Eiskristalle und Regenbogengold

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ElaineGoldstein

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ElaineGoldstein

Es gibt Milliarden Schneeflocken auf der Welt und jede ist einmalig und einzigartig. Mein Schatz, weißt du, was auch einmalig und einzigartig ist? Wir Menschen. Keiner ist wie der andere, jeder ist besonders und sollte auch so behandelt werden. Das ist unsere ganz eigene Magie. Die Magie der Menschlichkeit.

Es waren die Worte meiner Mutter, die mir wieder in den Sinn kamen, als das Knirschen meiner Schritte auf dem schneebedeckten Boden des Siykir-Waldes das einzige Geräusch war, das meine Gedanken hätte ablenken können. Seltsam, ich erinnerte mich doch kaum noch an sie.

So ist das bei allen Neulingen im Wald. Sie vergessen nach und nach alles aus ihrem alten Leben. Dem Menschsein. Irgendwann Ismena, weißt du nicht einmal mehr, wie sie dich in der Menschenwelt genannt haben. Du wirst nicht mal mehr wissen, dass du einmal ein Mensch warst! Das hatte Oriane zu mir gesagt, die Elementbändigerin, die seit meiner Ankunft im Wald vor zwei Monaten versucht hatte, mich an mein neues Leben zu gewöhnen. Auch wenn ich sie erst seit zwei Monaten kannte und meine Mutter schon mein ganzes Leben, hatte ich Orianes Worte noch glasklar im Gedächtnis und meine Mutter ... Ich wusste nicht einmal mehr ihren Namen. Zu sehr hatte sich schon der graue Schleier des Vergessens über mein altes Leben gelegt und mir die Erinnerungen, die mir mal wichtig gewesen waren, genommen. Aber ich hatte es so gewollt. Ich hatte mich bewusst dafür entschieden, aus der bekannten Welt zu fliehen und durch das Portal in den Siykir-Wald zu steigen. Ich hatte mich bewusst dafür entschieden, die Welt der Menschen, der Magielosigkeit und der Kriege zu verlassen und in die Welt des Zauberwalds, der Feen und der Zeitlosigkeit zu steigen (Oriane zum Beispiel, war vor ewigen Zeiten in den Siykir-Wald gekommen und sah immer noch aus wie Anfang 20). Auch wenn ich nicht mehr wusste, wieso ich das getan hatte oder wie, spürte ich, dass es für mich die richtige Entscheidung gewesen war. Und doch war Siykir nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte, nicht einmal so, wie es sein sollte. Die Feen, zehn Zentimeter große Wesen, mit blassgrüner Haut und schillernden Libellenflügeln, seien schuld daran gewesen, hatte man mir erklärt. Die Feen, die eigentlich die Hüterinnen des Waldes waren, die sich um seinen Zustand und seine Magie gekümmert hatten, und genau die Feen, die alle zehn Jahre einen Menschen bei sich aufnahmen, wie Oriane und mich, und ihn zu einem Elementbändiger ausbildeten.

Doch Oriane hatte mir erzählt, dass ihnen das irgendwann nicht mehr genügt hatte. Sie hatten nicht mehr nur die Mentoren sein wollen, die Menschen, magielose Wesen, in die uralten Zauber einweihten, wenn sie selbst nur begrenzt von dieser mächtigen Magie Gebrauch machen konnte. Die kleinen grünen Wesen waren vor Neid auf ihre eigene Schöpfung noch grüner geworden und hatten begonnen, mit Zaubern zu experimentieren, die ihnen selbst eine größere magische Kraft verliehen.

Doch im uralten Gleichgewicht des Zauberwalds war es nie vorgesehen, dass eine Art so viel Macht besaß, wie die Feen es sich wünschten, und je mächtiger sie wurden, desto schwächer wurde der Wald.

Anthologie im WinterWhere stories live. Discover now