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Keyden

Ich liebte sie. Deshalb hasste ich sie. 

Und ich hasste mich, weil ich zuließ, dass man ihr das antat. 

Damit war ich mindesten ein ebenso großes Arschloch, wie sie.

Während sie gefoltert wurde, stand ich immer hinter der Tür und sah ihr durch den einseitigen Spiegel dabei zu, wie sie immer mehr den Verstand verlor. Nicht, dass sie vorher wirklich viel gesunden davon gehabt hatte, aber...sie hatte gelacht. Gelacht, als Alexis sie grün und blau schlug. 

Dazwischen hatte sie geredet und das vermutlich mit sich selbst. Oder vielleicht mit jemanden, den sie sah – jemandem, der nicht da war. 

Ihre Worte waren zusammenhangslos und wenn ich sie so sah, tat es mir weh. Innerlich. Obwohl es das eigentlich nicht sollte. KIch hatte sie alle weggeschickt und auch wenn es ein Risiko war, so war ich bereit es einzugehen. 

Es war Nacht und ich stand mir einem riesigen Wasserkrug vor der Tür, hinter der der Rest meines Herzens lag und immer mehr dem Wahnsinn verfiel.

Ich zögerte nicht, schloss die Tür auf, machte das Licht an und ging zu ihr, nachdem ich die Tür hinter mir wieder sicher geschlossen hatte. 

Selena hing schlaff und mit geschlossenen Augen in ihrem Stuhl. Sie sah gebrochen aus, doch das war sie keinesfalls und das erkannte auch jeder, der sie sah. Denntrotz ihrer leblosen Erscheinung, waren ihre weichen Gesichtszüge von falschem Stolz geprägt. 

Und würde ich die Fesseln nur ein wenig lockern, würde sie jeden umbringen, den sie traf. 

Ich war nicht naiv. Und Selena war nicht gebrochen. Doch das beabsichtigte ich auch gar nicht.

Seufzend ging ich zu ihr und strich ihr sanft über die Wange; die erste zärtliche Berührung, die sie nach langer Zeit bekam. 

Sofort öffnete sie die Augen und blinzelte scheinbar schwach. „Das Feuer hat mich verbrannt. Und ich habe zugelassen, dass es mich verletzt“, krächzte sie völlig zusammenhangslos, woraufhin mein Herz sich schmerzhaft zusammenzog. 

Ihre Stimme klang rau und ich wusste, dass sie nicht mit mir sprach. Auch wenn sie völlig neben sich zu sein schien, strahlten ihre grasgrünen Augen noch immer Freundlichkeit, Vertrautheit und Tücke aus. Letzteres war mir bisher nur nicht aufgefallen, doch es war schon immer da. 

Ich liebte dieses Miststück.

„Trink“, befahl ich ausdruckslos und hob das Wasser demostrativ an. Wenn Selena nicht bald was trankt würde sie sterben – und das wollte ich nun wirklich nicht. 

Schwach aber bestimmend schüttelte sie den Kopf. Die Schlücke würden schmerzhaft in ihrer Kehle brennen, doch da musste sie jetzt einfach durch. 

Mit leichtem Druck umfasste ich ihr Kinn mit Daumen und Zeigefinger, riss ihren Kopf herum und zwang sie somit mich anzusehen. Ein Hauch von Zorn blitzte in ihren Augen auf, angesichts meiner groben Behandlung, doch ich war noch immer wütend auf sie und wollte mich gleichzeitig um ihr Wohlbefinden kümmern, was die ganze Situation etwas kompliziert machte.

Ich sah sie mit harter Mine an. „Ich bin nicht der nette Typ, der ich vorher war, und du bist nicht Gina aus dem Club. Ich bin Keyden Millers, einer der gefährlichsten Männer der Welt, und du bist Selena, eine lebende Waffe, die mein Herz gestohlen und zerrissen hat. Du wirst jetzt trinken, weil du sonst dehydrierst und dann wirst du mir meine Fragen beantworten – Fragen, die nichts mit deinem Vater zu tun haben. Du wirst nicht lügen und ich entscheide danach, was mit dir geschieht. Mund auf.“

Selena zögerte, sah dann zu dem Glaswasserkrug und öffnete schließlich widerwillig aber dennoch gehorsam den Mund. 

Ich setzte den Krug an ihre aufgerissenen Lippen und hob ihn an. Mit gierigen Schlücken leere sie ihn bis auf den letzten Tropfen und seufzte schließlich auf, als ich den Krug auf den Boden stellte.

„Du willst also Fragen stellen, die nichts mit meinem Dad zu tun haben. Was willst du dann wissen? Wie lange Sonnenstrahlen von der Sonne bis zur Erdoberfläche brauchen?“, fragte sie schließlich und ihr Mundwinkel fing verräterisch an zu zucken.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich will dein Geschichte hören.“

„Meine Geschichte?“

„Ja, alles was du gedacht und gefühlt hast, angefangen an dem Tag, an dem du auf meinen Schoß gefallen bist.“

Selena schien kurz zu überlegen, nickte dann jedoch und fing an zu erzählen.

Sie erzählte, wie sich absichtlich auf mich gefallen war, wie sie mit mir gespielt hatte. Auch kam sie meiner Bitte nach, ihre Gefühle dabei zu erwähnen. 

Für meinen Geschmack hätte sie ihre Abscheu und ihren Hass nicht ganz so ausführlich erklären müssen. Sie sagte mir, wie toll sie es fand dem betrunkenen Mann aus Disneyland weh zu tun und wie amüsant Eifersucht für sie war. 

Ihre Worte waren wie Nadelstiche, bis sie plötzlich anfing langsamer zu sprechen. Sie selbst merkte es anscheinend nicht, doch ich bekam es mit. Auch, wie sie aufhörte mich anzusehen und sie nicht mehr von Hass sprach. Sondern davon, wie sie anfing mich zu lieben. Auch wenn sie dieses Wort nicht benutzte. 

Ich sah es an ihrer Körperhaltung; wie sie sich verändert hatte. Und schließlich erklärte sie, warum sie meinen Vater so sehr hasste. 

Natürlich hatte ich davon gehört, dass er Lilyann Remorse auf grausamste Weise getötet hatte, doch dass Selenas Mutter mit Zwillingen schwanger gewesen war, wusste ich nicht. 

„Ist deine Mutter wirklich tot?“, hackte ich behutsam nach.

Sie zuckte mit den Schultern. „Wenn nicht, war es ein Fehler sie zu begraben.“

„War es...tatsächlich so schlimm?“, fragte ich zögernd und eine unvorstellbarer Schmerz trat in ihre Augen.

„Wusstest du, dass man mit einem Kartoffelschäler auch die Haut abschälen kann? Also nicht nur so ein bisschen an Finger, sondern komplett.“, antwortete sie tonlos mit einer Gegenfrage. Mich überlief es bei der Vorstellung eiskalt.

Nun ja, ich verstand, wieso sie mich hasste. Zumindest ein bisschen. 

Außerdem war Selena auch nicht ganz normal – wahrscheinlich liebte ich sie gerade deshalb...

„Liebst du mich?“, rutschte es mir heraus, da ich es unbedingt wissen musste.

Ihr Gesicht wurde kaum merklich weich und sie sah mir eine Sekunde zu lange in die Augen, als sie sagte: „Ich weiß es nicht.“

„Dann sollten wir es herausfinden, nicht wahr?“, meinte ich grinsend, beugte mich zu ihr runter und küsste sie sanft, damit ich ihr keine Schmerzen zufügte.

„Leider liebe ich dich“, setzte ich an, als ich mich von ihr gelöst hatte.

„Leider?“

Ich lächelte. „Ja, leider. Denn ich beschütze, was ich liebe.“

„Dann bist du in den letzten Tagen ziemlich nachlässig geworden.“















Lying  LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt