Kapitel 30

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Die nächsten Tage machte ich mich daran, die Bucket List zu schreiben. Aber sonderlich viel fiel mir nicht ein. Nur etwas hatte ich direkt hingeschrieben. Denn ich wollte unbedingt Onkel Kei besuchen. Nachdem Jin und ich gestern einige Videos von Kazu und mir angeschaut hatten, war ich mir noch sicherer, dass ich mich mit ihm in Verbindung setzten muss. Ich wusste aber noch immer nicht, was in meinem Kopf so schief gelaufen war, dass ich diese schöne Zeit verdrängt hatte. Kazu behandelte mich tatsächlich, wie sein eigenes Kind und auch Onkel Kei hatte keine Probleme damit, dass ich es nicht war. Wenn ich bei ihm geblieben wäre, dann hätte meine Zukunft definitiv anders ausgesehen. Es wäre aber gut möglich, dass ich beim Ausbruch der Troupe ebenfalls getötet worden wäre. Auch wenn ich der ausschlaggebende Punkt zur Flucht war, hätten sie definitiv eine Lösung gefunden. Ansonsten tat ich mich schwer, Dinge zu benennen. Ich wollte 'Hisoka treffen' notieren, aber Jin riet mir davor ab. Jetzt wo er tatsächlich auf meinen Bitte eingegangen war, sollten wir es nicht herausfordern. Also strich ich seinen Namen durch. In meinem Kopf machte ich mir jedoch eine imaginäre Notiz. Hisoka treffen - Optional.

"Es gibt doch bestimmt noch Dinge die Ihr tun wollt!?" Jin hatte die Stirn in Falten gelegt und betrachtete argwöhnisch meine Bucket List, die leerer als das Universum war.
"Nicht wirklich. Obwohl es mich Wunder nimmt, was den Petokei so speziell macht...", dachte ich laut. Der Junge schnappte mir den Stift aus der Hand. 'Petokei ausprobieren' schrieb er unter das Durchgestrichene. Seine Handschrift war sauber und ordentlich. Keine Frage, wenn er so viel lernte.
"Gibt es Orte, an die Ihr mal hinwollt?" Einen Moment nahm ich mir Zeit, um genauer darüber nachzudenken. Bisher war ich in Zaban City und in York New. Aber viel mehr auch nicht. Andererseits hatte ich auch nicht wirklich ein Verlangen danach, andere Orte zu sehen. Also schüttelte ich den Kopf.
"Wenn Ihnen noch mehr einfällt, könnt Ihr es ja laufend ergänzen", warf Jin ein. 
"Wo wohnt Kei eigentlich?" Nachdenklich kratzte ich mich am Kopf. Das war eine gute Frage, immerhin hatte ich ihn jahrelang nicht mehr gesehen.
"Weiss ich gar nicht. Er ist bestimmt auch umgezogen. Aber ich weiss, dass er sehr religiös ist und jeden Sonntag das Familiengrab besucht."
"Dann lasst uns Übermorgen doch dort nachsehen", meinte der Grauhaarige und gähnte. Ich stimmte zu.
"Ich kaufe die Bustickets und du gehst jetzt ins Bett!" Bei der Anweisung rümpfte Jin die Nase.
"Ich brauche kein Schlaf", murmelte er beleidigt.
"Das weiss ich doch. Du brauchst ihn nicht, aber er tut dir trotzdem gut. Und jetzt ab ins Bett!"

Mit einem Strauss Blumen bewaffnet suchten Jin und ich auf dem Friedhof nach dem Sano-Familiengrab. Meine Erinnerung half uns dabei tatsächlich weiter, sodass wir es schnell gefunden hatten. Ich legte die Pflanzen vorsichtig auf der Steinplatte ab und kniete mich davor hin. Die Hände an ihren Flächen zusammengepresst betete ich. Ich selbst war nicht wirklich religiös, aber ich wusste, dass es Kazu und Kei viel bedeutet hatte. So konnte ich Kazu auch noch meinen Dank aussprechen. Jin stand dabei etwas abseits. Das Prinzip von Religion verstand er, als Mann der Wissenschaft, überhaupt nicht. Trotzdem respektierte er jeden, der sich seinem Glauben nach verhielt. Das Gebet beendet, blieb ich sitzen. Einige Bilder drängten sich in den Vordergrund. Die meisten stammten von den Videos, die wir zusammen durchgesehen hatten. Vor allem eines war noch sehr präsent. Ein schöner Sommertag als ich etwa 15 war. Zusammen mit Kei machten wir einen Familienausflug in den Zoo. Da ich noch nie zuvor einen Tierpark besucht hatte, konnte man sich meine Reaktion vorstellen. Sie war ziemlich ähnlich, wenn ich sie mit Jins Verhalten verglich, als wir im York New Zoo waren. Ich hörte das Knirschen des Kiesweges, doch neben mir verstummte das Geräusch.
"Entschuldigen Sie... Was tun Sie da?" Keis Stimme klang ein wenig tiefer als früher, aber ich erkannte ihn sofort. Also erhob ich mich, verbeugte mich nochmals vor dem Grab und drehte mich um. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen blickte ich ihn an. Es stand ihm auf die Stirn geschrieben, dass er angestrengt nachdachte, mein Gesicht aber nicht zuordnen konnte.
"Hallo Onkel Kei", begrüsste ich ihn leise, um ihm auf die Sprünge zu helfen. Die Augenbrauen verwirrt zusammengezogen liess er meine Worte auf sich wirken, bevor sich seine Augen erfreut weiteten.
"Wenn das nicht unsere kleine Natsumi ist", strahlte er und schloss mich fest in seine Arme. Lächelnd umarmte auch ich ihn. Er trug noch immer dasselbe Parfüm wie früher. Nostalgisch schossen mir Tränen in die Augen und ich presste mich fester an ihn. Wir genossen unser Wiedersehen. Nach einer Weile drückte mich Kei von sich weg. Seine Augen musterten mich gespannt.
"Du bist schön geworden...", meinte der Blauäugige. Ein Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen.
"Das hat Kazu auch gesagt." Keis Augen wanderten auf das Grab. Ein leicht trauriger Schimmer legte sich auf sie.
"Du hast ihn also noch gesehen." Ich nickte.
"Er hat mir die Kette ge-"
"Nicht hier!", unterbrach er mich streng und schaute sich kurz um. Sein Blick fiel auf Jin, der gelangweilt auf einer Bank sass und Löcher in die Luft starrte. 
"Gehen wir nachher zu mir. Dann können wir ungestört reden. Aber zuvor werde ich beten." Während er dies tat, setzte ich mich zu Jin und wartete.
"Gehört er zu dir? Ist er dein Sohn?", fragte Kei überrascht, als er fertig war. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
"Fast. Wir haben uns per Zufall getroffen und auf Anhieb gut verstanden. Ich habe ihn sozusagen adoptiert", vereinfachte ich die etwas komplizierte Situation.
"Aha..." Andächtig nickte er und stellte sich vor.
"Kichiro, schön Sie zu treffen", murmelte der Grauhaarige als Begrüssung. Daraufhin folgten wir ihm zu seinem Wagen. Auf dem Weg zu ihm nach Hause unterhielten wir uns mit oberflächlichem Small-Talk. Nach Kazus Tod war gut verständlich, warum sich seine Paranoia noch verschlimmert hatte. Kei war schon immer ein sehr vorsichtiger Mensch. Er passte genau auf, was er sagte, wem er was sagte und wie dieser darauf reagierte. Nachdem Kei die Haustüre hinter Jin und mir geschlossen hatte, führte er uns in das geräumige Wohnzimmer.
"Setzt euch einfach irgendwo hin und ich beantworte alle deine Fragen." Der Junge schmiss sich sofort in einen gemütlich aussehenden Sitzsack, während ich mich auf das Sofa setzte.

Always him... // Hisoka ff HxHTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang