Kapitel 14

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„Wow.." Ich war hin und weg. Endlich kamen meine Mitschüler und Mr. Phantom schritt voran. Sein langes Gewand wallte hinter ihm her, es sah aus, wie ein Meer aus Muscheln. Ein weißes Meer.

Ich unterhielt mich mit Ariadne. „Ja, in Wey ist es soo cool! Ich muss dir unbedingt die Einhörner zeigen", versicherte sie mir. „Ist es so wie in der Menschenwelt?" „Was...nein? Viel, viel toller, du wirst sehen!"  Was verstand sie schon von meiner Welt? Doch sie hatte nicht übertrieben!

Es sah ganz anders aus, aber anders schön. Ich drehte mich einmal um die ganze Achse und reckte den Kopf in die Sonne. Überall standen Bäume und Häuser aus Stein. Eine lange Brücke führte ins Landesinnere hinein. Es gab Seen und die unberührte Natur sah unnatürlich schön aus. Der Wind blies mir durch die Haare.

Auch die anderen betrachteten die Flora und Fauna verzückt. „ Es ist jedes mal wie ein Paradies, wenn wir wieder herkommen! Von der Höhle aus lieb ich diesen Ausblick. Wir gehen immer einmal pro Jahr in die Menschenwelt, um sie kennenzulernen", sagte Zoe und trat zu mir. Ich sog ihren Duft nach Baum und Feuer ein.

"Ja, Wey ist das Schönste, was ich je gesehen habe", murmelte ich vor mich hin. Wir stiegen hinab ins Tal, sehnsüchtig warf ich den Blick auf den Felsvorsprung, wo ich gestanden habe. Es ging steil bergab, einige Feuerwölfe kamen ins Rutschen. Doch ich hielt mich erstaunlicherweise gut auf den Füßen.

Und da kam mir eine Idee. Ehe ich noch darüber nachdenken konnte, schwebte ich bereits drei Meter über dem Boden. „Oh, wow!", johlte ich begeistert und flog einen Looping. Ich konnte fliegen, ja ich konnte es sogar sehr gut! Es war eben meine Natur. „Linda, runter da!" Mr Phantom sah zu mir hinauf, aber ich ignorierte es. Ich fühlte mich frei und das konnte mir niemand mehr nehmen! Ich stieg höher auf, der Wind strich mir an meinen Wangen entlang. Ich konnte wahrhaftig fliegen, und das ohne große Übung. Klar, ich hatte Stunden gehabt, aber...das Meiste hatte ich selbst getan.

In meinem Blickwinkel bewegte sich etwas, ich schlug einen Haken und sah nach. „Hey, warte auf mich!" Roy  kam zu mir .

Seine Bewegungen waren geschmeidig, die großen Flügel durchschnitten die Luft mühelos. „Hi! Auch schon da?", neckte ich ihn, nahm seine Hand in meine und flog so schnell ich konnte den Fluss entlang.

Immer mehr Schüler stiegen in die Lüfte, schließlich auch die Lehrer. „Gut, dann fliegen wir halt zum Palast! Formation aufnehmen!" Sie reihten sich ein. „Komm, du bist mit mir ganz vorne", sagte Laura und ich setzte mich mit ihr an die Spitze. Ihr Gesicht strahlte glücklich. Neben uns flogen die Wächter, aber auch die Außenwächter. Ich fühlte mich heimisch und genoss das Gefühl, als das pure Leben durch meine Adern floss!

„Da vorne, siehst du sie?", meinte Roy, der ganz dicht an mir flog, zu dicht für Mr. Phantoms Geschmack. Er warf uns böse Blicke zu. Ich kniff die Augen zusammen und erkannte ebenfalls Feuerwölfe mit Lanzen. Ihre Banner flatterten im Wind wie eine Fackel.

Ihre Mäntel aus lila und goldener Seide reflektierten sie Sonnenstrahlen und eines davon blendete mich.

Die Lehrer begrüßten sie und gaben uns das Zeichen zum Landen. Tja, ich legte wie auch in Hjemme eine Bruchlandung hin. Ich rieb mir meinen Arm. „Alles gut?" Roy war sofort bei mir. „Ja!" In der Gegenwart der anderen war es mir peinlich, dass er so fürsorglich war. Ich lächelte ihn an und ging zu Zoe, die mit Josh  Ariane auf den Boden half.

Sie wurde gestern in der Nacht operiert und war noch nicht bei voller Stärke. Laut Mrs. Stevens würde ihr Fuß ohne Probleme verheilen. „Danke, du hast nicht zu viel versprochen!" Ich umarmte sie stürmisch.

Sie lächelte, sagte aber nichts. Wir waren nun weit im Landesinneren. Die Höhle und der erste See waren nicht mehr zu sehen. Wie groß Wey war! Ob es größer als Dänemark war?  Ob es so groß war, wie unsere Menschenwelt?

Ich runzelte die Stirn und ging den anderen kurzerhand nach. Die Brücke mündete nun bei einem Palast. Er war mit hohen Mauern umgeben, in der Dämmerung sah es wie in einem romantischen Film aus. Das fand auch offenbar Roy, denn er zog mich in seine Arme, ich konnte nichts dagegen machen.

Einige dachten sich nichts, einige kicherten und einige rollten mit den Augen, aber das war mir hier und jetzt egal. „Willkommen in Wey, Königin Naima erwartet Euch bereits schon." Einer der unbekannten Wächter hieß uns willkommen und führte uns durch ein Waldstück.

Als wir den Wald hinter uns ließen, gab es eine noch wunderbarere Sicht auf den Palast frei. Er lag auf einer Anhöhe, darunter lag einer der vielen Seen Weys. Er schimmerte türkis, Schatten huschten unter der Oberfläche durch das Wasser. Fische! Riesige Fisch!

"Schön hier, nicht?" Zoe grinste den Palast an. Meine Mundwinkel zuckten ebenfalls.

Ich war als Erste bei der Brücke und sah die Wächter fragend an. "Gehen Sie vor", meinte einer. Als ich meinen Fuß auf die Brücke setzte, spürte ich eine Veränderung. Die Luft war dicker und es roch süß. Wie eine unsichtbare Wand.

Ich fragte Zoe danach, da sie neben mir herging. „Ach, damit die Dämonen sich den Palast nicht näher können, gibt es ein magisches Schutzschild, ausgelöst durch einen Urstein, der in den Gemäuern versteckt liegt. Also keine Sorgen, kein Dämon kann hier rein". Was es doch alles gab! Und...Dämonen. Sie waren auch hier.

Meine Freude verbuffte. Diese paar Dämonen, die mir in Hjemme über den Weg gelaufen sind, waren nichts gegen die Gefahren hier in Wey.

Der Marsch bis zum Tor des Palastes zierte sich ins Unermessliche. Meine Beine waren schwer wie Blei. Die Wächter am hohen Tor waren Zentauren. Sie ließen uns ohne mit der Wimper zu zucken durch, vermutlich weil es Stauten waren. Das dachte ich, aber da bewegte sich einer und ich zuckte zusammen.

Ich bewunderte das Tor, es hatte eine seltsame Farbe. So leicht grünlich mit einem stich rot.  Wir mussten uns noch durchleuchten lassen, bevor wir die hohen Mauern des Palastes passierten.  Dazu kamen die Zentauren und berührten uns an der Schläfe. Ich spürte rein gar nichts, doch wie mir Roy zuvor erklärt hatte, jagten sie einen Feuerstrahl durch uns durch, um zu überprüfen, ob ein Dämon in uns verankert war oder nicht.

Dann durften wir endlich weiter, ich war schon ganz hibbelig. Mir blieb wörtlich der Mund offen stehen. Der Palast war aus Marmor erbaut worden. Er war sicherer doppelt so groß wie Hjemme, und das war ja schon groß gewesen. Er war komplett weiß, nur an dem Dach und an den vielen verschiedenen Türmen waren goldene Marmorierungen zu sehen.

Rosen und Dornen rankten sich auf den Seitenwänden empor, die Dächer der Türme waren aus schwarzem Ziegel. Der Hof davor war aus roten Stein gepflastert und Bäume verschönerten den wundervollen Ort. Und das war erst die Vorderseite. Ich mochte gar nicht wissen, was hinter und in dem Palast lag.

Zoe schloss ihn mir kichernd: „Ich weiß, es ist wie eine Wucht im Gegensatz zu Hjemme und vor allem gegen die Ortschaft hier. Die Bevölkerung besteht hier fast ausschließlich aus Feuerwölfen, wir leben eigentlich wie unsere Vorfahren".

„Okay, ja du hast recht. Aber ich finde es schön hier. So ganz ohne Medien". „Medien?" Meine Freundin starrte mich an. Stimmt ja, sie kannte Medien nicht. Wirklich Mittelalter hier. „Ist nicht so wichtig! Trainieren wir heute noch?" Ich zeigte auf meinen Bogen. Ich wollte endlich schießen können, meinen ganzen Elan herauslassen.

„Ja, okay! Nach dem Essen, ich zeige dir den Trainingsplatz", stimmte sie zu. Dann ging die Doppeltür des Palastes auf und ein Buttler kam heraus. Er war klein, seine Flügel mikrig. Ich fand ihn auf Anhieb sympathisch.

„Georg, schön dich wieder zusehen! Könntest du meine Schüler schon in unseren Abteil bringen? Ich würde Linda gerne mit der Königin bekannt machen", begrüßte Mr. Phantom ihn und nickte mir zu. Ehrfürchtig stieg ich die Marmortreppen hinauf und folgte ihm durch die geöffnete Tür.

Firewolf - GetarntWhere stories live. Discover now