Kapitel 17 - Das Haus der Diebe

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Das Gildenhaus war alt und voller Erinnerungen. Die meisten von ihnen waren schlecht. Als Ára darüber nachdachte, fiel hen keine glückliche ein, die nicht von einer schrecklichen überschattet wurde.

Es war einst ein prunkvolles Gebäude gewesen. Es hatte seefahrenden Kaufleuten gehört, die über den Fluss bis nach Arashi gekommen waren, und war vor Sadaos Aufstieg von den Dieben übernommen worden. Es stand im Hafenviertel, wo früher das Leben und der Handel floriert hatten. Aber das war vor Áras Zeit gewesen. Hen kannte nur noch die Schatten des Viertels: Den Buchladen, den Wochenmarkt und die Boutique, in die Sadao hen manchmal mitgenommen hatte.

Mittlerweile waren alle Händler pleite. Das Gildenhaus war zum Waisenhaus und Ausbildungslager für Diebeskinder und schließlich verlassen worden. Ára konnte sich nicht daran erinnern, jemals ältere Diebe außer Sadao und Tadashi hier über längere Zeit gesehen zu haben.

Die meisten hatten lieber im Rattenspuck übernachtet und seit Sadao aus Arashi verschwunden war, war hier niemand mehr gewesen. Nicht einmal die Bettler wollten hier schlafen.


Shouta und Ára saßen in der alten Küche. Die Diebe hatten nichts zurückgelassen außer leeren Regalen, schäbigen Stühlen und dem Holztisch, der zu schwer war, um ihn wegzutragen.

Im Ofen brannte ein kleines, rauchloses Feuer. Ára entzündete die mitgebrachten Kerzen - immerhin war Shouta der einzige von ihnen, der im Dunklen sehen konnte. Der saß am vernagelten Fenster und starrte ins Leere.

Sie hatten mehrere Flaschen Met mitgebracht. Ára bezweifelte, dass das eine gute Idee gewesen war. Shouta hatte sofort nach ihrer Ankunft eine für sich beansprucht. Die hielt er nun in der Hand, spielte damit herum, trank ab und zu.

„Wer kommt alles?", fragte Shouta mit kratziger Stimme. Ára wünschte, er würde über irgendwelchen Blödsinn reden, wie er es sonst machte. Hen hörte ihm gerne zu, denn Shouta konnte die unangenehme Stille besser als jeder andere überspielen.

„Ich weiß es nicht genau. Riku auf jeden Fall, und Birrá und Iva." Ára überlegte. „Ich habe auch Maija geschrieben."

Shouta gab ein abfälliges Schnauben von sich und trank. Ára war auch nach Trinken zumute, aber noch brauchte hen einen klaren Kopf.

„Sie ist nicht ihr Bruder", sagte hen.

Im Erdgeschoss öffnete sich quietschend eine Tür. Ára wirbelte herum, die Hand am Dolch, und Shouta sprang vom Fenstersims. Er aktivierte sein Kekkei Genkai und seine Augen glühten auf wie die Nordlichter.

Sie lauschten gemeinsam in die Stille, atmeten auf. Shouta ließ sich zurückfallen und Ára nahm die Hand vom Dolchgriff. Aus dem Treppenhaus vernahmen sie Rikus unverwechselbare Schritte, einen geräuschlosen und einen, den man hörte. Schon stand er in der Tür.

Riku war mit seinen dreiundzwanzig Jahren der jüngste von ihnen. Von seiner Mutter hatte er die dunklen Haare und Augen des Rentiervolks geerbt. Er war in Diebesgrau gekleidet. Am linken Fuß trug er einen festen Lederstiefel und statt dem rechten eine selbstgebaute Prothese, die in einer kurvenförmigen Feder endete. Die trug er, wenn er schnell sein musste.

„Hallo", sagte er und ein unsicheres Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Ich wusste, dass du kommen würdest", sagte Ára und seufzte tief.

„Ich kann euch doch nicht alleine lassen."

Ára hatte Riku immer für den Mutigsten von ihnen gehalten, aber nie geschafft, ihm das zu sagen. Wie sagte man einem so etwas denn schon?

Er trat ein. Shouta warf ihm die Flasche zu, Riku trank und warf sie ihm zurück. Sie verfielen in ein angespanntes Schweigen. Nach und nach trafen die anderen ein.

Nur wer frei ist, ist ein KönigWhere stories live. Discover now