Gally als Anführer

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Wir planten die ganze Nacht. Wir waren uns sofort einig, dass Gally nicht mitkommen würde. Ein paar Lichter hatten sich auf seine Seite geschlagen. Es waren vor allem die Baumeister, aber überraschenderweise gehörte auch Winston zu den „Anhängern" von Gally. Wir mussten also planen, wie wir sie austricksen konnten. Sobald unsere Planung begonnen hatte, hatte sich in meinem Magen ein Knoten gebildet. Alle Lichter waren immer ein Team gewesen, wir waren eine Familie. Jetzt waren wir in zwei Gruppen gespalten. Als wäre es nicht genug, dass unser Zuhause zerfällt. Jetzt zerfielen auch noch wir.
„Euch ist bewusst, dass unser Plan nicht klappt, wenn Thomas nicht mitspielt?", gab Pfanne zu bedenken.
„Er wird mitspielen. Tommy will hier weg. Er hatte sich nicht eine Sekunde damit abgefunden hier zu sein.", sagte Newt.
Ich war schon vor längerem aus der Planung ausgestiegen. Mit einem Ohr hörte ich noch zu, doch um aktiv mitzureden war ich einfach zu müde. Das Adrenalin hatte meinen Körper verlassen und eine müde Hülle zurückgelassen. Ich saß einfach nur bei ihnen im Schneidersitz, den Kopf auf der Faust abgelegt und hörte zu.
„Wen weihen wir ein? Gally darf nichts davon erfahren."
Meine Augen waren zugefallen. Ich glaubte das Minho diese Frage gestellt hatte. Sie war traurig, aber berechtigt. Wir konnten nicht länger jedem hier trauen.
„Chuck und Teresa sind auf jeden Fall dabei. Vielleicht auch no..."
Hatte Newt das gesagt? Ich wusste es nicht. Obwohl ich es nicht wollte, wurden die Stimmen der Jungen leiser. Ich driftete mit meinen Gedanken ab. Weit weg von der Lichtung. Weit weg von all dem Horror der letzten Stunden und Tage.
Bis mich jemand zurückholte. Eine Hand hatte sich auf meinen Oberarm gelegt und schüttelte mich leicht. „Hey Marie." Obwohl die Stimme beruhigend und weich klang und auch die Hand an meinem Oberarm nur eine sanfte Berührung war, schreckte ich auf.
„Was?" Ich konnte nur wenige Sekunden weg gewesen sein, doch ich fühlte mich, als hätte ich mehrere Wochen im Tiefschlaf gelegen. Die Jungen betrachteten mich. Minho belustigt, Newt besorgt und Bratpfanne mitfühlend. Er war derjenige, der mich geweckt hatte.
Ich räusperte mich. „Tut mir leid. Ich bin wach."
„Nein, du hast recht. Wir sollten alle schlafen.", murmelte Newt und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. „Besser wird es eh nicht mehr."
„Aber vielleicht sollten wir uns eine Position suchen, in der wir nicht einfach umkippen können.", witzelte Minho. Ich streckte ihm die Zunge heraus, zu müde um die Neckerei zu erwidern.
Newt streckte mir die Hand hin und half mir auf die Füße. Dann machten wir vier uns auf den Weg zu den Schlafplätzen.
Es dämmerte zwar erst, trotzdem waren so gut wie alle Hängematten leer. Thomas lag im Bau, Chuck schlief davor auf der Wiese. Alle Hängematten von denen, die wir verloren hatten würden auch leer bleiben. Wo die restlichen Lichter waren wusste ich nicht. Selbst Gally war nirgends zu sehen, was mich gleichermaßen beunruhigte, wie beruhigte. Pfanne und Minho fackelten nicht lange und legten sich sofort hin. Ich ging weiter zu meiner Hängematte, setzte mich hinein und knüllte meine Jacke zu einem Kissen zusammen. Um mich herum, war alles leer. Ab sofort würde das auch so bleiben. In meiner Nähe hatten Clint und Zart gelegen. Ziemlich genau links und rechts von mir. Ich wollte nicht alleine sein.
„Newt?", fragte ich vorsichtig. Er war gerade auf dem Weg zu seinem Schlafplatz gewesen, blieb jetzt aber stehen und drehte sich um.
Ich nestelte an meinem Top herum. Ich war nervös und wusste nicht wieso. „Lass mich nicht allein."
Einfühlsam wie er war, wusste Newt sofort was mir durch den Kopf ging. Er überlegte nicht lange.
„Niemals.", antwortete er.
Während ich es mir bequem machte, legte er sich in Zarts Hängematte.
„Gute Nacht.", murmelte ich und kuschelte mich in den Stoff. Meine Augen fielen sofort zu. Trotzdem spürte ich Newts Blick auf mir. „Schlaf gut." Dann begann das Klicken. Laut, hoch, gleichmäßig. Die Namen der Toten wurden an der Wand durchgestrichen. Das war das letzte, was ich hörte, bevor ich in einen tiefen Schlaf glitt.

Jemand schüttelte mich. „Marie. Wach auf." Die Dringlichkeit in der Stimme ließ mich die Augen aufreißen. Es war unglaublich hell und ich brauchte ein wenig, bis meine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten. Es war Minho, der über mir stand und meine Schultern umfasst hatte.
„Was ist los?", fragte ich alarmiert.
„Es ist Gally. Er ruft alle zusammen."
Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen. „Wegen was?" Minho zuckte mit den Achseln. „Ich habe auf jeden Fall kein gutes Gefühl. Kannst du Newt wecken und ihr kommt dann nach? Ich halte Gally so lange bei Laune."
Ich nickte, woraufhin Minho sich auf den Weg zum Gehöft machte. Obwohl ich mehrere Stunden geschlafen hatte, war ich immer noch unglaublich müde. Ich setzte mich auf und sah zu Newt, der immer noch schlafend in der Hängematte lag. Sie schaukelte leicht hin und her. Als ich ihn betrachtete fiel mir auf, dass ich ihn noch nie wirklich schlafend gesehen hatte, geschweige denn das ich ihn einmal geweckt hätte. Bis auf diese eine Nacht...Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Jetzt war keine Zeit dafür. Ich stand auf und berührte Newt leicht am Unterarm. „Hey Newt." Er verzog kurz das Gesicht und schlug nach meiner Hand, als wäre ich eine lästige Fliege. „Newt, komm schon. Wir müssen los.", bat ich. Ich hasste es Leute zu wecken. Ich brachte es nie über mich sie zu schütteln und den Frieden ihrer Träume zu zerstören. Zum Glück hörte Newt auf sich zu wehren und schlug blinzelnd die Augen auf. „Marie..." , murmelte er, die Stimme war vom Schlaf noch ganz rau. Er begann zu lächeln.
„Wir müssen los." Mein Ton wurde dringlicher. Wie bei mir auch, funktionierte es und Newt setzte sich alarmiert auf. „Ist was passiert?"
„Gally ruft alle zusammen. Wir sollten jetzt wirklich gehen." Newt stand auf und streckte sich. Sein Rücken knackte laut. „Wegen was?"
„Keine Ahnung. Ich hoffe er ist zur Vernunft gekommen und merkt, wie wahnsinnig das alles ist."
Newt lachte kurz auf und auch ich musste mir eingestehen das es wohl doch nur Wunschdenken war.
Gemeinsam gingen wir zum Gehöft. Die anderen schienen ein wenig aufgeräumt zu haben. Zumindest waren die vielen Äste und Blätter, die abgerissen worden waren, auf einem Stapel gesammelt. Die ganzen Metallteile, welche die Griewer zurückgelassen hatten, waren auch verschwunden. Newt zog mich am Arm zur Seite, damit ich nicht in eins der Löcher trat, die durch die Spikes entstanden waren. Dankbar lächelte ich ihm zu. Die Baumeister hatten die Fenster des Gehöfts mit Brettern verschlossen. Als wir das Gebäude betraten, waren alle anderen schon dort. Sie hatten sich einfach irgendwo hingesetzt. Selbst die Hüter standen nicht wie üblich vorne, sondern waren einfach im Raum verteilt. Es waren so wenige. Der Raum war noch längst nicht voll. Jeder hatte mehr als genug Platz, um sich auszubreiten. Newt steuerte auf Minho zu und ich folgte ihm. Wir ließen uns neben ihm gegen die Wand sinken. Durch die Bretter vor den Fenstern, war es stickig und dunkel im Raum. Nur vereinzelt schaffte es Sonnenlicht durch die schmalen Schlitzen zwischen den Brettern. Gally stand alleine an der Ostwand, ganz genau dort, wo er auch gestanden hatte, als über Thomas Schicksal verhandelt worden war. Wieso hatte ich das ungute Gefühl, dass es dieses Mal so ähnlich ablaufen würde?
„Wir haben ein Problem.", begann Gally. Seine tiefe Stimme durchdrang die Stille des Raumes. „Die vergangene Nacht war ein Fehler, der sich nicht nochmal wiederholen darf." Mit Mühe schaffte ich es ein Schnauben zu unterdrücken. Ein Fehler? Ich war mir sicher das die Schöpfer das alles genau so geplant hatten. „Wir alle wissen, wer für diesem Fehler verantwortlich ist." Schon wurde meine Befürchtung Wirklichkeit. Newt neben mir wippte unruhig mit dem Fuß. Ich stieß mit meinem Knie gegen seins, woraufhin er in der Bewegung innehielt. „Thomas ist der Grund dafür das hier alles den Bach runter geht. Seitdem er auf der Lichtung ist, hat er sich mit dem Labyrinth angelegt." Gally pausierte kurz und blickte einmal in die Runde. Ich schloss die Augen und zwang mich tief durchzuatmen. „Dadurch hat er die Schöpfer herausgefordert und sie haben die Griewer geschickt."
„Du spinnst doch.", murmelte ich.
„Marie?" Gally sah mich herausfordernd an. „Willst du was sagen?"
Anscheinend hatte er über Nacht ein Supergehör entwickelt.
„Nein.". antwortete ich und krallte meine vor Wut zitternden Hände in den Stoff meines Tops. Gally reagierte nicht auf meine Antwort, sondern wandte sich einfach ab. „Wir alle haben letzte Nacht so viel verloren. Alles nur, weil Thomas sich nicht an Regeln halten kann." Ein paar Lichter begannen zustimmend zu murmeln. Ich verstärkte meinen Griff, bis ich das Gefühl hatte das der Stoff jede Sekunde reißen könnte. Newt betrachtete mich kurz von der Seite und begann dann mir über den Handrücken zu streichen. Entgegen meines Willens lockerte sich mein Griff ein wenig. Die Wut in meinem Bauch verschwand trotzdem nicht. „Wir müssen ihn bestrafen. Das wäre das, was Alby gewollt hätte." Bei der Erwähnung seines Namens, zuckten sowohl Newt, als auch Minho unmerklich zusammen. „Das wäre das, was alle die ihr Leben gelassen haben, gewollt hätten."
Das reichte. „Hör auf über sie zu reden.", zischte ich.
Gally wandte sich mir quälend langsam zu. „Wie bitte?"
„Du hast mich schon verstanden. Hör auf ihnen Worte in den Mund zu legen, die sie niemals gesagt hätten."
Minho legte seine Hand auf meine Schulter, um mich zu beruhigen, doch ich schüttelte sie ab.
„Niemand von ihnen hätte gewollt, was hier gerade passiert. Die Lichtung ist gespalten. Das wird sich nicht dadurch glätten lassen, dass wir Thomas bestrafen."
Gally verschränkte die Arme vor der Brust. „Natürlich, weil Thomas der Grund ist, wieso wir überhaupt in Gruppen gespalten sind."
Mein Puls pochte laut in meinen Ohren. Es kostete mich unglaublich viel Kraft nicht zu schreien. „Nein. Du bist der Grund. Du bist schuld. Anstatt zu versuchen eine gute Lösung für unser Problem zu finden, hast du einen Sündenbock gebraucht und gefunden." Im Raum war es totenstill.
„Thomas ist unsere Lösung. Sein Opfer wird die Griewer beruhigen und sie werden uns in Ruhe lassen. So wie es vorher war." Ich war mir sicher, dass ich mich verhört hatte.
„Opfer?"
Gally nickte ernst. „Wir opfern Thomas und dadurch werden wir unsere Ruhe haben." Die Lichter tuschelten aufgeregt miteinander.
„Du bist wahnsinnig.", stellte ich fassungslos fest. „Meinst du wirklich, dass Alby das so geregelt hätte? Oder Zart? Oder Clint? Meinst du irgendjemand von ihnen hätte das gewollt?" Ich trat einen Schritt näher zu Gally. „Du hast hier seit drei Jahren mit ihnen gelebt und trotzdem kennst du keinen von ihnen."
Newt wollte mich am Handgelenk zurückziehen, doch ich ließ ihn nicht. „Du hast die Gruppe gespalten, indem du sie dazu bringen wolltest, sich gegen Thomas zu stellen."
Gally schien Probleme damit zu haben, die Beherrschung zu behalten. „Thomas ist kein Teil der Gruppe.", brachte er schließlich mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Er steht an der Wand oder?", fragte ich. Gallys Fassade bröckelte. „Jeder Lichter steht an der Wand.", sagte ich, um Gally zu erinnern, was die Namen an der Mauer bedeuteten.
„Er hat die Regeln gebrochen.", erwiderte Gally nur. Es war unmöglich mit ihm zu diskutieren. Er war in seiner Angst festgefahren. Selbst jetzt konnte ich sie in seinen Augen sehen.
„Vielleicht, aber dafür hat er die Nacht im Bau verbracht. Erinnerst du dich?", mischte sich nun auch Minho ein.
Gally schnaubte. „Ein viel zu geringes Strafmaß. Alles nur, weil Newt kein Rückgrat hat."
Wie gerne wäre ich jetzt auf Gally zugestürmt und hätte ihm eine feste Ohrfeige verpasst. Vielleicht würde er ja dann mal wieder zur Besinnung kommen. Als hätte Newt meine Gedanken gelesen, umgriff er mein Handgelenk fester.
„Gally. Ihr kennt euch seit drei Jahren. Wie kannst du so etwas sagen?", fragte ich und versuchte noch nicht einmal meine Bestürzung über seine Worte zu verbergen. Gally antwortete nicht. Was hatte ich auch erwartet? Eigentlich hatte ich Gally wirklich gern gehabt. Plötzlich fühlte es sich so an, als hätten wir noch einen Lichter verloren. Newt zog an mir und diesmal ließ ich zu, dass er mich wieder neben sich an die Wand zog. Sein Gesicht war unbewegt, als hätte er Gally nicht gehört. „Lass es. Das ist verschwendete Zeit.", flüsterte er. Hilflos hörte ich weiter zu.
„Newt hat seine Aufgabe mir übertragen. Thomas wird geopfert, genauso wie Teresa." Wieso zog er Teresa da jetzt mit rein? Was hatte sie denn getan? Minho neben mir schüttelte fassungslos den Kopf. Gally erhob die Stimme, um über das Geflüster der anderen Lichter trotzdem gehört zu werden.
„Jeder, der sich auf ihre Seite schlägt, wird ebenfalls verbannt."

Lauf, solange du noch kannst [Maze Runner Fanfiction]Onde as histórias ganham vida. Descobre agora