𝕬𝖈𝖍𝖙𝖊𝖘 𝕶𝖆𝖕𝖎𝖙𝖊𝖑

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Ich hatte keine zwei Stunden geschlafen, als mich Mrs Black weckte. Sie schien in Eile zu sein und rief mir etwas zu, das ich nicht verstand, da mein Kopf voller Kopfschmerzen dröhnte. Dann eilte sie aus dem Zimmer und ließ mich alleine. Ich nahm einen Schluck Wasser und sah wieder in den Spiegel.
Ich sah nicht aus, wie eine Königin vor ihrer Krönung. Ich hatte dunkle Augenringe von dem fehlenden Schlaf. Meine Haare standen in allen Richtung ab und waren noch feucht. Ich hatte wieder einmal einen Albtraum gehabt und hatte im Schlaf geschwitzt.
Ich stand auf und ging in das Bad. Gedankenverloren wusch ich mich und zog mir mein Kleid an. Ich kämmte mein Haare, so gut das ging. Da stürmte Mrs Black wieder hinein, gefolgt von zwei Dienerinnen.
„Um Himmels Willen! Wie sehen sie den aus!?" meinte sie erschrocken. Sie nahm mir die Bürste aus der Hand und gab sie einer der Dienerinnen.
„Prinzessin Asena, während die netten Damen sie hübsch machen, kläre ich sie über das Neuste auf." meinte sie hastig.
„Beides gleichzeitig?" fragte ich verschlafen.
„Nun haben sie sich nicht so."
Eine der Dienerinnen holte ein Kleid aus einem Nebenraum. Es war schneeweiß und hatte hellblaue Verzierungen. Und es war riesig.
„Aufstehen." meinte Mrs Black und ich tat was sie sagte.
„Also, gestern haben wir eine Nachricht aus dem Süden bekommen. Der Junge König von Nariex hat von dem Tod ihres Vaters erfahren und spricht sein Beileid aus. Er wird heute Abend bei der Krönung anwesend sein, samt seines Sohnes und seiner Tochter, Frau, Geistlicher, Leiter der ersten Einheit und das restliche Komitee." ratterte sie runter.
Ich stöhnte leise. Ich hasste sie alle zusammen.
Die Dienerinnen hatten mir unterdessen das Kleid angezogen und machten sich an meine Haare.
„Außerdem wird anwesend sein: Ihr gesamter Hof, das höhere Volk, ein paar Verwandte, Gäste aus anderen Ländern und Geschäftsleute."
„Autsch!"
Die Bürste hatte sich in meinen Haaren verfangen. Ohne Gnade machten sie weiter.
„Heute Nacht gab es einen kleinen Aufstand unter den Gefangenen. Anscheinend hatte sich ein Junge gegen eine Wache gewehrt. Wurde alles geregelt. „
Ich schluckte. Die Bilder in meinem Kopf ließen meine Beine schwach werden.
Sie mussten es noch bis heute Abend aushalten. Danach würde ich alles tun, das sie wieder ihre Freiheit erlangen.
„Sir Lorten ist heute morgen eingetroffen. Er ist ein sehr guter Schlachtfeld-Spezialist, wir werden morgen mit ihm zusammensetzten."
In Rekordzeit hatten sie mir die Haare zu einer komplizierten Frisur hochgesteckt.
„Für die Krönung ist alles perfekt vorbereitet. Das war alles." Mrs Black holte einmal tief Luft.
„Aufgeregt?" fragte sie dann.
Da ich mich nicht getraute zu nicken und dabei die gesamte Frisur zu zerstören, lächelte ich nur.
„Kann ich verstehen. Aber hallo? Sie werden Königin! Das wünscht sich bestimmt jeder in diesem Land!"
Erneut lächelte ich.
„Fertig!" meinte eine der Dienerinnen stolz und ich stellte mich vor den Spiegel. Ich musste zugeben, dass das Kleid an mir wunderschön war. Und auch die Frisur passte perfekt.
„Danke." meinte ich.
„Perfekt, dann wäre das erledigt. Ich hatte schon Angst, dass wir das nicht mehr schaffen, da sie so lange geschlafen haben!"
Sie nickte den beiden Dienerinnen zu und sie verschwanden aus meinem Zimmer.
„Dann wäre eigentlich fast alles geschafft!"
Meinte Mrs Black.
„Den Göttern sei dank, ich hab so einen Hunger!"
Jetzt wurde die Leiterin der ersten Einheit ganz bleich.
„Ich würde Ihnen davon abraten, in diesem Kleid zu essen..." meinte sie dann leise. Ich stöhnte erneut.

Nach fünf Stunden nur da sitzen und nichts tun war es soweit. Aber ich wäre gerne noch weiter dagesessen.
Es war bereits fast dunkel draußen und die untergehende Sonne schien durch die Fenster in den langen Gang. Am Ende war die schwere Tür zum Thronsaal, die von zwei Wachen offen gehalten wurde. Aus dem Saal ertönte langsame, zeremonielle Musik und all meine Muskeln spannten sich an.
Ich beobachtete wie durch einen Schleier wie ich durch die Tür lief und alle Leute ihr Blicke auf mir Ruhen hatten. Ich erkannte eine weiter gehende Cousine, die ich vor Jahren getroffen hatte. Eine hochnäsige Perfektionistin unter vielen in meiner Familie.
Außerdem erkannte ich den Jungen König aus Nariex, zusammen mit seiner gesamten Familie.
Ich war an der Erhöhung zum Thron angekommen, wo ein Mann in einem grauen Gewand stand. Er war eine Art Zeremonienmeister, was ich an seinen Tätowierungen im Gesicht erkannte. Drei goldene Monde, zwei auf der Wange, einen auf der Stirn.
Er trat zu mir vor und sprach ein paar Worte, die nur an mir vorbeizogen. Alles wirkte so unrealistisch. War das wirklich gerade meine Krönung? Würde ich jetzt wirklich über Arîs herrschen?
Er trat vor und ich bekam die traditionellen Monde auf mein Gesicht gemalt. Jedoch waren meine silbern. Diese Farbe hielt ein Jahr und wurde jedes Jahr neu aufgetragen, bis die Königin oder der König einen Nachkommen bekam.
Danach reichte er mir die Krone. Sie war genau wie ich sie in Erinnerung hatte. Schlicht und Silbern. Auf dem Schädel meines Vaters hatte sie immer so majestätisch ausgesehen, doch so sah sie irgendwie machtlos aus. Ich hob sie hoch. Sie war kalt und schwer. Mit ihr stieg ich auf die Erhöhung, wo der Thron majestätisch und furchteinflößend auf mich wartete. Ich drehte mich zu meinem zukünftigen Volk um, wobei mein Kleid elegant mitschwang. Dann hob ich die Krone und setzte sie mir mit zittrigen Händen auf. Ihr kaltes Silber grub sich in meine roten Haare und ihr Gewicht ließ mich fast umkippen. Doch gleichzeitig zog sie mich irgendwie nach oben, sodass ich gerade und aufrecht stand. Alle knieten synchron vor mir nieder und ich setzte mich auf den Thron. Er war noch kälter als die Krone. Er schien riesig zu sein und von hier aus sahen alle anderen so unbedeutend klein aus. Seine Kälte fesselte mich und ich vergaß all meine Sorgen und Gedanken, die mich die ganze Nacht wach gehalten hatten. Die Sonne ging nun ganz unter, ihr rotes Licht schien ein letztes Mal auf mich.
Das Volk stand wieder auf und klatschte.
Es war vorbei. Oder es hatte gerade begonnen.

Als die meisten weg waren, war ich fast alleine. Nur noch Mrs Black und ein paar Wachen waren anwesend. Ich saß noch immer auf dem Thron. Ich wusste nicht warum, aber er zog mich irgendwie an. Mein Vater war anscheinend mal eine gesamte Woche auf ihm gesessen, Tag und Nacht. Und jetzt wusste ich wieso. Er hatte so viel Macht und Stärke. Ich wollte nie wieder aufstehen. Seine Kälte übertrug sich auf meine Haut und passte deren Temperaturen an. Auch meine Gefühle und Gedanken wurden angepasst. Sie waren alle kalt, wenn sie überhaupt da waren.

„Meine Königin." Mrs Black kniete vor mir nieder.
„Morgen wird noch ein langer Tag. Am besten gehen sie etwas essen und legen sich dann zur Ruhe."
Nur schwersten Herzens stand ich von meinem Thron auf. Sofort schwand alle Kälte aus mir, der gesamte Halt und Mut den mir der Thron gegeben hatte. Das Gefühl, überlegen zu sein. Ich krachte zusammen und fiel auf den Boden.
„Königin Asena!"
Mrs Black lief ohne Zögern zu mir und half mir auf.
„Alles in Ordnung." meinte ich.
„Keine Sorge, sie gewöhnen sich noch daran. Für ihren Vater war es anfangs auch schwer gewesen, der Macht des Throns stand zu halten und sich nicht beeinflussen zu lassen. Doch irgendwann ist es ihm auch gelungen."
Das bezweifelte ich.
Ich stand auf und sah zu dem Thron, der alleine doch irgendwie harmlos aussah.
„Sie sagten irgendwas von Essen, Mrs Black?" meinte ich.
„Ja, sie brauchen was für den Magen. Und nennen sie mich doch bitte Lilian."
Ich nickte und lächelte matt. Dann verließen wir den Thronsaal. Und umso weiter ich mich vom Thron entfernte, umso mehr ließ mich mein Selbstbewusstsein im Stich und wurde durch die pure Angst ersetzte. Angst vor dem, was der Thron aus mir machte. Angst davor, wie mein Vater zu werden.

Throne of ArîsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt