Kapitel 90

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~~~ Flashback Teil 4~~~

"Jin, ich befehle dir, diesen Körper als Rückzugsort zu nehmen und freie Entscheidungen zu treffen!" Ich musste mich zusammenreissen, wegen seines verständnislosen Gesichtsausdrucks nicht laut loszulachen. Mit dem Gedanken spielte ich schon eine Weile. Wenn ich einen totalen Neuanfang startete, dann sollte mein Kleiner ebenfalls die Möglichkeit dazu haben. Er trat vor mich, suchte gleichzeitig nach Anzeichen, ob ich es tatsächlich Ernst meinte. Und das tat ich. Absolut. Als der Schwarzhaarige sich zufriedenstellend vergewissert hatte, sank er auf ein Knie. Die rechte Faust an seiner Brust, sprach er leise zu mir.
"Ihr seid viel zu gutherzig Meister! Wie soll ich das annehmen..."
"Indem du es ohne Widerworte tust!", grinste ich humorvoll. Wenn er sich etwas angewöhnt hatte, dann dass er immer nochmals nachfragte, wenn ich etwas für ihn tat.
"Ich möchte, dass du dein eigenes Leben führen kannst. Wähle einen neuen Namen. Erschaffe Dinge, an die noch nie jemand gedacht hat. Bereise Orte, die noch nie ein Mensch sah. Lebe dein Leben, wie du es möchtest! Deshalb bitte ich dich, es anzunehmen. Das ist mein Geschenk für dich. Ich werde dich niemals vergessen. Und wir können uns immer wieder sehen! Aber folge deinem Herzen und gehe deinen eigenen Weg." Jin richtete sich wieder auf. Ein riesiges Lächeln prangte auf seinen Lippen.
"In Ordnung. Ich akzeptiere." Der Uniformierte sog tief Luft in seine Lungen, um seiner Aufregung Platz zu verschaffen.
"Mein Name soll ab sofort Jin sein! Chiura Jin! Bitte sprecht mich ab jetzt so an, Meister", grinste er überzeugt. Ich schnaubte vergnügt aus.
"Wenn das dein Wunsch ist, Jin", sprach ich und betonte dabei seinen Namen so exotisch wie ich konnte. Ich liebte diesen kleinen Nen-Haufen, aber dass er meinen Namen annehmen wollte übertraf alles. Rote Augen trafen auf graue. Sie hatten etwas hypnotisierendes an sich. Eine Ruhe, die ich nur von ihm erwartete.

"Ich bin jetzt nicht mehr dein Meister, also nenn mich bitte nicht mehr so", gab ich ihm leise zu bedenken.
"Welchen Namen habt Ihr für euch ausgesucht? Umeji Mina?" In seinem Blick lag etwas befremdlich zurückhaltendes. Zögerlich schaute ich an mir herunter. So wollte ich eigentlich nicht den Rest meines Lebens aussehen. Ein bisschen Eitel war ich ja schon.
"Noch keinen... Wahrscheinlich werde ich mich noch ein wenig verändern." Nickend setzte er sich in Bewegung. Ein leises Seufzen verliess meine Lippen, während Jin sich von mir entfernte. Der Kleine wird mir fehlen. Aber es ist Zeit, dass er sich selbst verwirklicht. Sein Glück soll nicht von mir abhängig sein. So liess ich ihn gehen, dachte an die vielen schönen Augenblicke zurück, die wir zusammen erlebt hatten. Ohne ihn hätte ich das ganz bestimmt nicht überlebt. Tränen bildeten sich in meinen Augen. Sollte das jetzt wirklich unser Abschied werden!? Jahre, die wir ununterbrochen zusammen verbracht hatten... Diese schöne Zeit, einfach zu Ende? Ich versuchte es gar nicht aufzuhalten. Die warme Flüssigkeit strömte über meine Wangen. Leise schniefte ich. Ich wollte nie Kinder, aber Jin war... unglaublich! Tapfer und hilfsbereit. Er hat sich jeder noch so riesigen Herausforderung gestellt und mich in allem unterstützt. Unwillkürlich kam mir Kasai wieder in den Sinn. 'Muttergefühle sollen etwas tolles sein', hatte er damals gesagt. Der Drecksack hatte ja keine Ahnung. Ich habe für Jin etwas gefühlt, dass ich für seine Kinder garantiert nie hätte fühlen können. Jin ist doch mein Kleiner...

"Kommst du?" Der junge Mann vor mir hatte sich umgedreht, blickte mir mit leuchtend roten Augen entgegen. Die Augen, die ich für ihn geschaffen hatte... Als ich es nicht tat, kehrte er zurück. Seine gute Laune fiel, als er meine Tränen sah. Mit zwei schnellen Schritten stand er vor mir, zog mich fest an sich.
"Warum weint Ihr jetzt!?", fragte er schockiert und drückte meinen Kopf fest gegen seine Brust. Ich spürte seinen Herzschlag. Jin lebte genau so wie alle anderen Menschen auf diesem Planeten. Schon seit langem war er mehr, als das kleine Nen-Geschöpf, das nur auf Befehle seines Meisters reagieren konnte.
"Jetzt heisst es wohl Abschied nehmen", schniefte ich und versuchte mich an einem Lächeln. Aber seinem Gesichtsausdruck zufolge, sah es eher wie eine grässliche Fratze aus.
"Nein! Darüber gibt es keine Diskussion. Ich werde Euch weiterhin begleiten. Mindestens solange, bis ihr einen Körper habt, in dem ihr Euch wohlfühlt." Einen behandschuhten Finger in die Höhe gereckt, stützte er seine andere Hand in die Seite.
"Und einen Ort zum bleiben. Da gibt es keine Widerrede!" Er redete schon wie ein Sensei. Der tadelnde Blick gab mir den Rest. Trotz meiner Tränen brach ich in schallendes Gelächter aus. Ich lachte, bis ich keinen Atem mehr hatte. Japsend schnappte ich nach Luft.
"Einverstanden?"
"Einverstanden", bestätigte ich. Ein zärtliches Lächeln entstand auf Jins Lippen. Kopfschüttelnd schaute ich ihn an.
"Verdammt, musste ich dich so hübsch machen."
"Schlagt Euch das aus dem Kopf", lachte er nun.
"Ihr seid weit über meiner Liga!"
"Jetzt ist es andersherum", grinste ich und hakte mich an ihm unter. Ich war heilfroh, dass unsere Wege noch ein wenig länger dieselbe Richtung einschlagen würden. Ohne darüber nachzudenken überliess ich ihm die Führung. Immerhin hatte ich alles getan, das auf meiner To-Do Liste stand. Auch wenn meinen Selbstmord vortäuschen nicht unbedingt zu meinen Favoriten gezählt hat... So war ich nur wenig überrascht, als wir bald darauf am Luftschiffhafen ankamen.
"Ich hole uns Tickets." Innert wenigen Sekunden war der grosse Schwarzhaarige in der Menschenmenge verschwunden. Ein leises Seufzen stahl sich von meinen Lippen. Ich muss nie mehr etwas mit der Troupe zu tun haben. In ihrer Vorstellung bin ich tot und der Schlüssel des Petokeis verloren. Nur Hisoka macht mir ein schlechtes Gewissen. Aber wenn er es nicht geglaubt hätte, wie hätten es dann Chrollo und die anderen. Zudem er hat mir hundert Mal gesagt, dass aus uns nichts wird. Also ist es endlich an der Zeit, über ihn hinwegzukommen. Jin winkte mir zu und ich folgte meinem Kleinen.
"Wo fliegen wir hin?", fragte ich gähnend, da ich weder ein Blick auf die Tickets, noch auf die Flugtafel geworfen hatte. Ein geheimnisvolles Grinsen schlich sich auf Jins Lippen.
"Das verrate ich Euch nicht!" Ich schaute mich kurz um. Glücklicherweise hatte das niemand gesehen. Ansonsten würden wahrscheinlich gleich alle Frauen an ihm kleben.
"Was suchst du?", wunderte sich Jin über meine Aktion.
"Nichts, nichts...", lächelte ich und setzte mich auf einen Platz am Fenster. Jin liess sich neben mich fallen.

Always him... // Hisoka ff HxHOnde histórias criam vida. Descubra agora