Kapitel 16

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 Okay, also nicht soo spektaktulär. „Linda, denk jetzt ja nicht sie sind nicht gefährlich! Meine Mutter ist durch sie umgekommen". Sein Ton wurde bitter, ich rückte von ihm ab: „Tut mir leid, das wusste ich nicht".

Wir schwiegen, schließlich stand ich auf. „Nein, bitte bleibe doch noch!" Er umfasste mein Handgelenk und zog mich zurück auf das Gras. Ich betrachtete fragend seine Hand.

„Ich habe dir es nur gesagt, weil ich nicht will, dass noch jemand wegen ihnen stirbt, den ich liebe". „Ja, okay! Ich werde aufpassen, versprochen", flüsterte ich und küsste ihn auf die Stirn. Wir waren normale Menschen, ohne Flügel und Dämonen. Ein verliebtes Paar, sonst nichts!

„Wolltest du mir nicht noch was zeigen?", wollte ich dann leicht verlegen wissen. „Ja, stimmt! Warte kurz". Roy zog unter seinem Hemd eine Muschel hervor und blies hinein. Ich runzelte zwar die Stirn, hielt aber den Mund. Die Muschel war hellrosa und ihre Kanten waren etwas abgebrochen, doch ich würde sie kaufen.

Kurz darauf ertönte ein Wiehern. Ein schneeweißer Pegasus flog auf uns zu und stoppte abrupt.  "Darf ich vorstellen? Das ist Raaba". „Wow, sie ist schön", staunte ich und ging um Raaba herum. Ihr Haar glänzte bläulich im Mondlicht, ihr weißes Fell reflektierte den Mond. Ihr Wiehern war glockenhell und ihre bernsteinfarbenen Augen musterten mich neugierig.

„Jeder Wächter von Wey hat ein Tier. Ich habe mir Raaba ausgesucht, weil ich das Gefühl hatte sie passt zu mir. Und ich habe richtig entschieden", verriet mir er und strich seiner Stute über den Rücken. Ich war verzaubert. Sonst hieß es immer, die Mädchen und ihre Pferde. Aber bei Roy und Raaba war es anders. Ich fand auch die Klischees richtig scheiße, immer ein Mädchen und ein schwarzer Hengst, der unreitbar war.

Raaba war das ganz sicher nicht und Roy...war kein Mädchen. Ich kicherte mit vorgehaltener Hand. "Was ist so lustig?", wollte Roy wissen. "Nichts!" Er kam zu mir und schlang von hinten einen Arm um meine Hüfte: "Wirklich nicht?" Ich legte den Kopf in den Nacken und gab ihm einen flüchtigen Kuss.

So verbrachten wir die nächsten Minuten, umarmt in einer Vollmondnacht.

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„Nein, ich werde ganz sicher nicht auf ihr fliegen!" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Linda, stell dich nicht so an! Raaba hat noch keinen abgeworfen", knurrte er. „Sind wir nicht zu schwer, und was ist mit Aduel?" So schnell gab ich nicht auf.

Prinzipiell hatte ich ja nichts gegen einen Ritt, aber nachdem Roy mir solche Geschichten von den Eulenschwingen erzählt hatte, die auch fliegen konnten, war es bei mir durch. Ich mochte Raaba ja und Roy würde ich mein Leben anvertrauen. Aber wie sollte ich ihm das erklären?

„Du hast jetzt Schiss, eine Euelnschwinge könnte kommen und dich und mich umbringen, nicht wahr?" Er grinste mich schief an. Dafür hasste ich ihn und hätte ihm am Liebsten eine gehauen.

„Gar nicht", sagte ich laut und boxte ihn gegen den Arm. „Doch, hast du!" „Komm, sonst wird es zu spät!" Ich überwand meine Angst und kletterte auf Raaba. Ihr Fell war so weich, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich tätschelte sie am Hals.

„Wow, das ist mein Mädchen. Halt dich an den Flügel etwas fest, aber nicht zu fest", warnte Roy mich, schwang sich hinter mir auf den Rücken und gab Raaba das Zeichen zum Flug.

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Ich wachte vollkommen zufrieden auf. Der Nachtritt hatte mir gut getan. Ich schlug die Bettdecke beiseite und weckte Zoe und Ari. „Oh, guck mal!" Zoe kam gerade aus der Dusche und hielt ein paar Sachen in der Hand.

„Was ist das?" Ich ging zu ihr und faltete das Kleidungsstück auseinander. Es war ein schwarzer Pullover und eine weiße, eng ansitzende Hose aus Seide. Wir probierten es an und zugegeben, wir sahen richtig schick aus. Ich warf mir meinen Umhang über und ging vor die Tür.

Es war so still, dass man eine Stecknadel fallen hören hätte können. „Morgen!" Laura kam auf mich zu. Sie trug wie die Wächter ebenfalls eine lila und golden Mantel. „Morgen! Heute ist dein erster Tag hier, ich muss dir nach dem Unterricht unbedingt Rius vorstellen", begrüßte sie mich.

Ich nickte, also war meine Schwester auch eine Wächterin, was man nicht alles so herausfand. Das Essen fand in einem Saal statt. Es gab von Speck bis Müsli alles. Dann kam der Butler und teilte uns die Unterrichtspläne aus. Flugtraining war bei jedem verschieden, aber auch Magietraining hatten wir und natürlich Bogenschießen.

Dort waren Lehrer vermerkt, die ich gar nicht kannte. Bis in den Nachmittag hatten wir alles Stunden, die ich schon kannte, ausgenommen der Elementarunterricht. Dort lernten wir die Elemente, die wir in uns trugen, besser kennen, wie ich erfuhr.

„Die Lehrer sind hier echt unglaublich", sagte ich zu Ari, als ich mit ihr zum Saal ging, um unser Mittagessen zu holen. „Ja, gefällt es dir eigentlich hier? Ich meine, du musst doch sicher dein altes Leben vermissen?"

Sie sah mich besorgt an. „Ach das?!" Ich winkte ab: „Ja, manchmal, aber hier gehöre ich hin!" Ari nickte und schwieg, als Zoe mit Josh zu uns traf. Sie hatten kein gutes Verhältnis und ich wusste, dass ich mich früher oder später zwischen ihnen entscheiden musste!

Würde ich das schaffen? Wie sollte ich mich für eine der beiden entscheiden?

Ich nahm mir mein Hühnchen mit und saß mich gemeinsam mit Aduel vor dem Palast auf die Wiese. Dort war es angenehm still und ich schloss die Augen. Rings um uns herum wuchsen Gerbereablumen. Sie waren rosa und wunderschön. Ich riss eine ab und betrachtete sie genauer. Dann steckte ich sie mir in mein hellbraunes Haar.

Aduel sah mich mit schräg gelegtem Kopf an. Ich ließ mich zurück ins Gras sinken und schloss die Augen.

 Aber auch nur ganz kurz, denn gleich darauf erklang ein Wiehern und ich wusste, dass es nun mit meiner Ruhe vorbei war! Und ich hatte recht! Vor mir setzte ein schwarzer Pegasus auf den Boden und sah mich neugierig an. Das musste dann wohl das Tier meiner Schwester sein.

„Hi Laura! Was gibt's, dass du mich stören musst?" Ich hatte nun wirklich Ruhe verdient, das sah Aduel auch so, er knurrte den Pegasus an. „Freut mich auch dich zu sehen", lachte meine Schwester. „Ich dachte, vielleicht willst du deine Großeltern kennlernen, aber so wie es aussieht nicht". Ich überlegte: „Na gut!" Ich lief auf Rius zu, er stieß mit seiner Schnauze zu. Ich lächelte und ließ mich von Laura auf den Rücken ziehen. Der Rücken war genauso weich wie der von Raaba.

Der Flug auf Rius war angenehm. Aduel reckte seine Nase gierig in den Wind, ich musst lachen. Obwohl ich nun täglich in der Luft war, staunte ich immer noch über den Blick, den man von den Lüften aus hatte.

Firewolf - GetarntWhere stories live. Discover now