tagen gelang es mir dann auch wieder, meinen Fokus auf die Uni zu legen und mich damit auch ein Stück weit abzulenken und mir die Zeit bis Ende November zu vertreiben. Natürlich sorgten auch meine Mädels dafür, dass ich Wincent nicht allzu sehr vermisste. Wobei die Uni allein das auch schon gut schaffte, denn es gab genug zu tun, vor allem für mich, da ich ja etwas vorarbeiten wollte, um mich dann ganz entspannt auf Wincent und das Tourleben einlassen zu können.
Ich kam dann auch ganz gut voran und es entwickelte sich zu einer gewissen Routine, jeden Abend zur Belohnung mit Wincent zu telefonieren, soweit es bei ihm denn zeitlich passte. Und allein das motivierte mich enorm, denn er wollte jedes Mal bis ins kleinste Detail wissen, wie es in der Uni lief und was ich denn gerade so alles lernen musste. Ich war mir sicher, dass er nicht mal die Hälfte verstand von dem, was ich ihm mit unzähligen Fachbegriffen erzählte, aber er beschwerte sich nicht und hörte einfach nur gespannt zu.
So verging dann die Zeit bis zum Tourstart und Wincents Vorfreude stieg ins Unermessliche. Als es dann endlich soweit war und das erste Konzert kurz bevorstand, rief ich ihn nochmal an und wünschte ihm viel Spaß auf der Bühne und später beim Meet & Greet. Ich freute mich so für ihn, dass er endlich wieder live spielen und seine Fans glücklich machen konnte. Und noch mehr freute ich mich darauf, wenn ich in zwei Wochen auch dabei sein und ihn in seinem Element sehen würde.
 
Doch dann passierte etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Einer meiner Profs, in dessen Fachrichtung ich in den letzten Semesterferien ein Praktikum gemacht hatte, kam auf mich zu und machte mir ein richtig gutes Angebot für eine Doktorarbeit. Völlig überrumpelt wusste ich gar nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Denn einerseits wollte ich wirklich gerne während des Studiums meine Doktorabriet schreiben, aber andererseits passte das gerade nicht so richtig in mein Leben, jetzt wo ich möglichst viel Zeit mit Wincent verbringen wollte. Ich war hin- und hergerissen und bekam glücklicherweise einige Tage Bedenkzeit, die ich auch ausnutzte. Noch vor ein paar Wochen hätte ich da gar nicht weiter überlegt, denn es war ein spannendes Thema in einer meiner absoluten Wunschfachrichtungen und ich könnte die Arbeit neben den Studium schreiben, ohne ein Urlaubssemester dafür nehmen zu müssen. Besser ging es eigentlich gar nicht. Allerdings gab es mit Wincent jetzt jemanden in meinem Leben, mit dem ich gerne Zeit verbringen wollte und für den ich mir auch Zeit nehmen musste, wenn ich wollte, dass das längerfristig was wird. Und ich wollte nichts mehr als das. Also musste ich mir wirklich gut überlegen, was ich nun machen würde. Ich sprach auch mit Lena und den anderen Mädels darüber, doch sie meinten letztendlich nur, dass sie mir da nicht reinreden würden und ich auf mein Bauchgefühl hören sollte. Wincent wollte ich damit nicht nerven, der war mit seiner Tour gerade genug beschäftigt. Also machte ich es mal wieder mit mir selbst aus und bevor ich mich versah, hatte ich einige Tage später meinem Prof per Mail eine Zusage geschickt. Letzten Endes hatten die Argumente für die Doktorarbeit doch überwogen und ich wollte wenigstens probieren, alles unter einen Hut zu kriegen, denn so ein Angebot würde ich wohl kein zweites Mal erhalten.
Ich beschloss, Wincent davon zu erzählen, als wir an einem seiner Off-Days endlich mal wieder miteinander facetimten und nicht nur kurz vor oder nach dem Konzert telefonierten. Sowas sollte man nicht zwischendurch mal schnell besprechen. Ich hoffte nur, er würde nicht allzu sauer sein, dass ich dann bald noch mehr zu tun hatte und unsere eventuelle gemeinsame Zeit aufs Spiel setzte. Während Wincent also in einem riesig großen Hotelbett lag und verschlafen, aber glücklich in die Kamera blickte, saß ich auf meiner Couch und überlegte, wie ich mit dem Thema anfangen sollte. Dabei hörte ich gespannt Wincents Erzählungen der letzten Tage zu und es war einfach so schön, ihn so glücklich und zufrieden zu sehen. „… Aber jetzt will ich auch wissen, was bei dir so los war die letzten Tage. Gab es irgendwas Wichtiges in der Uni?“, wollte er dann von mir wissen und sah mich auffordernd durch die Kamera an. „Ja ehrlich gesagt gibt es da wirklich Neuigkeiten…“, fing ich erstmal vorsichtig an, „Ich hab‘ von einem meiner Profs ein Angebot für eine Doktorarbeit bekommen und hab es angenommen.“ So jetzt war es raus. Gespannt schaute ich auf mein Handy und wartete auf Wincents Reaktion. Er schaute einen Moment ungläubig, bevor er zu einer Antwort ansetzte: „Wie jetzt? Du fängst wirklich jetzt an, eine Doktorarbeit zu schreiben?“ Er blickte immer noch verwirrt in die Kamera und ich wurde etwas unsicher, hatte ich doch gehofft, er würde sich wenigstens etwas für mich freuen. „Also versteh‘ mich bitte nicht falsch, Marie. Ich freu mich wirklich für dich und bin auch mega stolz darauf, dass ich meine Freundin dann bald mit Frau Doktor ansprechen darf, aber nimmst du dir da nicht etwas zu viel vor? Du hast doch sonst auch schon immer so viel für die Uni zu tun…“ „Ja, da hast du schon recht. Aber ich will es wenigstens probieren, so eine Chance bekomme ich sicher nicht so schnell wieder…“, versuchte ich ihm meinen Standpunkt klar zu machen. „Und übrigens: auch wenn ich diese Arbeit jetzt schon schreibe, du darfst mich trotzdem erst mit Frau Doktor ansprechen, wenn ich offiziell mein Studium abgeschlossen habe“, grinste ich ihn frech an, um die Stimmung wieder ein bisschen aufzulockern. Das funktionierte auch ganz gut, denn er fing auch leicht an zu lächeln, bevor er antwortete: „Okay gut, du wirst das schon machen. Aber versprich mir bitte, dass du dich damit nicht übernimmst und dass du trotzdem noch Zeit für mich hast…“ Also hatte er doch Angst, dass ich ihn vernachlässigen würde. „Wincent, für dich werde ich mir immer Zeit nehmen. Wenn das alles doch zu viel werden sollte, würde ich eindeutig eher die Arbeit an meinem Doktortitel aufgeben, als das zwischen uns“, stellte ich klar und sofort bekam ich sein strahlendes Lächeln zu sehen. „Okay, das beruhigt mich. Auch wenn ich mir sicher bin, dass du nichts so schnell aufgeben wirst, wenn du einmal angefangen hast.“ Damit hatte er nicht ganz unrecht. Wenn ich mir erstmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab ich es normalerweise nicht allzu schnell wieder auf. Wir redeten dann noch eine Weile, bevor Wincent schließlich wieder losmusste und wir uns voneinander verabschiedeten. Zumindest bis zum nächsten Konzert. Denn es war mittlerweile zur Routine geworden, dass ich ihn vor jedem Konzert kurz anrief und ihm viel Spaß auf der Bühne wünschte. Und in nicht mal einer Woche würden wir uns ja endlich wiedersehen, denn dann durfte ich auch mal ein bisschen Tour-Luft schnuppern.

Seit du bei mir bist, bin ich wieder ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt