Seelenfänger

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von Universediver

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von Universediver

Das orangefarbene Licht eines Nachtlichts ließ den kleinen Raum hinter dem Fensterglas nur noch im Halbdunkel.

Schneeflocken und Eiskristalle benetzten die Scheibe und verschleierten das Gesicht des kleinen Jungen, der dahinter saß. Gedankenverloreneren starrte er nach draußen.

Indra stand auf der anderen Straßenseite. Die Straßenlaterne über ihrem Kopf flackerte und erlosch schließlich.

Trotz der Entfernung zum Haus der kleinen, kaputten Familie erkannte sie die tränennassen Wangen.

Ihre Augen waren für die Nacht gemacht. Für die Dunkelheit.

Theodore. Teddy.

Sie beobachtete das todtraurige Kind schon lange. Sein Kummer hatte sie angezogen.

Und nun, drei Tage vor Weihnachten, war es soweit.

Ihre Iriden, welche die Farbe von purpurnen Kristallen trugen, glommen im Schwarz auf, das sie umgab. Ein Ruck ging durch ihren zierlichen Körper und nur eine Sekunde später fand sie sich in dem gemütlich eingerichteten Kinderzimmer wieder.

Es war nicht so, als hätten sie die winterlichen Temperaturen gestört, denn sie besaß keinerlei Kälteempfinden, doch die Wärme, die diesem Raum innelag, ließ sie sich ihrer Heimat näher fühlen. Wohlig seufzte sie auf, während ihre klauenartigen Finger über die mit Feuerwehrwägen verzierte Bettwäsche wanderten.

„Was ist los, Teddy?" Ihre Stimme klang so lieblich und sanft wie die einer Mutter.

Der Junge mit den strohblonden Haaren, die immer wirr von seinem Kopf abstanden, wandte sich vom Gestöber hinter dem Fensterglas ab und heftete seine Augen an seinen Gast. Sie waren rot umrändert und völlig verquollen.

Er wischte sich die Rotznase am Ärmel seines dunkelblauen, mit Wolken bestickten Pyjamas ab. „Ich dachte schon, du kommst heute nicht mehr", schluchzte er.

„Aber, aber", säuselte Indra und klopfte neben sich auf die Matratze. „Ich lass dich nicht allein, das hab ich dir doch versprochen. Komm schon her."

Theodore tat wie ihm geheißen. Er schmiegte sich an ihren kalten Oberarm und schloss völlig entkräftet die Lider, als sie damit begann, ihm beruhigend über den Rücken zu streicheln.

„Ich kann deinen Kummer spüren, Teddy. Er scheint heute noch unerträglicher als an all den Tage zuvor", flüsterte sie, gaukelte ihm vor, sie würde sich tatsächlich um ihn sorgen.

Dabei freute sie sich darüber, dass er sich so elend fühlte. Die Ziellinie ihres Plans rückte in greifbare Nähe.

Geräuschvoll zog er die Nase hoch, antwortete aber nicht.

Ihre schwarzen Klauen fuhren ihm durch das nicht zu bändigende Chaos auf seinem Kopf. „Ich kann dir helfen, weißt du? Und das nicht nur, indem ich dir zuhöre. Hab ich dir jemals davon erzählt, dass ich verlorene Träume zurückbringen kann?"

Anthologie im WinterWhere stories live. Discover now