Kapitel 1

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Drei Stunden von der nächsten Großstadt entfernt, befand sich das Glenalmond College. Außer kilometerweite Felder und Wälder konnte man nichts bestaunen. Kein Wunder also warum mich mein Vater hier her schickt. Hier ist weit und breit nichts wo ich in die Versuchung komme Mist zu bauen. Danke dafür.

Als mein Vater und Ich auf den Hof des Internats fuhren kamen uns immer wieder Schülerinnen entgegen. Manche schauten uns an, manche interessierten sich nicht für uns. Alle sahen hier gleich aus:

Graue altmodische Schuluniform mit hohen und festen Frisuren. Man stellt sich sowas nur in Filmen vor, aber dies ist die Realität. Die schmerzhafte Wahrheit. Nur ein halbes Jahr Lou. Nur ein halbes Jahr.

 Vor den Toren der Schule wurden wir von einer Frau begrüßt. Man hatte den Anschein, dass sich mein Vater und sie kennen. Als sie sich zur Begrüßung umarmten, wurde mein Verdacht bestätigt. Wollte ich wissen woher sie sich kennen? Nein. Lieber nicht. Ich will nicht noch mehr böse Überraschungen haben . . .

"Du musst Louisa sein! Ich bin Miss Kingston. Die Leiterin des Glenalmond College.", sagte sie und hielt mir ihre Hand hin. Ich schüttelte diese etwas zögernd und schaute zu meinem Vater. Insgeheim hatte ich die Hoffnungen, dass er sich alles vielleicht doch nochmal anders überlegt. Aber es sah nicht so aus. Er würde es diesmal durchziehen.

"Höre ich eine Beschwerde-", fing mein Vater an und wurde direkt von mir unterbrochen. Wie oft musste ich das heute schon hören? Fünfmal?
"Dann wird ein halbes Jahr dran gehangen. Schon klar. Ich werde mich benehmen.", sagte ich und schaute ihn an. Ohne noch etwas zu sagen, zog er mich zu sich und umarmte mich. Er küsste mich kurz an meine Stirn und lächelte mich nochmal an.

"Wir hören voneinander Matthew.", sagte Miss Kingston und verabschiedete meinem Vater. Miss Kingston und Ich schauten den Auto so lange hinter her bis es nicht mehr in Sichtweite war. Jetzt ist es echt offiziell. Ich bin für ein halbes Jahr hier. Ich habe jetzt schon meine Zweifel an der ganzen Sache.

"Guten Morgen Miss Kingston.", kam plötzlich ein großes blondes Mädchen auf uns zu. Miss Kingston lächelte sie noch an, aber ich bekam nur einen kritischen Blick ab. Habe ich ihr irgendwas getan oder wieso schaut sie mich so an?
"Guten Morgen Clarissa. Hattest du schöne Ferien?", fragte Miss Kingston und lächelte leicht. Ob sie das wirklich wissen wollte, bezweifle ich. Sie fragte nur aus Freundlichkeit.

"Sehr schöne! Ich habe was für Sie und Caleb mitgebracht. Wo ist Caleb überhaupt? Ich habe ihn heute noch nicht gesehen.", fragte Clarissa neugierig und schaute mich immernoch kritisch an. Ich stehe hier einfach nur. Was habe ich getan?

"Caleb wird mit uns zusammen Mittagessen. Er ist gerade noch in der Stadt.", sagte Miss Kingston und wandte sich dann zu mir. Danke. Ich bin auch noch anwesend.
"Ich bin gleich wieder da. Ich muss kurz jemanden holen.", sagte Miss Kingston und lächelte mich kurz an, bevor sie wegging. Toll. Soll ich jetzt mit Clarissa alleine hier stehen?

Ich schaute Miss Kingston noch mal kurz nach, aber meine Sicht wurde durch Clarissa behindert. Ich schaute hoch und schaute ihn ihr gespieltes lächelnde Gesicht. Was kommt jetzt?

"Wer bist du?", fragte sie mich und stellte sich etwas gerader hin um größer als ich zu wirken. Was wird das wenn sie fertig ist? Ich schaute sie kurz an und lachte dann los.
"Keine Sorge. Niemand der mit dir befreundet sein will.", sagte ich und schockte sie mit meiner Aussage.

"Ich würde aufpassen wie du mit mir redest.", sagte sie und wollte mir drohen, aber das zog bei mir nicht. Anstatt Angst zu haben, fing ich wieder an zu lachen.
"Tut mir leid wer bist du nochmal gleich? Die Prinzessin dieser Insel? Tut mir so leid meine Hoheit.", sagte ich und provozierte sie. Gerade als sie mich wieder anmeckern wollte, kam jemand neues zu uns.

"Louisa?", fragte sie und fing leicht an zu lächeln, als ich ihr zu nickte. Wer ist das jetzt? Hoffentlich keine Freundin von Clarissa. Hat Clarissa überhaupt mit ihrer Art Freunde?
"Ich bin Olivia. Deine Patin. Ich soll dir etwas unter die Arme greifen. Komm mit. Ich zeige dir unser Zimmer.", sagte sie und nahm mir meinen Koffer ab.

Ich schaute kurz zu Clarissa und verbeugte mich kurz vor ihr, ehe ich mit einem Mittelfinger in ihre Richtung Olivia hinter her lief. Hoffentlich ist Clarissa nur eine Ausnahme und alle anderen sind einigermaßen erträglich. Olivia macht einen guten ersten Eindruck.

"Mach dir keinen Kopf. Das war nur Clarissa King. Schulsprecherin. Sie hat nur gewonnen, weil sie den Mädchen aus der Unterstufe Süßigkeiten versprochen hat, wenn diese für sie wählen. Lange wird sie das aber nicht mehr bleiben. Sie macht zum Glück ihren Abschluss dieses Jahr.", erzählte Olivia und hielt mir die Tür auf.

Von außen sah das Gebäude größer aus. Die Flure sind eng und es gab so viele verschiedene Gänge und Treppen. Wie soll man sich hier bloß zurechtfinden? Olivia lief mit mir einen kleinen Gang entlang und fing an die Treppe hoch zu gehen. Uns kamen immer wieder Schülerinnen entgegen, die mich mit einem komischen Blick begrüßten.

Langsam verstehe ich warum mich jeder so anschaut. Immerhin bin ich erstens nicht von hier und trage deswegen auch keine Uniform. Ich seh genauso wenig aus wie die typische Inselbewohnerin. Ich hatte sonst nie Probleme mich irgendwo einzuleben, aber ich glaube dies wird meine erste Erfahrung in dem Bereich sein. Immerhin bin ich jetzt die neue und diejenige die sich anpassen muss.

"Wenn wir deine Sachen abgestellt haben, zeige ich dir etwas das Haus und alle wichtigen Orte, die du kennen musst.", sagte Olivia und blieb in der dritten Etage stehen. Sie lief zielsicher einen weiteren Gang entlang und klopfte an einer Tür, bevor sie hinein tritt.

Die zwei Mädchen im Raum hörten auf zu lachen und schauten zur Tür. Währenddessen sie Olivia anlächelten, bekam ich nur einen kritischen Blick ab. Jetzt reicht es mir.

"Ich bin die neue und ich weiß, dass ich nicht so aussehe wie ihr Inselleute, aber ihr könnt euch eure Blicke sparen. Lange werdet ihr mich sowieso nicht sehen.", sagte ich etwas genervt und lief auf das einzige freie Bett zu. Das wird wohl meins sein.

Keiner der anderen sagte noch ein weit. Wir waren alle zusammen in der Stille im Raum. Habe ich gerade den falschen ersten Eindruck gemacht? Ich verdrehte kurz meine Augen und drehte mich dann um.

"Ich bin Louisa.", stellte ich mich kurz vor und hoffte, dass die anderen sich genauso vorstellen. Anstatt aber was zu sagen kamen sie einfach auf mich zu und umarmten mich alle zusammen. Begrüßt man sich so hier auf der Insel? Begrüßt man so Menschen, die man nicht kennt? Ich bin nicht die komische . . .

"Ich bin Fiona und das ist Beth", stellte das brünette Mädchen sich und die andere vor. Ich nickte ihr lächelnd zu und schaute dann zu Olivia, die mir neue Sachen in die Hand drückte. Sag mir bitte nicht, dass das die Uniform ist.

"Muss ich das wirklich anziehen?", fragte ich etwas deprimiert und wurde enttäuscht, als mir alle zu nickten. Ich verstehe den Sinn hinter Uniformen nicht. Wieso gibt es sie?
"Es gibt kollektiv Strafen für das ganze Zimmer, wenn du dich nicht daran hältst. Ich glaube nicht, dass du die gerne schon Feinde machen willst.", sagte Beth und gab mir Lackschuhe. Ich mache viel mit, aber das können sie vergessen. Kollektiv Strafe hin und her.

"Ganz sicher werde ich die nicht anziehen. Aus welchen Jahrhundert sind die bitteschön? Damit kann ich mich nicht sehen lassen.", sagte ich und hoffte, dass die anderen meine Entscheidung akzeptieren werden. Anhand ihrer Gesichtszüge wusste ich aber genau, was gerade in ihren Köpfen vorgeht. Genau das Gegenteil von dem was ich gerade denke.

"Wer soll dich bitteschön sehen außer uns? Wenn du es noch nicht bemerkt hast sind hier nur Mädchen und deine ganzen Freunde sind auf der anderen Seite der Welt. Du ziehst die Schuhe an.", meckerte mich Fiona an und wollte mir gerade die Schuhe anziehen, aber ich hielt sie davon noch ab. Ich kann das auch alleine. Ich bin nicht eingeschränkt. 

Mit einer genervten Miene setzte ich mich auf mein Bett und zog mir mein neues paar Schuhe an. Wer hat sich das bitteschön ausgedacht? Wieso hat sich noch niemand darüber beschwert? Würde ich länger hier bleiben, hätte ich mich dafür eingesetzt. Ein halbes Jahr Anwesenheit wird mich aber nicht dafür motivieren hier als Aktivistin tätig zu werden.

"Fertig? Na dann: Willkommen auf deiner ganz persönlichen Tour durchs Schloss!"

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