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Keyden


Mit vor Schock offenem Mund stand ich da. Eiskalte Trauer und heiße Wut kämpften in meinem Inneren darum, die Oberhand zu gewinnen.

Ich konnte mich nicht erinnern jemals geweint zu haben, doch am liebsten täte ich jetzt genau das.

Ich wollte bewusstlos zusammenbrechen oder – besser noch – aufwachen und feststellen, dass ich das nur geträumt hatte. Doch das konnte ich nicht. Ich wusste, dass es wahr war.

Schwerfällig drängte ich all meine Gefühle zurück und ging nach Hause. Eine leere Hülle, die lediglich von ihren Beinen davongetragen wurde. Ihr Aufschrei hallte in mir wieder, wie ein mich verspottendes Echo.

Das Haus, das sie ansteuerte. Der Mann, der die Tür öffnete. Dad?!... Wie sie freudig auf ihn zustürmte.

Wie sie sich in die Arme fielen.

Wie er sie lächeln ansah, als wäre sie für ihn das wichtigste auf der Welt. Wie er sie liebevoll ins Haus führte. Und schließlich, wie die Tür ins Schloss fiel.

Ein endgültiges Geräusch, das die Welt erschüttert hatte und so laut war, dass es beinah den Aufschrei meines Herzens übertönt hätte. Mein Herz, das in Flammen aufging.

Absolut jede Beziehung, die ich geführt hatte, war schlecht verlaufen. Ich hatte kein Händchen dafür, die Richtige zu finden. Und jetzt hatte ausgerechnet sie es geschafft, sich in mein Herz zu schleichen. Nur um es zu zerstören – endgültig zu zerstören. Scheiße! 

Ich legte meine Hand auf meine Brust und zog den Kragen meinen Shirts weiter nach unten, aber es half nichts. Der Kloß in meinem Hals und das Seil um meine Brust und Kehle blieb.

Ich hatte mal gelesen, dass das schlimmste am Verrat sei, dass er nie von deinem Feind kommt, sondern immer von jemandem, dem du vertraust.

Damals war mir klar, dass diese Worte stimmten, doch jetzt hatte ich meinem Feind vertraut.

Ich wusste gar nichts mehr.

Sobald ich zu Hause war ignorierte ich alles und jeden, der mir über den Weg lief. Schnurstracks ging ich in den Trainingsraum und fing, ohne mich vorher aufzuwärmen, an auf den Boxsack einzuhämmern.

Der Druck und die Wut, die sich in mir aufgebaut hatten glitten mit jeden weiteren Schlag von mir ab.

Als mein Shirt nass vom Scheiß war, zog ich es mir in einer flüssigen Bewegung über den Kopf und boxte weiter. Es war mir egal, dass meine Hände an den Knöcheln angefangen hatten zu Bluten.

Der Schmerz tat gut. Lenkte mich von dem Schmerz in meinem inneren ab.

Es mussten Stunden vergangen sein, denn draußen fing es bereits an zu dämmern. Ohne mich um mein blutendes, verschwitztes Aussehen zu kümmern ging ich in das schwer gesicherte Büro meines Vaters, in das ich ihr Einlass gewährt hatte.

Die Sicherheitscodes nahm ich nur am Rand war, als ich in das Zimmer trat, wo mein Vater gerade eine Besprechung mit einigen unserer Leute vornahm.

Mein Dad hielt in seinem Satz inne und maßregelte mich, für meine Auftreten. Ohne auf seine Einwände zu achten trat ich vor seinen Tisch, stützte mich mit den Armen darauf ab und beugte mich leicht zu ihn herüber.

„Würdest du dich gerne mit Jack Remorse´ kleiner Tochter unterhalten?“, fragte ich verschwörerisch und mein Vater fing an breit zu grinsen.

Lying  LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt