Teil 4 - Maurice

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"Guten Morgen- Guten Morgen - Gu-" mit einem leisen Brummen machte Maurice seinen Wecker aus und rollte sich auf die andere Seite. Er hatte schlecht geschlafen, kein Wunder.

Es hatte in der letzten Nacht einen Polizeieinsatz gegeben, nicht nur in seiner Straße, sondern direkt vor seiner Tür.

Da er erst wenige Minuten vorher nach Hause gekommen war, hatte es ihn zumindest nicht geweckt, aber die Fragen, die sich unweigerlich stellten, hatten ihn noch ewig wach gehalten und sogar bis in seine Träume verfolgt.

Was war passiert? Und vor allem, wer war der Typ gewesen, den sie eingesammelt hatten? Er war nicht von hier, das war klar. Maurice hatte ihn noch nie gesehen und so wie der Typ das Straßenschild, ihn und schlussendlich sein Zuhause angestarrt hatte, musste mit ihm etwas nicht stimmen.

Ob er wohl aus der Psychiatrie ausgebrochen war? Und ob er geplant hatte ihn, Maurice, oder seine Familie zu verletzen?

Der Blonde hätte wohl noch ewig gegrübelt, wenn nicht seine Zimmertür aufgegangen wäre.

"Bist du wach?" fragte seine Mutter, was Maurice mit einem leisen Seufzen beantwortete. "Sehr gut. Ich habe dir Frühstück gemacht. Ich bin jetzt noch kurz Emily von der Schule holen und dann bist du dran, ja?"

Maurice nickte und verzichtete darauf, ihn zu sagen, dass es um 15 Uhr eher Mittagessen als Frühstück war. Sie meinte es nur gut und er war ja auch dankbar dafür.

"Ich komme sofort." versprach er ihr, als er merkte, dass sie noch nicht ging, was sie scheinbar zufrieden stellte. Zumindest schloss sich die Tür wieder und Maurice war alleine.

Er stand auf und ging zu dem dunklen Fenster, sah auf seine Uhr. Es war zu früh, am Vortag war das seltsame Auto erst gut 10 Minuten später vorbei gefahren.

Maurice wusste selbst nicht wieso, aber er hatte das Gefühl, dass das viel zu langsam fahrende Auto etwas mit dem Polizeieinsatz zu tun hatte. Auch das hatte er gestern zum ersten Mal gesehen.

Vielleicht war ja ein Raub oder so geplant gewesen.

Er für seinen Teil wollte auf jeden Fall herausfinden, was hier vor sich ging. Aber zuerst ging es in die Dusche.

Gut acht Minuten später war er mit nassen Haaren zurück am Fenster, er hatte es auch schon gekippt und wartete. Sein Blick ruhte auf dem Zeiger seiner Uhr, er war fest entschlossen, dass er es nicht verpassen würde.

Der Sekundenzeiger wanderte einmal im Kreis, dann ein zweites und ein drittes Mal und das ohne, dass das Auto vorbei fuhr.

Langsam wurde Maurice unruhig. Warum kam das Auto nicht? Er war sich so sicher gewesen, dass es wieder hier vorbei fahren würde.. Mit einem Seufzen schloss er die Augen.

Es war doch sinnlos, gerade zu dämlich. Was tat er hier? War das der klägliche Versuch, seinem Leben etwas Sinnhaftigkeit zu geben? Er wusste es nicht.

Enttäuschung machte sich in ihm breit, als er das Fenster zu Klappen wollte. Nur eine Sache hielt ihn davon ab.

"I give it all
Now there's a reason why I sing
So give it all
And it's these reasons that belong to me"

Niemand hier in dem Viertel hörte so laut Musik. Maurice sah aus dem Fenster und er wurde nicht enttäuscht. Das Auto fuhr hier entlang. Genau so langsam wie am Vortag und was das wichtigste war, heute war der Mann nicht alleine in dem Auto.

Es war zwar derselbe Mann, er trug sogar das gleiche Shirt, aber neben ihm saß eine zweite Person. Maurice konnte ihr Gesicht nicht erkennen, aber er war sich sicher, dass es der Typ war, der auch in der Nacht hier gewesen war.

Doch was das bedeuten konnte... Das wusste er nicht mit Sicherheit zu sagen. Er kam auch nicht dazu, och länger zu grübeln. Wieder ging die Zimmertür auf, doch dieses Mal war es nicht seine Mutter.

Es war Milo, der Maurice' Beine umarmte und den Kopf an seine Hüfte drückte. "Hey Kleiner." Maurice strich seinem kleinen Bruder sanft über die Haare. Der sieben jährige war das kleine Näesthäkchen, ein Nachzügler hinter seinem fast zehn Jahre älteren Bruder und der dreizehn jährigen Schwester.

"Kommst du mit raus spielen?" fragte Milo mit seiner kindlichen Naivität. Maurice ging in die Hocke und lächelte ihn an. "Du weißt doch, dass das nicht geht." erklärte er sanft. Milo nickte.

Maurice wusste, dass der kleine es nicht böse meinte, er vergaß es einfach nur manchmal, war zu jung um es zu verstehen. "Warum?"

Große, grüne Augen sahen Maurice gespannt an, während dieser nach einer Erklärung suchte. Es waren die Augen seiner Mutter,
Maurice hatte sie auch geerbt. Einzig Emily hatte die blauen Augen ihres Vaters.

"Du weißt doch, dass ich krank bin, nicht wahr?" Milo nickte erneut. "Du bist ein Mondscheinkind hat meine Lehrerin gesagt." erklärte er.

Eigentlich hasste Maurice die Bezeichnung. Sie klang viel zu schön, für sowas. Doch er stimmte trotzdem zu.

"Genau. Das was für dich die Sonne ist, ist für mich der Mond. Ich bin allergisch gegen Sonne, so wie du gegen Nüsse."

Er sag, dass Milo kurz angestrengt nach dachte. Dann breitete sich ein Lächeln auf den kindlichen Zügen aus. "Du bist wie Tobi." kicherte der Junge. "Wer ist Tobi?" fragte Maurice nach. Er kannte keinen Tobi. Gab es hier etwa noch jemanden mit Xeroderma Pigmentosum?

"Tobi ist aus dem Buch, das ich gerade mit Mama lese." klärte der jüngere aber sofort das Missverständnis auf, bevor er sich verschwörerisch zu Maurice beugte. "Keine Angst." flüsterte er. "Ich sage niemandem, dass du ein Vampir bist."

Maurice sah ihm nach, als er aus dem Zimmer rannte und schüttelte den Kopf. Ein Vampir, so so.

~

"Hörst du mir überhaupt zu?" Maurice sah irritiert hoch? "Wo bist du denn mit deinen Gedanken?" fragte seine Mutter. "Ähm.. Ja, klar."

Maurice sah auf das Buch vor sich. "Wo waren wir?" fragte er. Seine Mutter schüttelte sanft den Kopf. "Wir machen lieber Morgen weiter. Der Tempelherr ist ein komplizierter Charakter, das machen wir lieber, wenn du mit den Gedanken dabei bist."

Sie war Lehrerin und Pädagogin gewesen, bevor sie seinetwegen ihren Job aufgegeben hatte und ihn nun zuhause unterrichtete. Maurice tat das Leid, aber er war auch ziemlich dankbar dafür, dass er überhaupt unterrichtet wurde. Nur heute wollte es irgendwie nichts werden, er konnte sich kaum konzentrieren.

"Danke, Mama. Ich weiß auch nicht so ganz, was los ist. Morgen ist es wieder besser, versprochen." sie lächelte und küsste ihn auf die Stirn. "Kein Problem. Iss noch ein bisschen was, dann darfst du raus gehen."

Maurice lächelte sie an. "Du bist die beste."

Er sah ihr zu, wie sie die Schulsachen weg räumte und dann einem Teller Grießbrei vor sie stellte.

"Soll ich dir noch ein bisschen Gesellschaft leisten?" fragte sie freundlich, doch er schüttelte den Kopf. "Quatsch. Geh ruhig zu Emy und hilf ihr noch mit den Hausaufgaben. Ich muss eh noch ein bisschen was recherchieren."

Nur wenige Momente später war er wieder alleine in der Küche und begann zu googeln. Nach Nachrichten aus der Umgebung, nach Einbrüchen und nach Automodellen, doch er fand nicht wirklich war heraus.

Irgendwann gab Maurice es frustriert auf und zog sich an, um raus zu gehen.

Midnight Tears ~ ZomdadoWhere stories live. Discover now