Ubud

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„Du kannst doch wenigstens ein bisschen lächeln", stupst Milan mich kichernd in die Seite. Ich schaue ihn an und ziehe meine Mundwinkel nach oben. Als Lächeln kann man das nicht wirklich betiteln.
„Hier sind so viele Menschen", presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und drehe mich mit meinem verkrampften Gesicht nach vorn, um auf die Schlange aus Menschen zu zeigen, die vor uns anstehen.

„Raphael, das sind vielleicht zwölf Leute", lacht Milan neben mir. „Das entzerrt sich gleich."
„Warum sind wir nicht nach Canggu gefahren?", nöle ich und mein Freund küsst meine Schläfe.
„Oh Gott, ich bin ganz aufgeregt", zappelt meine Mutter neben mir herum. „Kommst du mit mir auf dieses Vogelnest, Raphael? Oder soll ich doch lieber auf eine Einzelschaukel?"

„Warum machen Sie nicht einfach beides, Mrs. Andrews?", schlägt Milan lächelnd vor und ich sehe ihn mit großen Bitte-tu-mir-das-nicht-an-Augen an. „Ich habe noch eine zweite Speicherkarte dabei und mit Ihnen in diesem hübschen Kleid werden die Bilder sicherlich traumhaft."
„Ach Milan", lacht sie und hakt sich bei ihm unter. „Du alter Charmeur."
„Nur die Wahrheit, Mrs. Andrews", grinst er und zwinkert mir zu, als ich ihm einen bösen Blick zuwerfe.

Wir stehen an der Bali-Swing, der vermutlich bekanntesten und somit auch überfülltesten Schaukel auf ganz Bali, an. Zum Glück gibt es nicht nur eine Schaukel, sondern ganz viele davon, aber dennoch bekomme ich schon seit unserer Ankunft einen hysterischen Anfall nach dem anderen, weil wir ausschließlich von wild plappernden und fotografierenden Touristen umgeben sind.

Doch meine Mom ist glücklich. Ihre Genesung hat lange gedauert, aber inzwischen ist sie ganz die Alte, wenn auch etwas vorsichtiger. Manchmal kribbelt ihre linke Körperhälfte, wenn ein Wetterumschwung bevorsteht und dann nimmt sie sicherheitshalber einen Stock zum Gehen, aber damit kann sie gut umgehen. Und wie ich ihr im Krankenhaus versprochen habe, sind wir nach Bali geflogen und sie darf sich ihren Herzenswunsch erfüllen und schaukeln.

Da mein hübscher Freund, den sie natürlich augenblicklich in ihr Herz geschlossen hat, als ich ihn ihr vorstellte, praktischerweise Fotograf ist, wusste er auch sofort, wo man die besten Schaukelbilder auf Bali machen kann.

Kurze Zeit später sitzen meine Mom und ich in einer dieser Vogelnestschaukeln, unter uns ein Dschungelmeer in sattem Grün. Milan knipst wie ein Verrückter und meine Mom kreischt ausgelassen, als uns einer der Angestellten immer wieder über den Abgrund schwingt. Lachend lege ich meine Arme um meine Mom und drücke sie fest an mich. Jetzt ist mein Lachen auch echt. Milan lässt die Kamera kurz sinken und blickt mich lächelnd an, bevor er wieder den Auslöser betätigt.

„So", entschließt sich meine Mom kurz darauf und krabbelt umständlich aus der Schaukelschale, gestützt von Milans Hand. „Jetzt gib mir dieses Gerät und sag mir, welchen Knopf ich drücken muss."
Fragend sieht Milan meine Mom an, als sie ihm den Gurt der Kamera über den Kopf zieht – dabei muss sie sich sogar auf die Zehenspitzen stellen, weil er so groß ist.
„Wieso?", fragt er verdattert.

„Weil du jetzt mit meinem Sohn schaukelst", befiehlt sie und schiebt ihn an den Rand der Schaukel, in der ich noch immer sitze und die von dem Angestellten an Ort und Stelle gehalten wird.

„Na komm, das wird lustig", lache ich Milan sarkastisch an, als er kopfschüttelnd zu mir in die Schaukel klettert.
„Das werden die kitschigsten Bilder überhaupt", brummt er neben mir, als ich meine Arme um ihn lege.
„Das hoffe ich", flüstere ich in sein Ohr und lege meinen Kopf auf seine Schulter. „Die kommen nämlich auf unsere Hochzeitseinladungen."

Vollkommen entsetzt drückt Milan mich von sich und starrt mir in die Augen, als genau in dem Moment die Schaukel losgelassen wird und wir über den Dschungel geschwungen werden.
„W-Was?", stottert er halb schreiend.
Betreten grinse ich und hole die kleine Schachtel, die ich gestern Abend in seinem Kulturbeutel gefunden habe, hervor. „Wenn der jetzt nicht für mich war, wird das hier sehr unangenehm", sage ich halb lächelnd.

„Du hast mir gerade meinen Antrag versaut", lacht Milan. „Ich hab das blöde Ding überall gesucht."
„So wie ich gestern Abend das Gleitgel, du Dussel", kichere ich.
Er nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst mich einmal direkt auf den Mund.
„Willst du denn?", fragt er und ich lache.
„Du Spinner", entgegne ich. „Wir machen gerade unsere Hochzeitseinladungsbilder. Und wie ich will! Willst du denn auch?"
„Obwohl du mir den Ring, den ich für dich besorgt habe, stibitzt hast?", kichert er und nimmt mir die Schachtel ab. „Hab ich denn eine Wahl?"

Mein Lächeln erstirbt etwas und ich sage leise: „Du hast immer eine Wahl, Milan."
„Dann wähle ich dich, Raphael", erwidert er mit Tränen in den Augen, bevor er mich erneut küsst und ich das laute Jubeln und Lachen meiner Mom und der umstehenden Touristen höre.

Ende

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Ihr Lieben, das war es wieder einmal.
Und wieder einmal bleibt mir nur noch das Wichtigste zu sagen:
DANKE!
Für jeden langen und kurzen Kommentar, das Mitfiebern, die Sternchen, die lieben Nachrichten, das Lesen und Nochmal-Lesen – ich danke jedem Einzelnen von euch, ihr seid einfach fantastisch und macht eine kleine Autorin sehr, sehr glücklich!
Eure Hazel

Weltenbummler | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt