14. Januar, 10:15 Uhr: Evan

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„Evan!"

Die vertraute Stimme durchbrach mühelos das Getümmel der Studenten, als ich das Foyer der Universität durchquerte.

Helen.

Ich drehte den Kopf und sah meine Ex an, deren blondes Haar makellos frisiert war. Sie trug eine perlweiße Bluse, die in einen glatten, violettfarbenen Rock gesteckt war.

Ihr Blick schweifte über meinen zerknitterten, cola-beschmierten Wintermantel und meinen alten Pullover.

Dennoch lächelte sie.

Ich hob misstrauisch die Augenbrauen und wusste, dass sie dieses Lächeln wie einen Säbel führte — eine ebenso elegante wie tödliche Waffe.

Sie überquerte die Distanz zwischen uns, wobei ihre hohen Absätze auf dem staubigen Steinboden klackten, und verscheuchte eine Gruppe geduckter Studenten. Sie wussten es besser, als sich der Leiterin der Universitätsverwaltung in den Weg zu stellen.

Helen blieb nur einen Schritt von mir entfernt stehen. Ihr Lächeln erlahmte, als sie meine Garderobe betrachtete, aber es setzte sich schnell wieder durch.

„Was hast du am Wochenende vor?", fragte sie.

Von ihrer Frage überrumpelt, spürte ich, wie ich rot wurde. Sie würde doch keine Zeit mit mir verbringen wollen, oder?

Sie gluckste. „Ist das ein Ja?"

„Ich..." Ich schluckte und entkam ihrem hypnotisierenden blauäugigen Blick, indem ich mich auf ihre Nase konzentrierte. „Ich habe Pläne."

Das war nichts als die Wahrheit. Ich hatte wirklich Pläne. Ich wollte mit ein paar Kollegen aus dem Institut Skifahren gehen. Nun, sie würden Ski fahren, während ich die Grundzüge des Sports lernen würde. Carl hatte versprochen, es mir beizubringen.

„Oh, das ist schade." Ihr Lächeln war verschwunden und ihre Unterlippe schob sich vor.

Wie immer trug sie weder Lippenstift noch Make-up. Ganz natürliche Farben und keine Zahnspange; sie bildete den perfekten Kontrast zu der marshmallow-gefärbten Frau, die ich im anderen Zug gesehen hatte.

Welche Haarfarbe hatte sie noch mal gehabt? Türkis?

Helen schnippte mit den Fingern vor meiner Nase. „Hey, ist da drin jemand zu Hause?"

„Oh, tut mir leid, was hast Du gesagt?"

Sie runzelte die Stirn. „Ich habe dich gefragt, ob du dieses Wochenende etwas Zeit für deine geliebte Ex erübrigen kannst."

„Ich fahre mit den Jungs aus dem Institut nach Pats Peak zum Skifahren." Ich bewegte meine Hände und Hüften, als würde ich durch ein Labyrinth von Toren auf einer Abfahrtsstrecke schlittern.

Sie lachte. „Skifahren? Du? Da kann man ja förmlich darauf warten dass ein Unfall passiert."

„Carl wird mir zeigen, wie man es macht."

Sie wies mir den Weg zur Treppe, die zur Mathematischen Fakultät hinaufführte, und drückte dabei kurz meinen Arm. „Oh, das ist aber schade. Ich wollte dich nämlich um einen Gefallen bitten."

Einen Gefallen? Das verriet mir, was als Nächstes kommen würde.

„Könntest du nicht an einem anderen Wochenende Skifahren gehen?", fragte Helen. „Weil Janice dieses Wochenende gerne mit dir verbringen würde. Sie hatte so gehofft, mit ihrem Papa reiten zu gehen." Jetzt schnurrte sie förmlich. „Ich würde gerne mit ihr gehen, aber du weißt ja, dass ich allergisch auf Tierhaare reagiere."

Dies war ein Mama-Wochenende, kein Papa-Wochenende. Und ich bezweifelte stark, dass Janice diese Pläne ohne Helens Anstoß ausgeheckt hatte.

„Du hast also andere Pläne für das Wochenende?" Es tat gut, sie zu necken.

Der Letzte Zug | The Wattys2023 Winner ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt