Teil 16 - Michael

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Michael summte leise vor sich hin und trottete durch die klare, warme Nacht. Über ihm blinkten die Sterne wie Millionen kleine Kristallsplitter und der große, runde Mond stand so tief am Himmel, dass es dem Teenager fast so vor kam, als könne er ihn berühren, wenn er auf eines der Dächer kletterte.

Heute ging es ihm gut. Nein, es ging ihm nicht gut, er war körperlich immer noch am Ende, doch er fühlte sich gut.

Jetzt, da er sich vor wenigen Tagen Maurice geöffnet hatte, war eine gewisse Last von seinen Schultern gefallen. Maurice akzeptierte ihn genauso wie er war und war jetzt, da er Bescheid wusste, noch viel rücksichtsvoller.

Der Blonde half Michael jedes Mal, wenn dieser Hilfe brauchte und das ohne zu aufdringlich zu werden oder Michael das Gefühl zu geben, dass er sich dafür schämen musste.

Und gleich würden sie sich wieder sehen. Der Brünette freute sich schon, fragte sich zu gleich, ob Maurice wohl schon da war und auf ihn wartete. Sie wollten sich wieder an der Bank an dem Fluss treffen und sich dort ein bisschen hin setzten und unterhalten.

Irgendwie hatte Maurice es geschafft, mit seiner Art Michael ein bisschen aus seiner trägen Apathie heraus zu holen und sein Leben ein bisschen lebenswerter zu machen.

"Michi?" die bereits ziemlich vertraute Stimme riss Michael aus seinen Gedanken, ließ ihn hoch gucken. Maurice saß auf der Bank, an der Michael gerade vorbei gegangen war und winkte ihm. "Nicht weiter gehen, du bist schon am Ziel."

Das freundliche, ein bisschen naiv-kindliche Glucksen brachte Michael dazu, nicht länger über sein Verfehlen zu grübeln, sondern die Realität für ein paar Momente auszublenden. Er kam zu dem Blonden und ließ sich willig zur Begrüßung umarmen, bevor er sich auch auf die Bank setzte.

"Erde an Michael, ich rede mit dir." doch auch jetzt klang Maurice nicht böse, als er Michael sanft darauf hinwies, dass er schon wieder starrte und nicht antwortete.

"Was?" Der angesprochene blinzelte irritiert und schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu klären. "Du bist mir immer noch eine Antwort schuldig. Woher weißt Du, wie man vor der Polizei weg rennt?"

Ach ja, da war was gewesen. Stimmt, die Frage hatte Maurice schon öfter gestellt und Michael.. Ja, Michael hatte schon gelernt, dass es manchmal besser war, einfach zu lachen statt zu weinen, so wie Maurice es ständig tat. Und er wusste auch, dass Reden ihm half.

"Naja... Ich bin früher öfter mal mit meinen Freunden nachts ins Freibad eingestiegen. Keine Angst, ich bin immer noch kein Krimineller, ganz egal wie oft du das vermutest. Zumindest kein krass Krimineller. Ich wollte immer gerne so sein wie mein Vater."

"Wie meinst du das?" wie gewohnt hatte Maurice eine kurze Pause gelassen, bis er Michael zum weiter reden brachte.

"Mein Vater war in seiner Jugend in der Tierrechtsszene und... Naja. Er hat zum Beispiel auch Plakate von Zoos übersprayt und sowas, gemeinsam mit Freunden natürlich. Dafür hab ich meine Freunde nie begeistern können und so ist es beim ins Freibad einbrechen geblieben. Und.. Man wird halt manchmal erwischt und wer nicht schnell genug rennt oder sich gut zu verstecken weiß, der bekommt keinen Ärger. "

Maurice lehnte sich an Michaels Schulter und schloss die Augen."Gehe ich richtig der Annahme, dass ihr da früher öfter eingestiegen seid und du das eher automatisch gemacht hast?"

Michael war mal wieder davon beeindruckt, wie gut Maurice ihn zu kennen schien.

"Stimmt. Das... Ich hab keine Ahnung, woher das kam. Naja... Auf jeden Fall, ist gut, dass dir nichts passiert ist. Ich... Ich hatte richtig Angst, dass du es nicht mehr rechtzeitig nach Hause geschafft hast."

Maurice legte eine Hand in Michaels Haare und zerzauste sie wie so oft. Es waren sanfte Berührungen, die Michael ziemlich angenehm fand.

"Keine Sorge, ich wurde rechtzeitig nach Hause gebracht. Aber... Ist irgendwie nett, dass du dir Sorgen gemacht hast." fast glaubte Michael das Lächeln des anderen zu hören, auch wenn das natürlich nicht möglich war.

"Du hast gesagt, du hast das immer mit deinen Freunden gemacht, nicht wahr? Wie sieht es mit denen aus?"

Michael atmete tief ein und aus und schürzte die Lippen. War ja klar gewesen, dass die Frage früher oder später kam.

"Du kennst sie. Erinnerst du dich an die Typen, die wir getroffen haben, bevor du mich zum ersten Mal zu dir nach Hause mitgenommen hast?"

"Das sind deine Freunde?!" Michael musste weder die Augen öffnen noch zu Maurice sehen um dessen Bestürzung mitzubekommen.

"Das waren meine Freunde. Dann hab ich eines Nachts auf der Klassenfahrt zwar nicht geschlafen aber halluziniert und.. Dann war es ziemlich schnell mit der Freundschaft vorbei und ich war als Freak abgestempelt. Wie schon gesagt.. Ich würde lieber so wie du Tagsüber nicht rausdürfen, dann müsste ich die Idioten seltener sehen....und nicht mehr in die Schule. "

Kurz war es still, bevor Maurice wieder was sagte. "Ich kann mal meine Mutter fragen, ob sie uns beide unterrichten kann, dann.. Kannst du dir vielleicht ein bisschen Unterricht sparen."

Michaels Herz setzte einen Schlag aus, er löste sich von Maurice und sah ihn sprachlos an. Erst nach einigen Momenten der ungläubigen Fassungslosigkeit konnte er dann etwas sagen.

"Das... Meinst du das ernst?"

Maurice nickte nur, schien ein bisschen überrascht durch Michaels Ausbruch. "Ähm... Ja? Wenn du das möchtest und es für deine Mutter okay ist...dann mach ich das gerne. Und.. Ich glaube ich würde das auch gut finden. Ich stells mir schön vor...So gemeinsam zu lernen."

Michael umarmte Maurice stürmisch und drückte den Kopf an seine Schulter, bevor er ohne es so recht zu merken "Ich liebe dich, du bist einfach der beste" murmelte.

Maurice bekam davon wohl nur wenig mit, zumindest reagierte der Blonde gar nicht richtig, sondern streichelte einfach nur Michaels Rücken.

"Ich... Hab noch was gemacht. Nur.. Ich hab gesehen, dass diesen Sommer noch ein neues Album raus kommen soll und... Es gibt auch ne Europatour und ein Konzert ganz hier in der Nähe. Es... Es... Es wird mit der Umsetzung schwierig, aber da das im Winter ist. Wenn es früh genug dunkel ist, dann... Dann könnte ich da vielleicht hin. Und... Wenn du das möchtest und dich dabei nicht unwohl fühlst.. Ich hab zwei Karten. "

Michael blieb wie er war, an Maurice gelehnt und schloss die Augen. Maurice wollte mit ihm auf ein Konzert gehen. Irgendwie... War das tatsächlich ein schöner Plan.

" Ich weiß nicht, ob ich das kann... Aber wenn ichs noch so lange mache, dann... Dann würde ich es zumindest gerne probieren. Das...klingt richtig gut."

Maurice kicherte als Antwort verlegen und drückte Michael ein bisschen fester.

"Woran denkst du gerade?" fragte der Blonde, als Michael einige Zeit lang ganz still war.

"But tonight we dance." gab Michael zurück.

"In the glow of twilight, our world is finally calm.
I felt it complete me, when the stars give way to dawn.
A language universal, but I speak not his tongue.
Is this a night that spans forever, or a dawn that never comes."

"Das kenn ich." stellte Maurice begeistert fest und stieg in Michaels Gesumme ein, bis der Brünette dann die Frage zurück gab. "Und woran denkst Du gerade?"

"Ich... Ich denke daran, wie gerne ich mal draußen sein würde, wenn die Sonne scheint. Und daran, dass ich wirklich gerne mal den Wald hier bei Sonnenlicht sehen würde."

Micheal setzte gerade zu einer Antwort an, als er die Motoren hörte.

"Polizei." Brummte er nur. "Ich hab eigentlich Ausgangsverbot für Nachts, von den Ärzten aus, damit ich nicht einfach irgendwo zusammenbreche. Du hast nichts zu befürchten, die wollen nur mich."

Ohne sich so richtig von Maurice zu lösen hob er die Hände und sah zu dem kommenden Officer. Es war der mit den Segelohren und der gebrochenen Nase, der hatte ihn schon öfter eingefangen.

"Michael?" wurde er angesprochen. "Ich komm ja schon... Tschüss Maurice. Wir sehen uns morgen, ja? Ruf mich an, wenn du Zuhause bist."

Midnight Tears ~ ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt