Kapitel 19 - Die Glocken

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Ehe sie sich versahen, waren sie von Feuer umgeben. Die Strohdächer entflammten wie Zunder und die hölzernen Dachbalken barsten krachend in der Hitze. Müll brannte, die engen Gassen waren durch halb eingestürzte Gebäude versperrt und füllten sich mit Rauch. Menschen schrien in Panik, husteten und würgten und versuchten blindlings zu fliehen. Über allem das durchdringende, helle Geläut.

Shouta fluchte. Bevor Kakuzu ihn fragen konnte, was los sei, rannte jemand in sie hinein. Shouta fiel ungelenk zu Boden. Er rappelte sich sofort wieder auf, aber wer ihn angerempelt hatte, war bereits im Rauch verschwunden.

„Alles okay?"

„Ja", würgte Shouta hervor. Über sein rußgeschwärztes Gesicht liefen Tränen und hinterließen helle Spuren, die sofort wieder verschmierten.

„Spar dir den Atem." Kaum hatte das Kakuzu ausgesprochen, musste er selbst husten.

Seine Augen brannten und tränten. Er konnte Shouta kaum noch sehen, nur sein Husten hören, und hatte jede Orientierung verloren. Kakuzu griff nach seinem Arm und zog ihn zu sich.

„Wo lang?", knurrte er.

Shouta musste einen Hustenanfall abwarten, bevor er antworten konnte: „Ich führe dich. Lass nicht los."

Selbst durch das Tosen des Feuers hörte Kakuzu die Furcht in Shoutas Stimme. Er verstand ihn. Das hier war lebensmüde.

„Natürlich."


Shouta zog ihn in eine schmutzige Seitenstraße. Die Gebäude, an denen sie vorbei hasteten, kamen Kakuzu bekannt vor. Plötzlich sah er durch einen eingestürzten Dachstuhl den Rattenspuck, ganz in der Nähe. Noch brannte der Rattenspuck nicht, aber das Feuer breitete sich mit rasender Geschwindigkeit aus. Die Zeit war knapp.

Sie stiegen über in Lumpen gekleidete Körper hinweg, aber Kakuzu sah nicht nach, ob noch jemand lebte. Die Dächer, die über die Gasse hinausragten, konnten jeden Moment einstürzen. Knallend explodierten die Balken, es regnete brennende Schindeln, aber Shouta ging zielstrebig weiter.

Sie hatten den Rattenspuck beinahe erreicht, als Shouta zurückschreckte und Kakuzu an die Wand presste.

„Achtung", zischte er und schloss hastig Fingerzeichen.

Zwei Männer in glänzender Rüstung traten aus der Vordertür. Das mussten Ritter sein. Shouta hatte erzählt, sie seien so stark wie Jonin, vielleicht stärker. Diese beiden waren es nicht wert, jetzt einen Kampf zu beginnen. Nicht, wenn er Shouta dabei aus den Augen lassen musste.

Als Kakuzu ihn anblickte, konnte er durch sein Gesicht hindurch die Ziegelmauer hinter ihm sehen. Nur tanzende Schatten verrieten, wo Shouta stehen musste.

„Ein Tarnjutsu", erklärte Shouta.

Die Männer unterhielten sich aufgebracht, aber Kakuzu konnte sie nicht verstehen. Shoutas scheinbar körperlose Stimme fluchte neben ihm.

Die Dächer über ihnen knackten bedenklich und jede Sekunde, die sie länger im Rauch standen, war tödlich.

„Wir müssen weiter."

„Ich weiß", erwiderte Shouta. „Wir nehmen den Hintereingang."

Kakuzu nickte, obwohl Shouta es nicht sehen konnte, und nahm wieder seine Hand.

Die Ritter stritten immer noch und achteten nicht auf ihre Umgebung. Mühelos schlichen sie an den beiden vorbei. Shouta löste das Tarnjutsu, sobald sie die Rückseite des Rattenspuck erreicht hatten.


Die Hintertür war halb aus den Angeln gerissen und stand sperrangelweit offen. Sie stolperten in den Gastraum. Der Tresen hatte bereits Feuer gefangen und die Flammen züngelten an den Stützbalken. Sie stürmten die Treppe zum Dachboden hinauf, Shouta hustete bellend.

Nur wer frei ist, ist ein KönigWhere stories live. Discover now