15 | Kein Grund nüchtern zu bleiben

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Die Bässe wummerten und der Whisky schmeckte schon längst nicht mehr gut. Es war irgendwann, keine Ahnung, vielleicht Wochenende oder auch nicht. Die Tage verstrichen gleich und meistens reichten die Drogen nicht aus, um zu vergessen. Na ja. Kein Grund nüchtern zu bleiben.

Tarek saß neben mir, neben ihm Yasmin, deren linkes Auge seltsam starr war. Warn Glasauge. Ich kannte sie nicht besonders gut, doch ich kannte die Geschichten über sie. Mit vierzehn von ihrem damaligen Freund zur Prostitution gezwungen worden, einer dieser Kerle, die Frauen was vorgaukelten, um sie dann für sich anschaffen zu lassen. Darauf folgten ein paar Jahre auf dem Strich und ich wollte nicht wissen, was sie dort alles erlebt hatte. Jedenfalls genug, um eines Tages ihren Zuhälter abzustechen. Sie war frei, doch das änderte nichts daran, dass das Leben für unsereins nicht viel bereithielt. Sie ließ sich weiter gegen Geld ficken, mit dem Unterschied, dass sie fett Kohle machte. Keine Ahnung, standen die Kerle wohl drauf, wie brutal sie war. Und sie wusste das für sich zu nutzen. Bald war sie diejenige, die ein Bordell unterhielt. Die auf die Huren aufpasste.

Ich schenkte dem, was man so über andere Leute hörte, normalerweise nur wenig Glauben, doch Tarek selbst hatte mir die Geschichte erzählt. Und wenn er was sagte, vor allem über einen Menschen, den er gut kannte, stimmte das auch.

Wie auch immer. Das, ihr seltsam starres Auge und die Tatsache, dass ich mal gesehen hatte, wie sie einem Kerl, der sie ungefragt angepackt hatte, in die Eier getreten hatte, sorgten dafür, dass ich sie respektierte.

Ich ließ meinen Blick weiterschweifen. Der Club war rappelvoll und ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung mehr, warum wir überhaupt bei der Tanzfläche waren. Und nicht in einem gemütlichen Hinterzimmer.

Die Menschen hüpften herum, und mein Blick blieb an einem dunkelhaarigen Typen mit Cappy und hellem Shirt hängen. Ich kniff die Augen zusammen. Verdammt, vielleicht sollte ich mir mal Kontaktlinsen holen. Oder doch meine hässliche Brille öfter tragen. Ich konnte wirklich nicht sagen, ob das Fede war. Bei dem Typen waren zwei junge Frauen.

Während ich noch darüber nachdachte, nahm ich wahr, dass der Typ zu tanzen aufhörte und in meine Richtung sah. Er sagte was zu seinen Begleiterinnen und schob sich dann über die Tanzfläche. Vorbei an der Bar zu den Couches, die etwas erhöht standen. Beim Näherkommen war ich mir dann auch sicher, dass das Fede war. Das helle Shirt entpuppte sich als beige-weiß gestreift, dazu trug er eine enge, dunkle Cargohose. Keine Ahnung, warum er der einzige Mensch war, bei dem ich auf die Klamotten achtete. Konnte daran liegen, dass er in seinen einfach verdammt gut aussah und ich es mochte, neue Sachen an ihm zu entdecken.

»Jay!« Er grinste. In seiner Hand hielt er ein Bier. »Wie geht's dir?«

Ich nickte ihm zu und bedeutete ihm mit einer Geste, sich neben mir niederzulassen. Das tat er auch. Kurz streifte sein Knie meinen Oberschenkel und hinterließ ein Kribbeln an dieser Stelle. Es war gut, dass Fede hier war. War es immer. »Was machst du hier?«, fragte ich.

»Feiern. Was wohl.« Er lachte. »Mit Amaya und Nina, die kenn ich von der Arbeit.«

»Solltest du dich nicht mittlerweile auf Studentenpartys und so nem Scheiß rumtreiben?« Über mein Gesicht huschte ein Grinsen, während ich mich ein wenig schwerfällig nach meinem Whiskyglas ausstreckte, um mit ihm anzustoßen.

»Vergiss es.« Fede lachte. »Ich war letztens bei so ner Ersti-Party mit Aykan zusammen. Erstens waren das außer uns fast nur Deutsche, also ist ja okay, aber ich hab mich wie'n Alien da gefühlt, und zweitens waren da so viel Burschenschaftler.«

»Was sin Burschenschaftler?« Ich nippte an meinem Glas.

»So konservative Spinner. Die sind irgendwo im letzten Jahrhundert gefangen und leben in so schlossähnlichen Häusern, wo die dann Uniformen tragen und fechten und stolz drauf sind, im Gesicht Narben zu haben.« Grinsend schüttelte er den Kopf. »Ach, und die andere Hälfte waren Yuppies, die eben erst nach Berlin gezogen sind, um ihren Traum zu verwirklichen und sich selbst zu finden. So Leute, die vor drei Wochen noch Mauerblümchen waren und jetzt in schwarzen Lederoutfits rumrennen.«

Die Verlierer - Herz aus BetonWhere stories live. Discover now