Prolog

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Ich weiß noch ganz genau, wie der Tag war, an dem mich die Box hierher gebracht hat.
Ich erwachte in völliger Dunkelheit. Alles war ruhig, es war nicht ein Geräusch zu hören. Die Stille erschien unnatürlich und legte sich wie eine Decke über meine Ohren. Der Untergrund auf dem ich lag war hart und unbequem. Ich klopfte mit den Fingerknöcheln leicht dagegen. Das Geräusch hallte laut in der Stille und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Der Boden schien aus Metall zu sein. Ich drehte mich auf den Rücken und streckte langsam die Arme nach oben. Ich stieß gegen kein Hindernis. Daraus schloss ich, dass ich mich aufsetzen konnte, ohne mit dem Kopf gegen die Decke zu stoßen. Ich wünschte ich könnte etwas sehen. Wo war ich? Wie war ich hier gelandet? Ich richtete mich langsam weiter auf, die Hände über meinem Kopf, damit ich mir nicht den Kopf stieß. Ich stand aufrecht, meine Hände berührten kein Hindernis. Die Decke musste also bedeutend höher sein, wie ich anfangs vermutet hatte.
Vorsichtig ging ich nach rechts und versuchte eine Wand zu finden. Irgendetwas an dem ich mich entlang tasten konnte. Vielleicht würde ich ja eine Tür oder so etwas finden. Zumindest würde ich gerne abschätzen können, wie groß der Raum war, in dem ich mich befand. Doch so weit kam ich nicht. Mit einem Ruck begann der Boden sich unter mir zu bewegen. Ein Surren und Klirren ersetzte die Stille, die zuvor geherrscht hatte. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Mein Kopf prallte gegen etwas hartes. Der Schmerz lähmte mich für eine Sekunde.
"Verdammt.", fluchte ich.
Wo auch immer ich war, der Raum bewegte sich. Nach oben. Plötzlich wurde es heller. Metallstäbe umgaben mich. Ich war in einer Art Käfig. Das kaltweiße Licht kam von kleinen Lampen an der grauen Betonwand, die ich durch die Stäbe sehen konnte. Wo zur Hölle war ich hier? Um mich herum standen verschiedene Kisten. Alle hatten "ANGST" in großen schwarzen Buchstaben eingraviert. Ich rappelte mich auf und drehte mich um. Auch hinter mir war alles voller Kisten. Ich sah über mich. Auch dort war nur ein Gitter. Ich wollte schreien, in der Hoffnung das mich jemand hören würde, doch ich wusste das es keinen Sinn hatte. Ich war von Wänden umgeben und ganz offensichtlich alleine.
Der Käfig raste immer weiter nach oben und so langsam konnte ich ein Ende erkennen. Über mir befand sich eine graue Platte, die schnell näher kam. Der Käfig wurde jedoch nicht langsamer. Wenn er mit dieser Geschwindigkeit auf die Platte traf, würde er alles zerquetschen, was sich in ihm befand. Inklusive mir.
"Stop! Stop! Stop!", schrie ich, in Panik. Ich wusste das mich niemand hörte, denn der Käfig behielt seine Geschwindigkeit bei. Ich machte mich so klein wie möglich und schloss die Augen. Ich wusste noch nicht einmal wieso ich hier war und jetzt sollte ich sterben?
Doch ganz plötzlich stoppte der Käfig. Ich hob langsam den Kopf und sah nach oben. Das Gitter war nur wenige Zentimeter von der grauen Platte entfernt. Ich war nicht tot. Der Käfig hatte angehalten. Ich wiederholte diese Sätze ein paar Mal in meinem Kopf. Trotzdem beruhigte es mich nicht. Ich zitterte am ganzen Körper.
Etwas begann leise zu surren und wurde immer lauter. Hektisch sah ich mich um. Was würde jetzt geschehen? Würde das ganze Gerüst einfach in die Tiefe stürzen? Die graue Platte über mir bewegte sich. Sie teilte sich in zwei Hälften von der jeweils eine rechts und eine links im Boden verschwanden. Sonnenlicht fiel in den Käfig. Geblendet schloss ich die Augen. Ich hörte sie, bevor ich sie sah.
Männliche Stimmen. Viele Männer, die sich miteinander unterhielten. Langsam drehte ich den Kopf wieder in Richtung der Sonne. Um die Öffnung im Boden standen mindestens 20 Personen. Sie sahen auf mich hinab. Jeder sagte etwas, aber keiner sagte etwas zu einem anderen. Als würden alle mit sich selbst sprechen.
"Ein Mädchen?"
"Wieso das denn?"
"Sie ist..."
"Wir sollten sie rausholen."
"Oh ein neuer Fr..."
Alle sprachen durcheinander und ich konnte nur wenige Worte verstehen. Ich versuchte die Personen im Einzelnen zu betrachten. Sie waren jünger als erwartet, vielleicht so um die 15 Jahre alt. Ihre Kleidung war schmutzig, die Haare ungeschnitten und ihre Gesichter waren zu verwirrten Mienen verzogen.
Ich wollte etwas sagen, bekam aber kein Wort heraus. Ein Junge sprang auf das Gitter. Es krachte laut und ich zuckte zusammen. Dann klappte er die andere Seite nach oben und sprang zu mir in den Käfig. Die Panik von vorhin kam wieder und ich ruschte so schnell es ging von ihm weg und drückte mich in die hinterste Ecke des Käfigs. Der Junge hob die Arme.
"Ich habe nicht vor dir wehzutun Frischling.", sagte er. Seine Stimme war erstaunlich tief dafür das er so jung aussah. Er hatte dunkle Haut und trug ein weißes Shirt und eine schwarze Cargo Hose.
Wie hatte er mich genannt? Frischling?
Meine Kehle war immer noch wie zugeschnürt.
"Ich weiß das das hier verwirrend ist, aber wir müssen dich jetzt aus der Box rausholen damit wir an die Kisten herankommen." Der Junge kam einen Schritt näher. "Wir haben heute noch einiges zu tun." Wieder kam er einen Schritt näher. Mein Rücken tat weh, so fest presste ich mich an die Stäbe.
"Na los. Du willst doch bestimmt ein wenig an die frische Luft." Er stand vor mir und streckte mir seine Hand entgegen. Ganz langsam hob ich meine zitternde Hand und legte sie in seine. Kurz darauf hatte er mich auf die Füße gezogen.
"Na das ist doch schonmal ein Anfang.", meinte der Junge und fügte dann hinzu:"Mein Name ist übrigens Alby."
Kurz darauf zog ich mich am Rand der Box hoch und saß in weichem Gras. Ich richtete mich auf, um mich umzusehen, doch ich war von Jungs umgeben. Sie standen um mich herum, sahen mich an. Manche murmelten immer noch vor sich hin. Andere standen so nah, dass ich ihre Körperwärme spüren konnte. Ich drehte mich im Kreis, doch alles was ich sehen konnte waren die Gesichter der Jungen. Angst bereitete sich in meinem Körper aus und ich hatte das starke Bedürfnis wieder in den Käfig zu springen. Wer waren diese Jungen? Wo waren wir hier? Wieso sahen alle so verloren aus?
"Hey. Lasst ihr doch mal Luft zum atmen. Geht lieber euren Aufgaben nach." Ein Junge mit blonden Haaren drängte sich durch die Menge. Die meisten Jungs schubste er unsanft beiseite. Es schien zu wirken, der Kreis um mich herum wurde größer. Endlich hatte ich das Gefühl wieder freier atmen zu können.
"Na los. Macht euch nützlich.", rief der Junge erneut. Langsam begann einer nach dem anderen zu gehen. Die meisten sprangen in den Käfig und ich konnte hören, wie sie die großen Kisten hin und her bewegten.
"Alles klar Frischling?" Der Blondschopf sah mich mit seinen dunklen braunen Augen abwartend an. Er war ungefähr so groß, wie ich, ziemlich dünn. Seine Arme jedoch waren kräftig und man konnte die Adern durch die helle Haut sehen. So als würde er hart arbeiten, aber wenig essen.
"Ja.", antwortete ich leise. Meine Stimme war heiser, so als hätte ich tagelang nicht gesprochen.
„Gut. Übrigens mein Name ist Newt. Willkommen auf der Lichtung." Mit diesen Worten drehte er sich um und ging dann zu den anderen und half ihnen die Kisten zu tragen. Ich sah ihm hinterher und dabei fiel mein Blick auf die Umgebung. Ich stand auf einer großen Wiese. Ich konnte einen Wald sehen, selbst gezimmerte Hütten und eine Sandgrube. Doch was mich mehr interessierte, waren die Mauern. Sie bestanden aus grauem Stein und umgaben die Wiese einmal komplett. Sie waren riesig, vermutlich an die hundert Meter hoch. Efeu wuchs an ihnen hinauf.
Ich erinnere mich an das Gefühl, als ich die Mauern betrachtete. Ich fühlte mich eingesperrt, trotz der geöffneten Tore. Es war als hätte irgendetwas in mir bereits gewusst, dass ich hier gefangen war.
Das war jetzt anderthalb Jahre her.

Lauf, solange du noch kannst [Maze Runner Fanfiction]Where stories live. Discover now