Weihnachtswahnsinn

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Auf diese unnötige Scheiße namens Weihnachten hätte ich auch verzichten können, schließlich gabs wohl wenig, dass mehr Zeitverschwendung war, als mit irgendwelchen Verwandten und viel zu kitschiger Deko herumzuhängen.

In meiner Kindheit hatten wir nie eine große Sache daraus gemacht. Lexie und ich hatten immer einen dieser Schokoladenadventskalender von Aldi. Meistens erst ein paar Tage zu spät, weil sie dann runtergesetzt waren.

Aber wenigstens besorgte die Alte immer Geschenke.
Außerdem hatte sie sich nie die Mühe gemacht, uns so ne Scheiße von wegen Weihnachtsmann zu erzählen. Das musste man ihr hoch anrechnen.

Ich war ziemlich zufrieden damit. Kein unnötiger Stress, keine verschissene Heuchelei, dafür aber Geschenke. Damit konnte ich gut leben.

Vielleicht hatte ich darum auch vergessen, was überhaupt für ein Tag war, als ich irgendwann am 24. Dezember bei Fede klingelte. Oder es lag daran, dass ich viel zugekokst war, um irgendetwas zu realisieren.

Leonardo öffnete mir.

»Hey, Mann, was geht?«, grinste er und wurde beinahe von Alessia umgerannt, die eine rote Weihnachtsmannmütze auf dem Kopf trug. Ihre dunklen Haare flogen wild durch die Luft, als sie vor mir stehen blieb.

»Frohe Weihnachten!«, grinste sie.

»Leck mich am Arsch, is ja scheiß Weihnachten. Ich hau ab«, beschloss ich und wollte wieder kehrtmachen.

»Wie kannst du vergessen, dass Weihnachten is, ey? Hängt doch in der ganzen verdammten Stadt Deko rum, oder?«, lachte Leonardo.

»Alter, ich weiß ja nicht, in was für 'ner Fantasiewelt du lebst, aber guck dir mal unser Viertel an. Is nichts mit Kitsch. Und wer feiert hier schon Weihnachten, Alter.« Ich fuhr mir durchs Gesicht und hatte einen Moment lang das Gefühl, mich gleich auf die Fresse zu legen. Kein Wunder, vor ein paar Stunden hatte ich noch mit Tarek im Xenon gesoffen.

»Ja, scheiß drauf, du feierst heute mit uns, okay?«, grinste Leonardo und zog mich am Ärmel in die Wohnung. »Komm, Jay, ey!«

Ich machte mich grob von ihm los und schob dann Alessia zur Seite, um in die Wohnung zu treten. Ich streifte meine Schuhe ab und etwas Schneematsch viel auf den ohnehin schon dreckigen Boden. »Wo's Fede?«

»Wohnzimmer«, meinte Leonardo und wollte gerade dazu ansetzen, mich mit irgendwas zuzulabern, da durchquerte ich den Flur und trat in das eben genannte Zimmer. Sie hatten tatsächlich einen scheiß Weihnachtsbaum aufgestellt, schön war er nicht, mit nur wenigen Zweigen und hässlichen Kugeln.

Aber es war ein verfickter Weihnachtsbaum. Alter. Das schoss wirklich den Vogel ab.

»Was machst du hier?«, fragte mich Fede, der im Schneidersitz auf der Couch saß und in einem Buch las. Ich warf einen kurzen Blick darauf. Von Stephen Hawking, irgendetwas über das Universum. Passte zu diesem Streber.

Ich ließ mich erschöpft auf die Couch fallen. Dieser Wichser sollte sich lieber mal freuen, dass ich da war.

»Dein Bruder hat mich eingeladen. Dass ich mit euch esse und so«, erklärte ich und schaute Gloria dabei zu, wie sie noch ein paar Geschenke unter den Baum legte.

»Ey, Jay, Mann, das ist echt cool, dass du bleibst!«, lachte Leonardo, der nun ins Zimmer kam und mit einem großen Satz auf die Couch sprang. Dieser Junge hatte einfach zu viel Energie und ich hätte ihn am liebsten unter Keta gesetzt.

»Siehste, Fede, wenigstens einer, der sich über meine Anwesenheit freut«, lachte ich.

»Mimimi«, grinste Fede. »Es ist faszinierend, dass du krasser Gangster so oft am Rumheulen bist.«

Der Vater kam mittlerweile auch herein und nickte mir kurz zu, ehe er sich auf seinen Stammplatz setzte und den Fernseher einschaltete. Wie immer ein italienisches Programm. Sportschau dieses Mal.

»Ich heule gar nicht«, widersprach ich meinem besten Freund. Der Wichser sollte sein Maul nicht so weit aufreißen, sonst würde er gleich kassieren.

»Oh, doch. Ich werde so wenig beachtetet, mimimi, niemand juckt sich um mich, mimimi«, äffte er mich nach.

Ich presste meine Zähne aufeinander. »Hab ich nie gesagt!«, gab ich zurück und versetzte ihm so einem festen Schlag gegen den Oberarm, dass es einfach wehtun musste. Doch Fede verzog keine Mimik. Idiot.

Mittlerweile verbreitete sich der Geruch von Essen in der Wohnung. Keine Ahnung, was es war, aber es roch gut. Besser als meine ständige Fertigpizza, die allenfalls verbrannt roch. War dem zu verdanken, dass ich in letzter Zeit recht oft stoned war und sie mehr als einmal im Ofen vergessen hatte.

Das war definitiv einer der Vorzüge, mit einem Italiener befreundet zu sein. Man kam immer an geiles Essen. Weil seine Familie sich wohl als Ziel gesetzt hatte, jedes verfickte Klischee zu erfüllen.

»Singt ihr jetzt Weihnachtslieder oder so?«, fragte ich grinsend, während der Vater den Fernseher etwas lauter stellte. Hatte wohl offensichtlich auch keine Bock auf die Scheiße hier.

»Sing du doch, wenn du so scharf drauf bist«, gab Fede zurück.

»Ne, wir essen und dann machen wir Bescherung und dann essen wir abends irgendwann noch Plätzchen«, erzählte mir Leonardo. Mir entwicht ein genervtes Stöhnen, das klang nach unfassbar viel Abfuck. Kurz dachte ich darüber nach, einfach auf dem Klo noch eine Line zu ziehen, aber ich hatte gar nichts mehr dabei. Super.

Von Helden und VerlierernWhere stories live. Discover now