21 𝐚 𝐩𝐢𝐜𝐭𝐮𝐫𝐞 𝐩𝐞𝐫𝐟𝐞𝐜𝐭 𝐜𝐡𝐢𝐥𝐝𝐡𝐨𝐨𝐝

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Wie vorhin im Auto, ließ ich ihn einfach rede und nickte wie ein Wackelkopf nach jedem Satz mit meinem Kopf. Ich wusste gar nicht, wie viele Gläser Wein ich schon getrunken hatte – Jedenfalls fühlte ich mich nicht allzu angespannt als vorhin. Das Essen schmeckte wie schon damals einfach nur unglaublich und ich fragte mich wirklich, warum ich nicht mehr sooft hierher kam. Obwohl ich Gerichte mied, die mit Pasta zutun hatten, kam ich hier in Versuchung und konnte dem Gefühl einfach nicht widerstehen.

Mein desinteressierter Gesichtsausdruck schien ihn kaum zu stören, da er ohne irgendwelche Unterbrechungen über seine Meilensteine im Leben sprach und das mit einer Freude, die ich noch nicht einmal empfinden konnte. Er sah generell nach jemandem aus, der durchgehen ein Lächeln auf den Lippen hatte. Auf Dauer könnte es einen wirklich aus der Bahn schmeißen.

Während seiner Erzählungen merkte ich, dass wir tatsächlich wie sehr sich unsere Kindheit voneinander unterschied. Angefangen bei einer Vertragsunterschrift für einen echt großen Fußballclub in einem Alter von nur Sechs Jahren. Soweit ich mich erinnern konnte, saß ich in dem Alter mit meinen zwei älteren Schwestern bei einer Auktion und konnten beobachten, wie dreckig Erwachsene um lächerliche Immobilien oder ältere Schmuckstücke stritten.

»Deine Kindheit hätte ich gerne gehabt.«, entkam es mir über meinen leicht angetrunkenen Mund. »Das zutun, worauf man Lust hat.«, sprach ich meine Gedanken weiter aus und blickte in meinen halb leeren Weinglas.

»So beschissen?«, fragte er mich und versuchte in meinen Augen eine Reaktion zu erkennen.

»Du hast keine Ahnung.«, erwiderte ich und trank das letzte Bisschen aus meinem Glas aus, um mir das nächste Glas aufzufüllen. »Es gab einmal eine Zeit, da habe ich mir wirklich gewünscht, dass ich Einzelkind wär.«, ließ ich ihn wissen.

»Du bist kein Einzelkind?«, harkte er erstaunt nach.

»Leider nicht.«, schüttelte ich meinen Kopf. »Zwei ältere Schwestern und eine Jüngere.«, teilte ich ihm mit und nahm den nächsten Schluck. Wenn ich schon über meine Familie sprach, dann nur in Begleitung mit Alkohol. »Wenn du denkst, dass ich es dir schon nicht einfach mache, dann hast du meine Schwestern nicht kennengelernt. Und das sage ich jetzt nicht als ihre Schwester.«

»So schlimm können Geschwister nicht sein–«,

»Und erneut, du hast keine Ahnung.«, unterbrach ich ihn. »Meine jüngere Schwester ist da vielleicht eine Ausnahme, aber die Älteste? Der Teufel in Person, wenn du mich fragst. Sie ist auch der Grund, warum sie noch in der Schweiz lebt, die andere in Spanien und ich hier. Eine Sekunde länger mit ihr zusammen und einer hätte von uns Grass gebissen.«, schnaubte ich auf und konnte gar nicht beschreiben, wie sehr ich meine älteste Schwester hasste.

Das Verhältnis zwischen meinen Schwestern und mir war bis heute noch ein bisschen angespannt. Seit meine ältere Schwester die Familie schon mit Vierzehn verlassen hatte, um bei Bekannten in Spanien unterzukommen, war wirklich nichts wie früher – Keine Woche später verließ auch unsere Mutter uns und ließ mich mit einer Schwester zurück, die mich bei jeder Gelegenheit im Schlaf umgebracht hätte, einem geldgeilen Vater und einer Schwester, die von allem keine wirkliche Ahnung hatte und einfach in die falsche Familie geboren wurde.

»Du kannst wirklich froh darüber sein, dass du sie nie kennenlernen musst. Das Gesicht strahlt pure Unschuld aus, aber dahinter verbirgt sich der Teufel höchstpersönlich.«, lallte ich schon fast und lachte leicht verbittert auf, als ich an sie dachte.

Sie gehörte zu den wenigen Menschen in meinem Leben, vor denen ich mich am meisten fürchtete. Schlug ich auch nur einmal zu, bekam ich es doppelt und dreifach zurück – Sie konnte man am wenigsten einschätzen, was wirklich nichts Gutes bedeutete.

»Du musst sicherlich ein gutes Verhältnis zu deinen Geschwistern haben, wenn die dich bei allem unterstützt haben, oder?«, harkte ich nach und wollte tatsächlich erfahren, wie eine Kindheit mit Geschwistern ausgesehen hätte, die einen nicht mit dem Tod drohten oder gar aus dem Land vertrieben.

Wenn ich trank, gab es immer ein paar Phasen die ich durchlief – In einem Moment schüttete ich einem mein Herz aus, im Nächsten könnte ich mich auf den Tisch stellen und drauflos tanzen, im anderen Moment praktisch Niagarafälle weinen und zuletzt in nur Sekunden einschlafen. Momentan befand ich mich zwischen Mein Herz ausschütten und den Niagarafälle.

Und ich näherte mich ihnen immer mehr, als er über seine Kindheit mit seinen älteren Geschwistern sprach und dabei ein Lächeln auf den Lippen behielt. Es kam sogar soweit, dass er sein Handy das erste Mal aus seiner Hosentasche zückte, mir ein Familienfoto zeigte und mir ihre Namen nannte.

»Mum, Dad, Stacey, Lewis und Jasmine.«, wiederholte ich und sah sie mir genauer an. Sie sahen alle deutlich älter als er aus, was mich natürlich schlussfolgern ließ, dass ich es hier mit dem jüngsten Mount zutun hatte. Bevor ich mehr heranzoomen konnte, poppte plötzlich eine WhatsApp Benachrichtigung auf.

dec 👺
hast du die Eiskönigin schon geknackt
oder hat sie dich in die Wüste geschossen?

Durch seine Nachricht realisierte ich erst, wie sie ich mich durch den Wein gelockert hatte und ihm wahrscheinlich das Gefühl gab, dass er doch irgendwie bei mir punkten könnte. Sofort gab ich ihm sein Handy zurück und räusperte mich anschließend.

»Niedlich.«, kommentierte ich das Familienfoto, auf dem alle glücklich schienen. So ein Familienfoto existierte nicht einmal bei mir. »Ich glaube, ich hab wirklich viel zu viel getrunken. Vielleicht sollte ich lieber nach Hause.«, beendete ich das Date und hielt Ausschau nach Ruby, die mich mit einem leicht traurigen Blick in der Ferne ansah.

»Äh, sicher.«, murmelte er und schien sichtlich verwirrt über meinen Wechsel zu sein.

Er bezahlte die Rechnung, die er unbedingt auf sich nehmen wollte, und führte mich anschließend aus dem Restaurant. Es standen davor schon eine Menge Menschen mit ihren Handys oder Kameras in den Händen, die sie und praktisch ins Gesicht drückten. Ich musste mir schon auf die Unterlippe beißen, um keinen herablassenden Kommentar abzugeben und mich zum Feind zu machen. Deshalb blieb ich still, folgte Mason zu seinem Auto und stieg auf der Beifahrerseite ein, als er mir die Tür öffnete.

So schnell wir auch zum Auto gelaufen waren, fuhr Mason auch schon vom Parkplatz.

»Du und ich funktionieren einfach aus verschiedenen Gründen nicht, Mason.«, beendete ich die Stille zwischen uns. »Du magst wohl denken, dass du es mit mir und meinen vielen Launen und Ansprüchen aufnehmen kannst, aber das kannst du nicht. Lieber mache ich hier einen Cut, bevor es eskaliert.«, fuhr ich fort und starrte die Straße an.

»Ich hab das Gefühl, dass du Angst hast.«

»Das habe ich nicht.«, schüttelte ich meinen Kopf. »Ich bin einfach nicht geschaffen für eine Beziehung und auf mich machst du den Eindruck, dass du das ganze Drum und Dran haben möchtest. Das kann ich dir wirklich nicht geben, weshalb ich das hier - wie auch immer es sich nennen mag - beende. Offiziell schickt dich die Eiskönigin in die Wüste.«, konnte ich mir den letzten Satz nicht verkneifen und überrumpelte ihn wohl mit dem möglichen Decknamen, den sein Freund und er mir gegeben hatte.

»Daisy, ich–«, fing er an und wollte es mir erklären.

»Du brauchst es mir nicht erklären, weil es mich kein bisschen interessiert.«, unterbrach ich ihn. »Tatsächlich interessierst du mich nicht.«, drückte ich mich hart aus und wollte ihm endlich zu verstehen geben, dass es nichts zwischen uns gab.

»Autsch.«, murmelte er.

𝐌𝐒. 𝐒𝐏𝐎𝐈𝐋𝐄𝐃 ↬ 𝑚. 𝑚𝑜𝑢𝑛𝑡Where stories live. Discover now