Neue Namen

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Die Umgebung war in orangenes Licht getaucht. Der Schein des Feuers und den Fackeln um den Platz herum, beleuchteten die Personen, die sich im Inneren befanden. Ich stand bei Pfanne und aß gebratenes Fleisch. Die Stimmung war trotz des Tumults von vorhin ausgelassen. Sogar Gally schien Spaß zu haben. Er rang gegen die verschiedensten Jungen in der Sandgrube. Um sie herum standen ein paar andere und feuerten ihren Favoriten an. Meistens gewann jedoch Gally.
„Ich hab gehört, du hast dir Sorgen um mich gemacht." Minho hatte sich neben mich gestellt und grinste mich an. Er hatte seine breiten Arme vor der Brust verschränkt. Minho war einer der stärksten und schnellsten, die auf der Lichtung lebten. Ab und zu schien es, als würde er dafür leben Läufer zu sein.
„Was ist wenn?", fragte ich.
„Das würde dich zum süßesten Neppdepp auf der Lichtung machen."
Ich wuschelte ihm durch die schwarzen Haare, weil ich wusste das er das nicht leiden konnte. „Das bin ich sowieso schon. Da muss dir schon was besseres einfallen."
Er schlug meinen Arm weg. „Ich sag dir Bescheid, wenn es soweit ist."
"Was hältst du von dem Frischling?"
Minho zuckte mit den Schultern. "Bis auf diesen einen Vorfall heute, habe ich ja nichts mitbekommen. Wieso?"
"Ich weiß nicht. Er ist viel neugieriger als die anderen."
"Inwiefern?", hakte Minho nach.
"Wann hat sich denn jemals ein Frischling an seinem ersten Tag fürs Labyrinth interessiert? Die meisten haben nicht einfach versucht hier herauszuspazieren."
Minho zuckte wieder mit den Schultern. "Stimmt, aber das wird sich noch legen. Ich meine mich zu erinnern das du auch ziemlich fasziniert von den Toren warst."
"Jeder ist davon fasziniert.", erwiderte ich. "Aber ich war da schon mehrere Wochen da."
"Hör auf dir den Kopf zu zerbrechen. Diese Denkfalten stehen dir nicht." Minho zwinkerte mir zu und ging dann zu den anderen Läufern. Ich schüttelte nur den Kopf über ihn. Minho war ziemlich frech und direkt. Oft sagte er einfach, was ihm durch den Kopf ging. Ich mochte ihn.
Ich sah mich um. Pfanne briet Fleisch für ein paar andere, die um ihn herumstanden. Gally kämpfte immer noch. Alby konnte ich nirgends sehen. Chuck auch nicht, aber dafür hörte ich ihn grölen, wenn Gally jemanden zu Fall brachte.
Die Sanis saßen zusammen auf einem Baumstamm und unterhielten sich.
Endlich entdeckte ich Newts Hinterkopf. Er saß mit dem Frischling an einen Baumstamm gelehnt. Sie blickten in Richtung der Mauer. Ich ging zu ihnen, kletterte über den Baumstamm und setzte mich auf die andere Seite neben den Neuen.
"Egal, welche Gruselgeschichten er dir erzählt hat..." Ich zeigte auf Newt. "...sie sind alle wahr."
Newt grinste und nahm einen Schluck aus einem durchsichtigen großen Glas. Der Junge neben mir sah mich geschockt an.
"Ach komm ich hab nur einen Witz gemacht. Ich weiß doch gar nicht worüber ihr gesprochen habt." Ich griff über den Neuen hinweg, nahm Newt das Glas aus der Hand und trank einen Schluck. Gally hatte das Gebräu irgendwann einmal ausversehen zusammengemixt und seitdem tranken wir es zu den seltenen Anlässen, wenn wir mal ein Lagerfeuer veranstalteten. Keiner wusste was drin war, wir kannten nur die Auswirkungen wenn man zu viel davon zu sich nahm. Ich hatte nach einer desaströsen Nacht meine Lektion gelernt und trank immer nur wenige Schlucke davon. Es konnte einem ganz schön den Kopf vernebeln.
"Er hat erzählt das ihr hier schon seit drei Jahren festsitzt und immer noch keinen Ausgang gefunden habt, weil das Labyrinth sich jede Nacht verändert. Außerdem hat er was von irgendwelchen Monstern namens Griewern erzählt.", sagte der Frischling und betrachtete mich hoffnungsvoll, so als erwartete er von mir das ich ihm eröffnete das das ganze nur ein Scherz war.
Ich biss mir auf die Unterlippe. Achja die Griewer. Es war so leicht sie auszublenden, wenn man nie selbst hinaus ins Labyrinth musste. Keiner wusste, wie sie aussahen oder was sie mit einem anstellten, wenn sei einen schnappten. Wir wussten nur das keiner je eine Begegnung überlebt hatte. Ich erinnerte mich dunkel daran, dass Alby mir mal erzählt hatte, dass sie einen stechen konnten und das man dann wahnsinnig wurde. Ich hatte es zum Glück noch nie miterleben müssen.
"Da hat er die Wahrheit gesagt, tut mir leid.", sagte ich und nahm noch einen Schluck, bevor ich Newt sein Glas zurückgab.
Dieser lachte. "Ich hab doch gesagt, dass ich dich nicht anlüge." Er redete ein wenig zu laut. Ich betrachtete das fast leere Glas in seiner Hand und bereute es, dass ich es ihm zurückgegeben hatte. Newt trank das Gebräu ganz gerne, vertrug es aber nicht besonders gut.
"Wie könnt ihr das eigentlich trinken? Es schmeckt widerlich."  fragte der Neue und schüttelte sich.
"Man gewöhnt sich an alles.", sagte ich grinsend.
Plötzlich drehte Newt sich zu dem Neuen um und sagte: "Genug Fragen. Du sollst immerhin unser Ehrengast sein. Komm, ich stelle dir alle vor."
"Newt was redest du da?", fragte ich grinsend, während wir aufstanden. "Wir haben nie Ehrengäste."
"Dann ist heute halt eben..." Er musste sich räuspern, weil seine Stimme versagte. "...das erste Mal."
Ich lachte leise, dann streckte ich meine Hand aus. "Komm schon, gib mir das Getränk"
"Wieso?"
"Ich will es leer trinken. Außerdem willst du doch den Frischling hier herumführen."
Newt betrachtete mich, dann das Glas und gab es mir schließlich. Dann nahm er den Neuen am Arm und zog ihn mit sich. Ich kippte den Rest des Gebräus in die Wiese und ging dann zu Pfanne.
"Hier, versteck das." Ich reichte ihm das Gefäß.
Bratpfanne grinste breit. "Newt?"
"Du hast es erfasst.", antwortete ich und sah zur Sandgrube. Winston kämpfte gerade gegen Gally. Es war kein wirklich fairer Kampf. Winston konnte zwar die Technik, aber gegen Gallys Kraft hatte er keine Chance. Ich betrachtete den schmächtigen Jungen, der versuchte Gally zu Boden zu bringen. Ich trat näher und begann ihn anzufeuern. Eine Weile schlug er sich ganz gut, dann schaffte Gally es ihm das rechte Bein wegzuziehen und Winston landete am Boden. Ein Teil der Menge, inklusive mir, stöhnte enttäuscht, der Rest jubelte.
Winston verzog sich und Gally blickte herausfordernd in die Runde. Er erwartete das jemand anderes vortrat und ihn herausforderte.
Plötzlich stolperte der Frischling in den Kreis und stieß gegen Gally.
Die Menge jubelte und begann auf der Stelle "Frisch-ling, Frisch-ling!" zu skandieren. Ich sah zu Newt, der meinen Blick bemerkte und daraufhin nur mit den Achseln zuckte.
Die beiden Jungen im Kreis begann miteinander zu rangeln. Der Neue hatte keine Chance und landete nach den ersten Sekunden mit dem Gesicht zuerst im Sand. Schnell hatte er sich aufgerappelt und die beiden begannen erneut sich zu umkreisen. Es fühlte sich falsch an zuzusehen. Ich wollte eingreifen, doch die beiden hatten schon wieder begonnen zu kämpfen. Der Frischling hatte seine Arme um Gally gelegt und versuchte ihn aus dem Kreis zu schieben, doch Gally stemmte sich mit aller Kraft dagegen und schaffte es stattdessen den Jungen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er fiel nach hinten. Dabei ließ er Gally jedoch nicht los und zog ihn mit sich. Während dem Fallen, drehte der Frischling sich sodass beide auf der Seite landeten. Ich sah das beide dadurch, dass ihr Hände immer noch in der Kleidung des jeweils anderen vergraben waren, mit dem Kopf auf dem Sand aufschlugen. Die Jungen um mich herum wurden ruhig. Keiner schien genau zu wissen, wem sie zujubeln sollten und wem nicht. Gally rappelte sich auf und rieb sich die linke Schläfe. Er sah wütend und überrascht zugleich aus. Kurz dachte ich er würde auf den anderen Jungen losgehen, doch stattdessen drehte er sich um und ging davon. Ich hatte ihn schon oft beim Kämpfen beobachtet und so hatte ihn noch nie jemand ausgetrickst. Vermutlich fühlte er sich gedemütigt. Mitleid erfüllte mich. Das Gefühl verstärkte sich noch, als ich sah das ihm keiner hinterher ging. Stattdessen sah jeder den Frischling an, der gerade dabei war sich aufzusetzen. Plötzlich riss er seine Augen auf und sah uns alle der Reihe nach an.
"Thomas!", rief er in die Stille hinein. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. "Mein Name....ich heiße Thomas!" Er sprang auf.
Die Erleichterung in seinem Blick brachte mich zum Lächeln.
Chuck war derjenige, der als erstes begann zu jubeln und alle stimmten ein. Während alle anderen begannen zu feiern, entfernte ich mich um Gally hinterher zu gehen.
"Wo willst du hin?" Bratpfanne hatte nach meinem Arm gegriffen.
"Ich will nach Gally sehen."
"Lass das lieber.", meinte er.
"Wieso? Glaubst du er greift mich an?"
Bratpfanne schüttelte den Kopf. "Nein. Natürlich nicht, aber ich glaube nicht das er reden will."
„Dann soll er mich weg schicken.", erwiderte ich und zog sanft meinen Arm aus Pfannes Griff.
„Du hast 10 Minuten, dann schicke ich jemanden hinterher."
„Alles klar.", antwortete ich lachend und betrat die Dunkelheit der Lichtung.
Es war eine wunderschöne Nacht. Der Himmel war klar und je mehr ich mich vom Schein des Feuer entfernte, desto mehr Sterne konnte ich sehen. Ich wandte den Blick von der Unendlichkeit des Himmels weg und sah mich um, ob ich Gally irgendwo sehen konnte. Aber es war zu dunkel und bis ich die ganze Lichtung abgesucht hatte, wäre es wahrscheinlich schon fast wieder hell. Ich wünschte ich hätte mehr darauf geachtet, wo er hingegangen war.
„Gally?", rief ich in die Nacht hinein. Allerdings hatte ich keine Hoffnung, dass er wirklich antworten würde. Deshalb zuckte ich umso heftiger zusammen, als über mir im Baumhaus plötzlich jemand antwortete: „Was willst du?"
„Kann ich hochkommen?"
Ich hörte ihn genervt seufzen, doch schließlich stimmte er zu.
„Wow.", murmelte ich und sah mich um, als ich oben stand. „Anderthalb Jahre und ich bin nie auf die Idee gekommen mir die Aussicht mal bei Nacht anzuschauen."
Das Baumhaus war so windschief, wie alles andere was die Lichter gebaut hatten. Trotzdem war es ziemlich stabil und man konnte, wenn man ganz oben stand die ungefähre Größe des Labyrinths erahnen. Leider konnte man nicht darüber hinaus sehen. Dafür waren die Bäume einfach zu klein. Oder die Mauern zu hoch. Je nachdem wie man es nimmt.
„Was willst du?", wiederholte Gally, sichtlich genervt.
„Reden.", antwortete ich schlicht und setzte mich neben ihn auf den Holzboden. Ohne die Schatten der Bäume war es sogar angenehm hell. Alles schien durch das Mondlicht silbern angehaucht zu sein.
„Sehe ich so aus, als würde ich reden wollen?"
Ich sah ihn an. Die knollige Nase, die kleinen Augen und der dünne Mund. Sein Gesicht wirkte so abweisend wie ein Gesicht nur sein konnte.
„Nein. Aber gerade dann macht es am meisten Spaß."
Er wandte sich ab, doch ich glaubte ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht sehen zu können.
„Du magst Thomas nicht, hab ich Recht?"
Gally sah mich verwirrt an. „Wen?"
„Oh. Ich meine den Frischling. Er hat sich an seinen Namen erinnert. Vermutlich durch den Schlag auf den Kopf."
Gally nickte nur und starrte weiter nach vorne.
„Also?", hakte ich nach. So schnell würde ich ihn nicht vom Haken lassen.
„Nein. Kann ich nicht."
„Wieso? Du kennst ihn doch genauso wenig wie wir, oder?"
„Ich habe einfach kein gutes Gefühl bei ihm. Er ist gerade mal einen Tag hier und schmeißt alles durcheinander." Gally schnaufte. „Verdammt. Er wäre beinahe ins Labyrinth gegangen. Ich hätte ihn gehen lassen sollen."
Ich sah ihn von der Seite an. Er bemerkte es und drehte sich weg, sodass ich nur noch seinen Hinterkopf sah.
„Hättest du nicht. Du bist ein Arsch, kein Mörder."
Er sah wieder zu mir und zog eine Augenbraue nach oben. „Wie hast du mich gerade genannt?", knurrte er.
„Du nennst mich Neppdepp und ich nenne dich Arsch. Ich würde sagen, dass wir quitt sind." Ich stand auf. „Falls du nicht doch plötzlich weiter reden möchtest, werde ich zurückgehen." Ich ging zu der Luke, durch die man zur selbstgezimmerten Leiter kam.
„Achja noch eine Sache.", begann ich, den rechten Fuß schon auf der ersten Sprosse. „Du hast gut gekämpft heute. Meiner Meinung nach bist du sogar mit Abstand der beste Kämpfer hier. Wenn ich also mal eine Hilfe im Kampf brauche, musst du dich wohl oder übel bereit halten." Das letzte was ich sah, bevor meine Sicht von den Holzbalken verdeckt wurde war Gallys verblüfftes Gesicht.
Auch wenn ich das ihm gegenüber nie zugeben würde, glaubte ich das Gally und Chuck das gleiche Problem hatten. Obwohl Gally mit einer der ersten war, die hier hochgeschickt wurden, hatte er kaum Freunde. Seine arrogante Art sorgte dafür, dass er eher unbeliebt war. Egal ob er es nun merkte oder nicht oder ob es ihn überhaupt kümmerte, ich glaubte wirklich daran, dass er nur jemanden brauchte der Vertrauen in ihn und seine Fähigkeiten hatte. So jemanden braucht doch jeder von uns oder?

Lauf, solange du noch kannst [Maze Runner Fanfiction]Where stories live. Discover now