Fire Island III

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„Wow", macht Liv, nachdem ich ihr die Geschichte von Milan erzählt habe. Nicht, dass es da viel zu erzählen gäbe. Wir hatten Sex in Buenos Aires, er hat mir in Windhoek einen fantastischen Blowjob beschert – nachdem er mich angelogen hatte – und dann hat er nicht mal nach meiner Nummer gefragt oder ob wir uns wiedersehen.

„Sag es ruhig", murre ich und löffele den Rest meiner Mousse au chocolat.
„Was genau jetzt?"
„Dass ich ein Idiot bin."
„Weil du nicht ihn nach seiner Nummer gefragt hast?"
„Was?", entsetze ich mich. „Warum hätte ich das tun sollen?"

Liv greift meine Hand und hat diesen verträumten Blick.
„Ihr trefft euch zweimal, an den ungewöhnlichsten Orten und du fragst ihn nicht nach seiner Nummer. Das ist wirklich idiotisch", seufzt sie.
„Liv, hast du mir überhaupt zugehört?", meckere ich. „Er hat gesagt, er wäre Pilot und das ist er eindeutig nicht, sonst wüsste ich das. Ergo – er hat mich absichtlich in Bezug auf seinen Beruf angelogen. Ergo – er hat überhaupt kein Interesse mich wiederzusehen. Ich war nur eine schnelle Nummer für ihn."

„Sagst du den Leuten, die du kennenlernst, immer die Wahrheit über deine Arbeit?", hakt sie nach und ich starre sie an.
„Das ist was anderes."
„Warum ist es bei dir was anderes, aber bei ihm nicht?"
„Weil mich immer alle nerven mit der Fliegerei", beschwere ich mich. „Das war bei den Jungs heute Nachmittag ganz ähnlich. ‚Raphael, hast du Freiflüge?', ‚Raphael, hast du lustige Geschichten?', ‚Raphael, wurdest du schon mal entführt?' Du kennst das doch."

Liv lacht, sieht mich aber weiterhin eindringlich an. „Und wenn er das gleiche Problem hat?"
„Wie meinst du das?"
„Vielleicht ist er Geheimagent oder einer von diesen Ärzten ohne Grenzen", stellt sie ihre Theorie auf. „Und wird ebenso mit Fragen gelöchert wie du."
Ich runzele meine Stirn.
„Aber..."
„Hat er denn nach deinem Beruf gefragt?"
„Nein. Aber nach dem Anruf wird er wohl gewusst haben, dass ich Pilot bin. Und er hat seine Lüge nicht aufgeklärt."
„Vielleicht war es ihm unangenehm?"

Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr befürchte ich, dass Liv recht haben könnte.
„Aber was ändert das?", motze ich und werfe meine Serviette neben meinen leeren Teller. „Er ist weg. Ich habe nicht mal seinen Nachnamen oder seine Nummer und er hat auch nicht nach mir gesucht. Also ist das Thema ohnehin vom Tisch und ich habe keine Lust mehr darüber nachzudenken!"

Liv gibt dem Kellner ein Zeichen, dass wir zahlen möchten und drückt meine Hand.
„Wenn es Schicksal ist, triffst du ihn wieder."
„Pfft", schnaube ich. „Schicksal. So ein Blödsinn."
„Bei Wendy und mir war es das auch", schwelgt sie in Erinnerungen.
„Nein, Liv", grinse ich frech. „Bei dir war es Raphael Andrews. Denn ohne mich wärt ihr nie ins Gespräch gekommen."

Liv war vor Jahren Flugbegleiterin bei mir und immer wenn wir in New York waren, schwärmte sie mir abends die Ohren über die hübsche Sicherheitsbeamtin am Flughafen voll. Jedes Mal wenn ich vorschlug, dass sie sie beim nächsten Aufenthalt doch einfach mal auf einen Kaffee einladen sollte, wurde sie ganz rot und verlegen und meinte, das könnte sie doch nicht tun, vielleicht hat die Frau Mann und Kinder zu Hause.

Also beschloss ich bei einem unserer Flüge von New York aus, das Ganze in die Hand zu nehmen. Zunächst lotste ich Liv zu der Kontrolle, an der ihre Angebetete stand, um die weiblichen Passagiere und das Flugpersonal zu kontrollieren. Allein das erwies sich schon als überaus leicht, denn besagte Sicherheitsbeamtin konnte ihre Augen kaum von meiner Freundin abwenden. Von wegen Mann und Kinder!

Eventuell stellte sich bei der Kontrolle heraus, dass Liv unerlaubte Flüssigkeit in Form von zwei Dosen eines süßen Gesöffs aus Roséwein in ihrer Handtasche hatte. Liv konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wie diese Dosen in ihre Tasche gekommen waren, sie lief ganz rot an, als die Beamte die Dosen zutage förderte.

„Vielleicht machen Sie eine Ausnahme, Officer", mischte ich mich augenzwinkernd ein und zu meiner Freude erkannte ich ein verkniffenes Grinsen auf dem Gesicht der Beamtin.
„Ich kann sie ja für Ihre Rückreise verwahren", erklärte sie hochoffiziell und Liv blinzelte nur verdattert.
Ich stieß sie in die Seite und murmelte: „Gib ihr vielleicht deine Nummer, Liv. Damit sie dich fragen kann, wann du dir deine Dosen wieder abholen möchtest."

„Ich bin Wendy", lächelte die Sicherheitsbeamtin meine liebe Kollegin an und diese nickte nur vollkommen paralysiert.
„Ihr Name ist Olivia", stellte ich sie vor und kritzelte bereits Livs Nummer auf einen kleinen Zettel. „Und normalerweise kann sie auch sprechen."
Wendy nahm mir den Zettel schmunzelnd ab, trat einen Schritt zur Seite und winkte uns durch die Sicherheitsschleuse.
Der Rest ist Geschichte.

„Ich frage mich immer noch, wie du diese grässlichen Dosen in meine Tasche bekommen hast", kichert Liv und ich grinse breit, als ich dem Kellner meine Kreditkarte reiche.
„Das, meine Liebste, bleibt für immer mein Geheimnis. Aber gib dir keine Mühe, einen Milan wirst du nie in meine Tasche schummeln können. Allein schon, weil ich normalerweise keine Tasche mit mir herumtrage."

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