4 | Todesmut oder Idealismus

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 Eine halbe Ewigkeit später verschluckte uns der dunkle Plattenbau und wir taumelten in Fedes Zimmer. Dunkel war die Silhouette des Raums und ich erkannte, dass Leonardo in seinem Bett lag, die Decke über seinen Kopf gezogen. Fede griff nach meiner Hand und ließ sich mit mir auf die Matratze plumbsen. Das Gestell gab ein ächzendes Geräusch von sich, während er sich mit fahrigen Bewegungen seines Hoodies und dann seiner Jogginghose entledigte. Auch wenn nur ein paar Lichtstrahlen zu dem Fenster hineinfielen, blieb mein Blick an seinem schlanken Körper hängen. Die Rippen zeichneten sich leicht unter der Haut ab und am Bauch hatte er einige dunkle Haare, ein paar Muttermale auf der Brust.

Fede quittierte meinen musternden Blick mit einem arroganten Augenbraue-hochziehen. Wichser. Der hatte natürlich längst gecheckt, was für eine Wirkung er auf mich hatte.

Ich verdrehte die Augen, der sollte sich mal nicht zu viel einbilden. Zog mich ebenfalls aus, schmiss meine Sachen achtlos zu dem restlichen Chaos in der Dunkelheit. Wir hatten in den letzten Monaten so oft zusammen in einem Bett gepennt, doch irgendwie fühlte es sich immer noch schön an. Da spürte ich auf einmal, wie er mich bestimmt auf die Matratze drückte und dann seinen Kopf an meiner Brust bettete.

»Du wills kuschln? Von dir aus?« Ich grinste triumphierend und fuhr fahrig durch seine Haare. Die abrasierten Stoppeln am Hinterkopf, die weicheren Locken weiter ob. Sie fühlten sich gut an. So nach Fede. Ich lächelte unwillkürlich ein wenig.

»Hals Maul.« Fede drückte mir den Zeigefinger auf die Lippen, so fahrig, dass er beinahe in meiner Nase landete. Dann kuschelte er sich wieder an meine Brust und ich schlang meine Arme enger um ihn. Hier zu sein, fühlte sich richtig an. Der Alkohol lähmte meine Gedanken, machte die Welt so schön schummrig. Da war nur noch Fede.

»Liegs du gut?«, murmelte ich und konnte nicht glauben, dass ich wie ein Opfer aus einem Kitschfilm klang.

»Wer bist du? Du kannst unmöglich Jay sein.« Fede lachte und ich verspürte Genugtuung. So laut wie der war, würde er derjenige von uns sein, der die anderen aufweckte.

Grinsend ließ ich meine Hand zu Fedes Bauch wandern und kitzelte ihn plötzlich, was ihn noch mehr zum Lachen brachte. »Das is fies«, beschwerte er sich und schlug gegen meine Brust.

»Könnt ihr mal leise sein?«, stöhnte Leonardo genervt. Wusst ichs doch. In diesem Moment spürte ich etwas auf uns landen. Ein Kissen oder so.

Keine Ahnung, was so lustig war, aber Fede und ich mussten im gleichen Moment loslachen.

»Mann, Jay, sei leise«, kicherte er, woraufhin ich ihn grob am Arm packte.

„Du bist doch hier das Problem!", beschwerte ich mich und bewegte meine Lippen zu seinem Hals, pustete dagegen, was ihm ein leises Lachen entlockte. Wieder landete etwas auf uns, dieses Mal etwas Schwereres. Aber drauf geschissen.

»Ich hasse Besoffene«, seufzte Leonardo und ich vernahm ein Rascheln, als würde er sich unter seiner Decke verkriechen. Und dann spürte ich auf einmal Fedes Lippen an meinen und verdammt, es war das erste Mal, dass er mich in der Nähe seiner Familie küsste.


„Ey, Jungs!", brüllte ein kleines Kind und wurde von einem Türenschlagen begleitet, das ein ekliges Hämmern in meinen Schädel trieb. Der Geruch nach Kaffee und etwas frisch Gebackenem stieg in meine Nase, untermalt von Tellerklappern.

Che c'è?", stöhnte jemand anderes. Eine männliche Stimme. Leonardo, oder? Erst da checkte ich, wo ich gelandet war. Langsam schlug ich meine Augen auf und sah Fede, der sich aufrichtete. Sein Gesicht war blass, seine Haare zerzaust.

Vaffanculo! Avanti!" Er klang genauso gequält, wie er aussah.

„Kommt, wacht auf! Mamma hat Frühstück gemacht, dann können wir zusammen frühstücken. Papà muss ja nicht auf Arbeit heute", erklärte Alessia, die zu Leonardo ins Bett gesprungen war, sich an ihn kuschelte und ihn durchkuschelte. Er lachte und umarmte sie. War viel zu gut drauf, der Wichser.

Die Verlierer - Herz aus BetonWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu