Nachmittage auf dem Güterbahnhof

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Es ist einer dieser ruhigen Tage, an dem Vincent, Leonardo und Fanta auf dem alten Güterbahnhof herumhängen, während die Sonne sich langsam hinter den dicken Wolken hervorkämpft.

"Alter, endlich bist du wieder da, war langsam echt langweilig. Wisst ihr eigentlich wie stressig das bei uns zuhause ist, seit Fede aufs Abi lernt? Metallische Wellen hier, ich bin der Beste da, blablabla." Leonardo verdreht genervt die Augen.

"Was für metallische Wellen?", wirft Fanta skeptisch grinsend.

"Ja, keine Ahnung, sowas halt ... Wie kann er sich eigentlich so viel lernen müssen, wenn er doch ach so intelligent ist?", seufzt er und kramt seine Zigaretten hervor.

Sie sitzen im Gras und hören Musik über Vincents Handy. Erst Alarmsignal, dann The Casualties. Er wechselt den Song und legt dann das Gerät weg, ehe er wieder den Blick hebt und ihn auf Leonardo ruhen lässt.

"Manchmal führt er sich so arrogant auf, da wünsch ich ihm echt, dass er richtig auf die Fresse fliegt. Einfach null Punkte überall. Ganz ehrlich, er geht mir gerade so hart auf'n Sack", fährt dieser fort. "Und sein komischer Kumpel is genau der gleiche Wichser. Denkt, er wär jetzt besonders krass, weil er jetzt paar Drogen verkauft. Super."

"Ich habe schon ganz vergessen, wie anstrengend du bist", merkt Fanta an und lacht.

"Fick dich", erwidert Leonardo grinsend und zeigt ihr den Mittelfinger, kehrt dann aber wieder zu seinem Thema zurück.


Irgendwann verabschiedet sich Fanta von den beiden, um sich auf den Weg ins leerstehende Haus zu machen, wo sie seit ein paar Wochen mit anderen Leuten rumhängt.

"Ich fühl mich voll alleingelassen hier, wie du uns einfach für deine coolen neuen Freunde zurücklässt", seufzt Leonardo theatralisch, während Fanta sich den Dreck von ihrer Hose klopft. Am Horizont kündigt sich mittlerweile der nahende Sonnenuntergang an. "Ja, tragisch, was?", lacht Fanta und tritt über die stillgelegten Schienen.

"Bestimmt voll der Kindergarten." Leonardo zuckt mit den Schultern und zieht an seiner Zigarette.

"Wir haben neulich Ecstasy genommen", wirft Fanta betont beiläufig ein. Vincent kneift nachdenklich die Augen zusammen und lässt den Blick auf seiner Schwester ruhen. Der prahlende Unterton in ihrer Stimme ist ihm nicht entgangen. Sein Herz schlägt schneller.

Sie zuckt beinahe entschuldigend mit den Schultern, als sie seinen Blick auf sich spürt, und wendet sich Leonardo zu.

"Das ist mir jetzt echt zu krass. Ich gehe", meint er kopfschüttelnd, rappelt sich auf und lässt sich direkt darauf ins Gras sinken. "Hab ich ja noch nie genommen, oder?"

Fanta verdreht die Augen, dann verabschiedet sie sich, streicht das Gras von ihrem schwarzen Kleid und winkt den beiden nochmal zu.

"Ich m-m-mach mir echt Sorgen um s-s-sie", merkt Vincent an und sieht seiner Schwester hinterher, die alleine über den verlassenen Güterbahnhof geht. Der Wind weht durch ihr blondes Haar, das hell auf den schwarzen Klamotten leuchtet.

"Wegen dem Ecstasy?", fragt Leonardo nach.

Vince zuckt mit den Schultern."Und s-s-sonst auch. D-Die L-Leute, mit d-denen sie rumhängt und s-so."

"Guck mal, bin doch auch nich'abgestürzt, obwohl ich auch schon lauter so Kram genommen hab", versucht Leonardo ihn zu beruhigen. "Sie wills nur mal ausprobieren, ist doch normal."

Nachdenklich sieht Vince über die verfallenen Gebäude, seine Schwester ist mittlerweile nicht mehr zu sehen. Er glaubt nicht an Leonardos Worte, doch weiß auch nicht, wie er sie davon abhalten kann. Auf jeden Fall muss er nochmal mit ihr reden.

"Mach dir keinen Kopf, ehrlich nich. Sie weiß, was sie tut", sagt Leonardo.


Von Helden und VerlierernWhere stories live. Discover now