Vincent und Fede

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"Vincent, warte mal bitte." Federico legt Vincent die Hand auf die Schulter und hindert ihn so am Verlassen der Wohnung. Die Füße des Punks stecken in seinen schmutzigen Springern, er verzichtet darauf, sie zu schnüren.

Vincent sieht ihn fragend an, während Federico die Worte in seinem Kopf zurechtlegt. Noch einen Moment zögert, weil er sich nicht sicher ist, ob diese Aktion überhaupt etwas bewirken kann.

"Hättest du kurz'n Augenblick? Ich würde gerne mit dir über Leonardo sprechen", sagt er schließlich und vergräbt die Hände in den Taschen seiner Sweatjacke. Vincent mag ein Jahr jünger sein als er, doch er überragt ihn dennoch um mindestens einen Kopf.

Vincent nickt und folgt Federico nach draußen.

"Ich mache mir Sorgen um meinen Bruder", setzt der an, während sie den Flur des Plattenbaus durchqueren. Von irgendwoher ist das Brüllen eines Babys zu hören.

Vincent beginnt damit, sich eine Kippe zu drehen. Er schiebt sich einen Filter zwischen die Lippen.

"Er ist ständig besoffen. Oder auf irgendetwas drauf", meint Federico und schließt seine Finger im Inneren seiner Jackentasche umeinander.

Vincent zuckt mit den Schultern und bewegt die Finger hin und her, um den Tabak zu festigen. Dann sieht er Federico mit einem nachdenklichen Blick an. "Sch-Schau lieber n-nach deinem K-Kumpel. J-Jay. Der ist es, d-durch den L-Leo an Drogen k-kommt."

"Wow. Als wäre mir das nicht aufgefallen", murmelt Federico ironisch.

"W-Was willste jetzt von mir?" Vincent sieht ihn aus dunklen Augen heraus an. Er hat einen intensiven Blick, der lange auf Federico ruhen bleibt.

Federico zuckt mit den Schultern. "Vielleicht kannste ja mal mit ihm reden oder so."

"M-Meinste, d-dann hört er auf?" Vincent hebt die Augenbrauen, in seiner Stimme schwingt ein fast schon überheblicher Unterton mit. "Sein P-Problem is' wo a-anders."

"Und wo?" Federicos Antwort klingt fast schon patzig, dabei gilt die Wut, die er tief in sich spürt, vielmehr sich selbst.

"Er f-fühlt sich z-zuhause schrecklich unw-wohl. Bei s-seiner M-Mutter und s-seinem t-tollen B-Bruder, die immer n-nur an ihm herumnörgeln."

"Hat er das so gesagt?" Mit nachdenklich gerunzelter Stirn sieht Federico Vincent an. Die abrasierten Seiten. Die Sicherheitsnadel im Ohr. Die Nieten an seiner Jacke.

Vincent nickt. Ein paar grüne Strähnen fallen ihm in die Augen, mit einer Handbewegung schiebt er sie zur Seite.

"Fuck", murmelt Federico und nestelt unruhig an seinem Pulloverärmel herum, während die Erinnerung an so viele Gespräche mit Leonardo, in denen er ihm genau dieses Gefühl gab, in ihm aufwallen. Er hat es eigentlich nie so ernst genommen und doch ist ihm klar, wie oft er seinem Bruder schon wehgetan hat. "Fuck", wiederholt er. Vincent sieht ihn einfach nur an. "Hat er sonst noch was gesagt?"

"D-Dass du ein arroganter W-Wichser bist und er w-weiß, d-dass er ein Idiot ist. M-Man m-muss es ihm nicht immer sagen."

Von Helden und VerlierernWhere stories live. Discover now