Kapitel 118

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Marie

Wincent stand in Shorts und mit nacktem Oberkörper neben einigen anderen Leuten an der Außenseite eines Brückengeländers über der Isar und auf Kommando sprangen sie alle mit Rückwärtssalto von der Brücke in den Fluss. Ich konnte es nicht glauben und sah mir die Story noch ein paar Mal an, bevor ich diese in einer Kurzschlussreaktion mit den Worten > Sag mal, bist du bescheuert?! Wie kannst du so leichtsinnig sein?! < an meinen Freund schickte und mir auch die restlichen Videosequenzen noch ansah. Und als würde der Schock der vorherigen Story noch nicht reichen, brachte er mich in der nächsten direkt noch mehr auf die Palme! Da stand er einfach noch immer oberkörperfrei und mit relativ tiefsitzender Badeshorts zwischen zwei super schlanken, blonden Frauen in viel zu knappen Bikinis, die ihn offensichtlicher nicht anschmachten konnten. Dazu grinste er noch völlig zufrieden in die Kamera und hatte beiden einen Arm um die Schultern gelegt, während er in der einen Hand ein Bier hielt. In mir begann es zu brodeln, was sollte die Scheiße?! Statt sich wenigstens mal kurz bei mir zu melden, verbrachte er seinen freien Tag also lieber mit anderen Frauen, die ihn anhimmelten, und flirtete mit ihnen.

Natürlich hatten diese Stories auch bei den Fans schon die Runde gemacht und die Reaktionen darauf ließen mich auch absolut nicht ruhiger werden. Ich hatte mal wieder mehrere neue Nachrichtenanfragen und wurde in einigen Beiträgen markiert, die ich gerade auch nicht einfach ignorieren konnte. Ich klickte also auf einen der unzähligen Reposts dieser Videos und las mir die Kommentare durch:

> Ist der irre?! Also manchmal setzt sein Hirn schon auch aus, oder? <

> Haha geil! Da kriegt wohl jemand nicht genug Adrenalin auf Tour! Feier ich! <

> Was wohl seine Freundin dazu sagt, dass er mit anderen Frauen unterwegs ist und so mit ihnen auf Tuchfühlung geht? <

> Ist er nicht mehr mit Marie zusammen? <

> Welche der beiden ist denn jetzt seine Neue? Oder hat er mit beiden was am Laufen? <

> Na so eine Überraschung aber auch... war doch klar, dass er an dieser Marie bald das Interesse verliert, die ist viel zu langweilig für ihn... <

Und noch so einiges weitere durfte ich da mal wieder lesen. Super, und schon waren die nächsten Gerüchte entstanden. Ich war gerade echt richtig sauer auf Wincent und das wollte ich ihn jetzt auch spüren lassen! Wütend leitete ich ihm auch diesen Beitrag weiter und pfefferte noch ein paar Zeilen hinterher: > Danke Wincent! Gerade hatten sich alle halbwegs beruhigt und mit mir an deiner Seite abgefunden, da kommst du mit so 'ner Scheiße und heizt die Gerüchteküche wieder komplett von vorne an! <

Und bevor ich in meiner Mischung aus Angst, Wut, Enttäuschung und eventuell einer kleinen Prise Eifersucht, die ich mir allerdings nicht eingestehen wollte, noch etwas total Unüberlegtes tat, schloss ich Instagram dann und legte mein Handy beiseite. An Lernen war nun natürlich erst einmal nicht zu denken, dafür war ich viel zu aufgewühlt. Ich entschied mich also für etwas, was ich sonst nie tat: ich kramte meine Sportklamotten aus der hintersten Ecke meines Schranks und zog sie an, bevor ich mir Schlüssel, Handy und Kopfhörer schnappte und eine Runde joggen ging. Mit den Jungs von Linkin Park auf den Ohren powerte ich mich richtig aus, was bei meinem aktuellen Trainingszustand allerdings auch nicht allzu schwer war. So konnte ich wenigstens noch ein bisschen Zeit totschlagen und meine Wut und Enttäuschung irgendwo rauslassen.

