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Selena


Mit gespieltem Selbstbewusstsein saß ich nun Lean Millers, der Person, die ich ein Leben lang gehasst hatte – und auch noch immer hasste – gegenüber und gab Informationen über meinen Jack, meinen Dad, preis.

Schuldgefühle hatte ich keine. Selbst, wenn ich dazu in der Lage wäre, hätte ich vermutlich keine. Nachdem Mom gestorben war hatte ich mein Leben danach gerichtet ihn stolz zu machen und seine Erwartungen zu erfüllen. Verdammt, selbst Keyden hatte ich für ihn verraten, obwohl ich mir über meine Gefühle im Klaren gewesen war und genau wusste, dass ich ihn damit verlieren würde. Diesem Fehler würde ich nie mehr wiederholen.

Ich hatte lange überlegt und war zu dem Schluss gekommen, dass ich Keyden vertrauen musste. Dies fiel mir ungemein schwer, doch ich tat es – oftmals auch, wenn ich es gar nicht wollte.

Zudem würde ich einzig und allein Keyden vertrauen. Niemand anderem – für der Rest meines Lebens. Ich gab meinem Freund genau eine Chance und sollte er diese verhauen...dann würde ich jeden Umbringen, der es versucht oder gar geschafft hatte mich zu verletzten, und anschließen mich selbst.

„Was plant dein Vater?“, hackte Lean zum wiederholten Male nach, doch ich grinste ich einfach weiterhin schweigend an.

Ich konnte mich nicht erinnern, davon gesprochen zu haben Leans Befehlen zu folgen. Außerdem war es verdammt lang her, dass ich in meinem ehemaligen zu Hause war, woher also sollte ich wissen, was Jack dachte?

Wütend schlug Lean mit der Faust auf seinen Schreibtisch, sodass alle Gegenstände darauf erzitterten. „Holt Keyden!“, donnerte er wutentbrannt, woraufhin einer der Sicherheitsmänner sich von der Stellung an der Wand löste und den Raum verließ. Wieso nicht gleich so?

„Lean, Lean“, säuselte ich tadelnd und schnalzte mit der Zunge, während ich ihn freundlich anlächelte, „Haben wir da etwa ein kleines Aggressionsproblem?“

Einige der Sicherheitmänner im Raum begangen zu husten, im kläglichen Versuch ein Lachen zu unterdrücken.

Keydens Vater atmete ruhig aus und ich konnte förmlich sehen, wie er im Kopf von Zehn runterzählte – vor allem, da er dabei lautlos seine Lippen unbewusst mitbewegte.

„Fünf, vier, drei...“, zählte ich laut mit und legte meine Füße überkreuzt an den Rand seinem Tisches, während ich mich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen in meinem Stuhl zurücklehnte.

Bei Zweieinhalb musste ich abbrechen, das Lean mich wütend ansah. Provokant hob ich meine Augenbrauen. „Du bist immer noch wütend, nicht wahr? Ich sagte dir jetzt das selbe, was ich auch meinem Therapeuten gesagt habe: Das mit dem Zählen bringt absolut nichts. Mich persönlich zum Beispiel mach es nur noch aggressiver. Dabei habe ich eigentlich gar keine Aggressionen. Na ja, außer wenn ich Mal deine Visage irgendwo sehe. Und jetzt auch die von Jack. Was aber wirklich frustrierend ist, ist der Umstand, dass es mir verwehrt bleibt euch beide in Hades´ VIP-Lounge zu schicken. Aber Hey, man sollte seine Träume schließlich nie aufgeben – Keyden! Du hier? Das ist ja total überraschend und schockierend“, begrüßte ich meinen Freund in einem ironischen Tonfall, als er während meiner Ich-laber-Lean-voll-bis-er-mit-den-Nerven-am-Ende-ist-Aktion in das Büro seines Vaters kam.

Als mein Keyden das genervte Gesicht von Lean sah musste mein Freund vergnügt schmunzeln. Tja, er kannte mich eben gut.

„Was macht ihr hier?“, hackte mein Freund nach.

Amüsiert grinste ich ihn an. „Dein Erzeuger ist der der verblödeten Annahme verfallen, dass er berechtigt wäre eine wichtige Rolle in den Entscheidungen bezüglich meiner Handlungen einzunehmen.“

Belustigt schüttelte Keyden den Kopf und ließ sich auf dem Stuhl neben mir fallen. Manchmal überrasche mich der scharfe Verstand meines Freundes, so auch jetzt, als er die Situation in wenigen Situationen erfasste. „Ich bin ehrlich: Es überrascht mich ehrlich gesagt, dass du dein Wort hälts und tatsächlich nur mit mir sprichts. Wie auch immer, weißt du überhaupt, was dein...Jack plant?“

Ich schmunzelte über die Tatsache, dass Keyden Rücksicht darauf nahm, dass ich Dad nicht mehr als meinen Dad betiteln wollte. Nicht, nachdem er so gut wie jeden Auftragskiller im ganzen Saat mit der beachtlichen Größe meines, von ihm ausgestellten, Kopfgeldes auf mich gehetzt hatte.

„Nö“, gab ich schulterzuckend zu und grinste Keydens Vater provokant an. Wutentbrannt sprang dieser von seinem Stuhl auf und funkelte mich hasserfüllt an. Oh, ich liebte es wenn Leute mir solche Blicke zuwarfen. Fast so sehr, wie, wenn sie sich aus Angst vor mir in die Hose machten.

„Das war´s! Ich werde mir eine solche Respektlosigkeit nicht länger bieten lassen!“ Lean zog seine Pistole aus seiner Jacke und zielte auf meine Brust.

„Dad! Hör sofort auf damit! Ich war -“, fuhr Keyden ihn an, doch er wurde von dem Knallen der Schüsse unterbrochen.

Nachdem drei Kugel in meinem Oberkörper einschlugen, riss Keyden seinem Vater die Waffe aus der Hand, schlug ihm die Nase ein und schoss Lean ins Bein.

Jetzt müsste ich nur noch auf Keyden losgehen und jeder würde jeden vermöbeln. Ich stellte mir das ganze so lustig vor, dass ich anfing laut loszulachen und mich gar nicht mehr richtig einkriegte. 

Als ich dann auch noch das Blut sah, dass aus Leans Bein troff fiel ich rückwärts vom Stuhl. Den stechenden Schmerz, der mir dabei durch den Hinterkopf fuhr, ignorierte ich geflissentlich.

Der paradoxe Umstand, dass ich Lean immer hatte umbringen wollen und nun ausgerechnet Keyden, den ich – Überraschung – ebenfalls hatte umbringen wollen  seinen Vater angeschossen hatte, weil dieser wiederum mich versucht hatte zu erschießen...Das ganze war einfach zu komisch! 

„Selena?“, fragte Keyden und sein besorgtes Gesicht tauchte über meinem auf.

Gezwungen ihm zu antworten hörte ich auf zu lachen, doch mein Grinsen verschwand nicht. „Jetzt sind wir schon beim Vornamen angekommen? Was ist den aus 'Boss' geworden?“

„Kann mich nicht erinnern, dass wir jemals bei Boss waren“, grinsend nahm Keyden meine Hand und zog mich mit einem kräftigen Ruck auf die Beine, bevor er mich so nahm an sich drückte, dass seine Lippen an meinem Ohr lagen. So leise, dass nur ich es hören konnte sagte er: „Ich bin froh, dass du die kugelsichere Weste angezogen hast, Boss.“

Mein Freund verlieh den letzten Wort einen spöttischen Nachdruck, der etwas schelmisches an sich hatte und mich grinsen ließ, während er sich wieder von mir entfernte.

„Tja, so lustig das auch war...ist“, verbesserte ich mich, während ich den Stuhl wieder hinstellte und mich darauf mit überschlagenen Knien nieder ließ, „Ich glaube, Keyden wollte noch was sagen.“

Ungeachtet seiner Wunde setzte Lean sich wieder hin, doch obwohl er den großen Macker spielen wollte, erkannte ich an seinen verkrampften Händen, dass er sehr wohl Schmerzen hatte. Ha, Karma!

„Na ja, du kennst Jacks Pläne nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du weißt, wie man an sie heran kommt“, erklärte Keyden schließlich und sah seinen Vater giftig an.

Uhhh, Zickenkrieg auf Mafiosi-Macho-Niveau.

Ich grinste meinen Freund an. „Möglicherweise“, gab ich kryptisch von mir und zuckte mit den Schultern.












Lying  LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt