9 | Flaschenpost ohne Message

372 41 28
                                    

»Was guckst du so?«, grinste ich, als ich Fedes Blick auf mir spürte. Ich nahm einen tiefen Schluck aus meiner Bierflasche und sah das belustigte Grinsen um seine Lippen zucken.

»Jay. Das bildest du dir nur ein. Du bist nicht so atemberaubend, dass andere es nich von dir ablassen können.« Er setzte die Flasche Sterni an, ließ die Flüssigkeit den Rachen hinunterlaufen. Einen Moment lang sah ich ihm beim Schlucken zu, spürte die Erregung durch meinen Unterleib schießen, dann drehte ich meinen Kopf. Der Typ hielt eh zu viel von sich, ich brauchte jetzt nicht auch noch mit Sabbern anfangen.

Vor uns lag der dunkle Kanal. Ein paar Mülltüten schwammen im Wasser, zogen ihre geisterhaften Bahnen. In unserem Rücken floss der gleichmäßige Verkehr, irgendwo das Wummern von Technomucke. Von Zeit zu Zeit hallte Donner über die Stadt hinweg.

»Wird das wieder so ne provokante Aktion, weil du sehen willst, wie ich dich zusammenfalte?« Ich grinste und legte eine Hand in Fedes Nacken, ehe ich ihn grob an mich heranzog.

Sein rechtes Bein schwang er über mein Knie und legte es auf meinem Oberschenkel ab. Nah waren unsere Gesichter einander, während die ersten Regentropfen auf meinem Kopf landeten. Passte mir jetzt gar nicht ins Konzept, drecks Himmelspisse. Mit dem Daumen fahre ich über seinen Adamsapfel, dann küsse ich ihn auf die Wange, die dank der Bartstoppeln ganz kratzig ist. Bald finden unsere Lippen einander und ich schmecke das Bier auf seinen, während das Gewitter über uns hereinbricht. Der Donner wurde lauter und langsam spürte ich, wie meine Hände und meine Haare nass wurden.

»Komm, lass uns abhaun«, sagte ich und griff nach Fedes Hand, ehe ich ihn schwungvoll nach oben riss.

Er lachte und ich spürte die Wassertropfen, die in mein Gesicht klatschten. Riss ihn an mich heran. »Warte, unser Bier noch.« Fede nahm seine Flasche in die Hand, während ich meine exte und in die Spree schleuderte. Bisschen Flaschenpost ohne Message, dies das.


Mit nassen Haaren und meiner Jogginghose, die ihm beinahe von den Hüften rutschte, kehrte Fede nach dem Duschen in mein Zimmer zurück. Wir hatten uns zu mir verzogen, während die Stadt draußen ersoff.

Ich sah von dem Visionboard auf, durch das ich mich wie so oft klickte, und nickte ihm zu. Das Wasser tropfte aus seinen Haaren auf seinen nackten Oberkörper. Auf seine gebräunte Haut. Während ich nicht so recht meinen Blick von ihm losreißen konnte, spürte ich, wie ich mir mit meiner Zunge über die Unterlippe fuhr.

Wie selbstverständlich fischte er mein Ladekabel aus dem Müll auf meinem Schreibtisch hervor und steckte dann sein Handy in ein. Richtete sich langsam wieder auf.

Ich stand auf und blieb ein paar Zentimeter vor ihm stehen. Langsam hob er seinen Blick.

»Was wird das?« Seine Stimme klang rau, der italienische Akzent war stärker als sonst. Wie so oft, wenn die Nähe, die Leidenschaft zwischen uns fast spürbar im Raum lag.

»Ich hab selber kein Plan«, erwiderte ich.

»Typisch.« Federico lachte auf. Die Grübchen graben sich tief in seine Wangen. Die Lippen entblößten seine Zähne, ein paar davon standen schief zueinander. Bonzenkinder wären deshalb jahrelang mit ner Spange rumgerannt, aber die war nur ne Legitimation zum Zuschlagen.

»Meistens habe ich sogar einen Plan. Es sieht bloß nicht so aus.«

»Ach, echt?«, erwiderte er. Auch ich sah jetzt nicht mehr weg, ganz gleich, wie ich direkten Blickkontakt hasste. Aber hier waren wir in meiner Wohnung, die Wahrscheinlichkeit, dass mich irgendjemand überrascht verdammt gering. »Und was ist jetzt dein Plan?«

»Wir drehen uns im Kreis, Kumpel.« Ich hob die Augenbrauen.

»Hat das Bier so reingehauen? Ich drehe mich nämlich nicht.«

Die Verlierer - Herz aus BetonWhere stories live. Discover now