Als ich später frisch geduscht wieder an meinem Schreibtisch saß und versuchte, mich wieder aufs Lernen für die nächste Prüfung zu konzentrieren, klingelte irgendwann dann doch noch mein Handy und zeigte mir einen eingehenden Facetime-Anruf von Wincent an. Ach, hatte der werte Herr sich doch mal wieder erinnert, dass es mich auch noch gab? Kurz überlegte ich, gar nicht erst ranzugehen und ihn wegzudrücken. Aber da ich ganz genau wusste, dass ich keine Ruhe finden würde, wenn ich das jetzt tat, gab ich mich doch geschlagen und nahm den Anruf an. Hätte ich allerdings gewusst, in welchem Zustand sich mein Freund befand, hätte ich es genauso gut lassen können. Schon an seinem Grinsen erkannte ich, dass es an diesem Nachmittag nicht bei dem einen Bier geblieben war und er stockbesoffen war. „Hallo, schöne Frau...", begrüßte er mich und ich hatte Mühe, ihn zu verstehen. Doch ich konnte jetzt nicht auf heile Welt machen und fiel direkt mit der Tür ins Haus. „Das kannst du dir sparen! Hast du sie eigentlich noch alle? Was zur Hölle hat dich zu der Aktion heute geritten?!", ging ich ihn direkt an und merkte schon, wie meine Wut wieder in mir brodelte. „Hä? Was denn? Ich hatte doch nur 'nen entspannten Tag mit Freunden...", lallte er und grinste weiterhin so dämlich vor sich hin. „Spinnst du? Oder willst du es nicht verstehen, wie gefährlich diese Aktion war?! Mal ganz abgesehen von den Gerüchten, die du so ganz nebenbei wieder in die Welt gesetzt hast!", pfefferte ich ihm sauer entgegen. „Ey, chill mal! So schlimm war das alles nun auch nicht... lass mich doch auch einfach mal ein bisschen Spaß haben...", erwiderte er nur und ich merkte, dass diese Diskussion gerade absolut keinen Sinn hatte. Dazu war er viel zu betrunken und realisierte rein gar nicht, wie dieser Sprung hätte enden können. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nur diesen einen gesehen hatte, mir aber ziemlich sicher war, dass es nicht bei diesem einen geblieben war. Mehr als heilfroh zu sein, dass keines dieser ganzen Szenarien in meinem Kopf passiert war und er nun heil zurück in der WG war, konnte ich wohl gerade einfach nicht erwarten. „Ganz ehrlich, Wincent? Darüber reden wir nochmal, wenn du wieder nüchtern und aufnahmefähig bist! Gerade bringt das alles eh nichts... Meld dich, bevor du morgen zur nächsten Location losfährst. Und vielleicht solltest du bis dahin auch wieder zurechnungsfähig sein...", meinte ich nur genervt, was nun auch ihn etwas aus der Reserve lockte. „Man Marie, reg dich bitte nicht so auf. Ich weiß schon, was ich tue!", sagte er nur noch, bevor wir uns ziemlich knapp voneinander verabschiedeten und ich mein Handy dann einfach weglegte. Ich wollte heute nichts mehr von dem ganzen Kram sehen!

Ich widmete mich dann doch wieder meinen Büchern und auch, wenn ich mich noch immer ziemlich über Wincent ärgerte, schaffte ich es irgendwie, mich auf den Lernstoff zu konzentrieren und noch einiges abzuarbeiten an diesem Abend. Ich würde ihm einfach morgen nochmal meine Meinung zu der ganzen Sache sagen und hoffen, dass er dann vielleicht etwas einsichtiger reagieren und in Zukunft mal etwas mehr nachdenken würde vor solchen unüberlegten Handlungen! Das würde mir wohl einige Nerven ersparen, die ich sonst verlieren würde, wenn ich ständig Angst um ihn haben musste wegen solcher Aktionen! Aber das würde ich versuchen, ihm morgen klarzumachen. Für heute verbannte ich all diese Gedanken aus meinem Kopf und versuchte mich zu entspannen. Dass natürlich auch die Stories mit den beiden Frauen noch immer in meinen Gedanken umherspukten und ständig wieder vor meinem inneren Auge auftauchten, machte es mir aber auch nicht unbedingt leichter. Was musste er auch so mit denen flirten? Ich wusste ja eigentlich, dass ich keinen Grund zur Eifersucht hatte, und eigentlich war ich es ja sonst auch nicht, aber das war mir irgendwie doch zu viel. Zwei blonde Frauen mit toller Figur in super knappen Bikinis, die sich so unverhohlen an meinen Freund ranmachten, gingen dann eben doch zu weit! Da würde doch auch keine andere Frau locker bleiben! Und dass Alkohol ja bekanntlich die Hemmschwelle senkte, tat sein Übriges dazu und sorgte nicht unbedingt dafür, dass ich in dieser Nacht ruhig und entspannt schlafen konnte.

Seit du bei mir bist, bin ich wieder ichWhere stories live. Discover now