7 | Tote Augen, tote Seelen

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 In den nächsten Tagen war ich voll und ganz mit Arbeit beschäftigt. Gingen mir alle auf den Sack, weil wir Lieferengpässe hatten und jeder Wichser glaubte, er würde an Nummer Eins stehen.

„Beim letzten Mal war das ja alles halb so schlimm. Mal ein bisschen weniger, nicht der Rede weg. Aber Jungchen, schon zum zweiten Mal, ist das dein scheiß Ernst?" Volker musterte mich aus seinen toten Augen. Alter, bei seinem Anblick hatte ich immer instant Bock, weniger zu koksen, weil er mich so anwiderte.

„Is normal, dass es Probleme gibt", erwiderte ich, bemüht darum, nicht genervt zu klingen. Nahm einen tiefen Zug in meiner Kippe. „Zwei Wochen, Kollege, und wir liefern dir wieder die feinsten Pillen. Entspann dich."

Volker saß da und fixierte mich mit seinem Blick, breitbeinig, das Hemd teilweise geöffnet. Als wäre seine Brust mit den blonden Haaren etwas, das ich sehen wollte. Zu seiner Linken und seiner Rechten je ein Weib, die ihre Hände überall hatten. An seinen Oberschenkeln, unter seinem Hemd. Zwischendrin auch an seinem Schwanz, dann griff er immer gespielt empört nach ihren Handgelenken und schob sie zurück.

Dabei war ich mir sicher, er trug ihnen auf, das zu tun. War nämlich bei geschäftlichen Terminen immer der Fall, dass er pausenlos begrabscht wurde, als würden die Frauen nicht die Finger von ihm lassen können. War klar.

Kurz blieb mein Blick an den beiden hängen. Lange, gemachte Haare, knappe Dessous und Stilettos, die die Beine meterlang schienen ließen. Doch in ihre Augen zu sehen war krasser als in die ihres Zuhälters. Die waren noch toter. Abgestumpfter. Sprachen von Gewalt und verschenkten Leben. Das viele Make-up in ihren Gesichtern konnte die Spuren blauer Flecken nicht beseitigen.

Mit Sicherheit aus Osteuropa und mit Sicherheit hatten sie keine Wahl hier zu sein. Ich sags ja, der Kerl widerte mich an, wie er da saß und auf Zeit ging. Wie er allen Ernstes dachte, er bringt was, wenn er mich anstiert.

Irgendwie verspürte ich Wut. Keine Ahnung, woher die plötzlich kam, aber da war der Impuls, dieses hässliche Bordell zusammenzuschlagen. Mit den fetten Teppichen auf dem Boden und den gläsernen Kronleuchtern, der tief über unseren Köpfen hing. Und allen voran diese eklige Missgeburt.

Wieder drückte Volker die Hand der braunhaarigen Frau weg.

Sie sah eingeschüchtert aus. Wie ein Mensch, der bei jeder Handlung fürchten musste, bestraft zu werden.

„Kommt da noch was oder wars das?", höhnte ich. Ein Ton, den ich meinen Kunden gegenüber vermied, aber jetzt hatte ich keinen Bock, mir Mühe zu geben. Dabei sollte ich es. Keiner nahm mir so viel ab wie er.

„Sei mal nicht so frech, Bürschchen. Du weißt, ich kann auch bei anderen kaufen. Keine Ursache." Er wischte sich über die Nase, die mal wieder am Bluten war. Eine rote Spur blieb an seinem Handrücken zurück und in einer gefälligen Handbewegung hielt er sie der Ollen neben ihm hin, die sich sofort daran machte, es abzuwischen. Wenn ich mich nicht irrte, nicht nur Blut, sondern auch Rotz.

„Kannst du. Du kannst aber auch gerne warten und deine nächste Lieferung ist gratis." Ich zog ein letztes Mal an meiner Kippe und ließ sie mit ausdrucksloser Miene auf den Boden fallen.

Von Volker kam nichts, zum einen, weil er sich mir gegenüber nicht mehr als ein paar aufmüpfige Worte traute – schließlich kam ich nie alleine, immer nur in Gesellschaft von Rashid und einem anderen, nicht weniger breit gebauten Kerl –, zum anderen weil ich Zufriedenheit in seinen toten Augen aufblitzen sah. Mit meinem Angebot hatte ich ihn gekriegt, den Idioten.

Dabei wars ein verdammt schlechtes.

„Aufheben", befahl er der brünetten Frau und während ich mich mit meinen Jungs zum Ausgang wandte, sah ich, wie sie eilig aufstand. Die Kippe aufhob und kaum, dass sie wieder neben Volker sah, ihn sie aus der Hand nehmen. Mit einem gehässigen Grinsen drückte er sie auf ihrer Haut aus und die Nutte zeigte keine Regung.

Die Verlierer - Herz aus BetonWhere stories live. Discover now